„Akzeptieren Sie die Realität“: Roman Braun über Stereotypen
KURIER: Anfang 2020 wurden bei den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich nur acht Prozent der Geschäftsführer-Positionen von Frauen besetzt. Was kann man tun? Frauen sind doch nicht weniger qualifiziert.
Roman Braun: Ein guter Teil meiner Klientinnen sind Frauen, die sich nicht damit anfreunden wollen, dass sie, wenn sie nichts Besonderes dafür tun, nicht in den gleichen Positionen landen wie ihre männliche Konkurrenten.
Was meinen Sie mit „etwas Besonderes tun“?
Es gibt ein paar Dinge, die eine Frau mehr beweisen mus., weil es Männern von alleine zugeschrieben wird. Gesellschaftlich glaubt man von Haus aus, dass ein Mann beständiger ist, härter und gewissenhafter arbeitet und weniger emotionale Ausbrüche hat. Und dass er durchsetzungsstärker bei Verhandlungen ist. Das sind alles Qualitäten, die in unserem Wirtschaftssystem derzeit noch bevorzugt werden.
Und was können Frauen, ihrer Meinung nach tun?
Kompetente Frauen reflektieren das. Zum Teil bringe ich meine Klientinnen auch auf die Idee, dass Sie die männlich konnotierten Verhaltensmuster trainieren – wissend, dass es eine Zumutung ist. Eine andere Möglichkeit ist, dass sie es nicht tun und darauf warten, dass sich die Gesellschaft ändert. Meine Empfehlung ist, dass sie die Realität wie sie ist, akzeptieren und überlegen was sie tun können. Denn Frauen sind in der Lage das zu managen, um emotional stabiler zu sein und gleichzeitig härter in Verhandlungen.
Das heißt, Frauen müssen Ihr Verhalten ändern und sich stereotypisch männliches Verhalten erst aneignen?
Nein. Der Zusatzaufwand, den die Frau tun muss, ist, dass sie demonstriert, dass sie etwa auch hart sein kann. Damit zeigt sie ihre Vielfalt . Wenn eine Mitarbeiterin zeigt, sie kann auch tough sein, hat der Chef mehr Vertrauen. Frauen sind natürlicherweise empathischer und offener für neue Ideen. Aber sie müssen zeigen, dass sie emotional stabil und hart an der Sache sein kann, wenn es drauf ankommt. Das wird Männern zugeschrieben und Buben werden nach wie vor so sozialisiert.
Das ist aber ein sehr klischeebehaftetes Geschlechterbild.
Ja ganz genau. Das ist stereotypisch und im Moment leider auch real. Mein Tipp ist daher: Akzeptieren Sie die Realität, damit Sie sie dann dahingehend verändern können. Frauen werden stereotypisch als Schafe gesehen. Löwen essen gerne mit anderen Löwen Schafe. Die Frau muss zeigen, dass sie eine Löwin sein kann.
Es wird Frauen oft geraten, ihre Weiblichkeit im Auftreten – auch bei der Kleidung durch Maskulinität zu übertünchen. Ist das wirklich notwendig?
Das ist eine der mögliche Maßnahmen, um zu zeigen, dass sie auch härter Energie zu Verfügung hat. Manche Frauen spielen damit und sind einmal im Hosenanzug, einmal im figurbetonten Kleid. Es demonstriert mehr Verhaltensmöglichkeiten und Verhaltensmöglichkeiten sind Macht.
Kamala Harris ist die erste weibliche gewählte US-Vize-Präsidentin. sie hat gute Chancen, die erste weibliche US-Präsidentin zu werden. Was hat das für eine Signalwirkung?
Das könnte eine Menge verändern. Harris hat allen engagierten Frauen Hoffnung gemacht, dass sie es auch schaffen könnten. Denn entweder ich habe selbst ein Erfolgserlebnis oder jemand mit dem ich mich identifizieren hat ein Erfolgserlebnis. Für 100 Millionen Amerikanerinnen hat Harris etwas für sich als Frau und für die Frauen gemacht. Aber diese Vorbildwirkung beschränkt sich auf den englisch sprachigen Raum.
Österreich hatte mit Brigitte Bierlein eine erste weibliche Bundeskanzlerin. Eine erdrutschartige Veränderung ist dadurch in Österreich nicht eingetreten...
In der Geschlechtergleichheit würde ich mir dadurch nicht so viel erwarten. Bierlein hat ein ähnliches Problem wie Hillary Clinton. Sie war zu elitär, nicht volksnah aber musste sich auch nie so präsentieren. In Österreich haben Vorbildfunktionen wohl generell einen geringen Beitrag zur Geschlechtergleichbehandlung. Wenn man wirklich etwas verändern möchte, muss man in der Erziehung ansetzen.