Ältere wären gute Freelancer, sagt die Deloitte-Personalchefin
KURIER: Die Roboter nehmen uns die Jobs weg, der Fachkräftemangel nimmt zu, wir arbeiten immer länger – die Nachrichtenlage um die Arbeitswelt wird immer komplexer. Sie beraten Unternehmen und wissen aus erster Hand, was sie beschäftigt. Wohin geht die Reise also?
Anna Nowshad: Man kann die Einflüsse in zwei grundsätzliche Trends zusammenfassen, die beide, wenn man sie nicht bearbeitet, einen deutlichen Talente- und Fachkräftemangel nach sich ziehen können. Der eine Trend ist, dass die Jungen immer später zu arbeiten beginnen und ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer bald in Pension gehen wird. Das verursacht natürlich eine gewisse Lücke am Arbeitsmarkt. Und der zweite Trend ist, dass die neuen Technologien Jobs verändern.
Manche Firmen sind nicht willig, Ältere zu beschäftigen. Zuletzt ist in Österreich auch die Arbeitslosigkeit bei den Über-50-Jährigen gestiegen. Was könnte hier die Lösung sein?
Unternehmen müssten ihren Arbeitskräfte-Pool vergrößern: Nicht nur Uni-Absolventen und jene mit mehreren Jahren Berufserfahrung suchen, sondern umdenken: Wo sind Menschen, die in ihrem letzten Berufsdrittel stecken? Oft ist für viele von ihnen länger zu arbeiten eine Mischung aus Wollen und Müssen. Wer mit 65 in Pension geht, hat vielleicht noch 30 Jahre – das muss man sich leisten können. Die Frage ist: Kann ich als Unternehmen über flexiblere Arbeitsmodelle wie Freelancen oder Teilzeitvarianten für Ältere nachdenken, um den Fachkräftemangel, den es ja unbestritten gibt, auch abzufedern? Die Studie zeigt in diesem Zusammenhang noch ein spannendes Ergebnis: Ältere Arbeitnehmer sind deutlich zufriedener als jüngere.
Woran liegt das?
Als älterer Arbeitnehmer weiß ich besser, welchen Beitrag ich leiste. Ich bin mir meiner Stärken bewusster als Jüngere. Das ist ein wesentlicher Asset, auf das Unternehmen setzen können.
Wie schafft man es, ältere Arbeitnehmer so lange in der Praxis zu halten? Was brauchen sie?
Ein wesentlicher Faktor ist das Gestalten von lebenslangem Lernen und lebenslangen Karrieren. Mit einer Qualifizierungsmaßnahme alle paar Jahre ist das nicht getan.
Lebenslanges Lernen ist für viele ein Unwort – lässt es sich attraktiver konnotieren?
Vertrauen ist der Hauptgrund, warum jemand motiviert ist und einem Unternehmen treu bleibt. Das wiederum ist untrennbar mit Lernen verbunden. Wenn mir jemand vertraut, hat es viel mit meiner Kompetenz und der Zusammenarbeit zu tun. Es stimmt, das Schlagwort ist schon oft genutzt worden. Aber vieles, was es umfasst, ist genau mit dem lebenslangen Lernen verbunden.
Der Studie nach wollen Arbeitnehmer Weiterbildung vor allem im IT-Bereich. Müssen hier Firmen mehr investieren?
Ich glaube ja. Wobei das in einem umfassenden Sinn geschehen muss. Neue Technologien sollten nicht nur als Gefährdung des eigenen Jobs gesehen werden.
Welche Rolle spielt beim Verbleib in einem Unternehmen die Vergütung?
Im Schnitt ist es das Zweitwichtigste, bei den Älteren ist Vergütung allerdings weiter unten platziert. Das hat auch mit dem höheren Gehaltsniveau, das Ältere sehr häufig schon haben, zu tun. Geld ist aber ein Hygiene-Faktor: Wenn ich ein gewisses Gehaltsniveau habe und über dem Markt bezahlt werde, trägt es nicht mehr zu meiner Zufriedenheit bei.
15.000 waren am Wort
„Voice of the workforce in Europe“ heißt die neue Studie, die das Beratungsunternehmen Deloitte unter 15.000 Beschäftigten in Europa durchgeführt hat. Gefragt nach den Wünschen der Arbeitnehmer, ergaben sich für die Unternehmen aus den Ergebnissen wiederum spannende Erkenntnisse. Diesen zufolge wird sich die Arbeitswelt künftig noch stärker um zwei Themen drehen: Einerseits die vielfach diskutierte Digitalisierung und andererseits um den demografischen Wandel. Der stellt Arbeitgeber vor die große Herausforderung und gleichzeitig auch große Chance, ältere Arbeitnehmer länger im Betrieb zu halten. Laut der Studie gab es 2017 weniger Menschen unter 35 im Arbeitsleben, als Menschen mit über 50 Jahren.