TV-Dienstleister kämpfen gegen "Zwangsanstellung"
Von Anita Staudacher
Dass es in Österreich kein Recht auf Selbstständigkeit gibt, bekommen derzeit 250 TV-Dienstleister schmerzlich zu spüren. Kameraleute, Cutter oder Bild- und Tontechniker, die von ORF oder ATV Aufträge erhalten wollen, müssen sich auch gegen ihren Willen anstellen lassen. Und zwar nicht von den TV-Anstalten direkt, sondern zu fragwürdigen Bedingungen von dazwischengeschalteten Leiharbeitsfirmen. Beim ORF handelt es sich dabei um den burgenländischen Arbeitskräfteüberlasser p4U, für ATV vermittelt ab Jänner bzw. März die Firma Teamwork das benötigte Personal.
"Fragwürdige Firmenkonstruktionen"
Die Mehrheit der bisher Selbstständigen möchte sich aber nicht anstellen lassen und formiert sich zum Widerstand. "Es werden hier zum Teil bereits seit vielen Jahrzehnten selbstständig erfolgreiche Menschen alternativlos in Vertragsverhältnisse mit durchaus fragwürdigen Firmenkonstruktionen gedrängt", schildert ein Betroffener dem KURIER. Dabei würden bisherige Errungenschaften unterwandert, Honorare und Arbeitsbedingungen verschlechtert und krampfhaft neue, schlechtere Berufsbilder und Kollektivverträge (KV) geschaffen.
"Man glaubt, man ist in Süditalien und nicht am Küniglberg."
Um Sendungen möglichst billig produzieren zu können, soll Technikern sogar der Handels-KV angeboten worden sein. "Man glaubt, man ist in Süditalien und nicht am Küniglberg. Wir fühlen uns total rechtlos, niemand scheint wirklich für uns zuständig zu sein", erzählt eine weitere Betroffene, die aus Angst vor Repressalien ihren Namen lieber nicht nennen will. Die Dienstleister seien gerne bereit, unternehmerisches Risiko einzugehen, viele hätten auch mehrere Auftraggeber, "aber das interessiert niemanden". Auf Unverständnis stößt auch die Tatsache, dass p4U nur als eine Art Verrechnungsstelle fungiert, ansonsten keinen Kontakt mit den Betroffenen hält. Alles läuft nach wie vor über den Sender direkt. Dieser erspart sich dadurch Personalkosten.
Arbeitsrecht zwingt
Der ORF sieht sich durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen zu dieser Form der Beschäftigung gezwungen. Der Sender hat mehrere Verfahren wegen "Scheinselbstständigkeit" am Hals, es drohen hohe Nachzahlungen. Warum er nicht selbst anstellt, begründet der ORF mit der "tageweisen Anmietung des Personals, um Kapazitätsspitzen abzufangen, die sich aus dem aktuellen Produktionsgeschehen ergeben und nicht planbar sind". ATV gab keine Stellungnahme ab.
Gesetzeslücke
Das Problem: Die Kriterien, wonach jemand anzustellen ist oder nicht, passen auf die moderne Arbeitswelt oft nicht mehr, die Krankenkassen müssen jedoch bestehendes Gesetz vollziehen. So gilt etwa das Arbeiten mit eigenem Equipment als Indiz für Selbstständigkeit, jedoch arbeiten gerade Techniker im Projektgeschäft sehr häufig mit Hard- oder Software des Auftraggebers. Ähnliche Grauzonen zwischen selbstständig und unselbstständig gibt es auch bei IT-Dienstleistern, Erwachsenentrainern oder im Gesundheitsbereich.
Alexander Herzog, der als Obmann der gewerblichen Sozialversicherung (SVA) für ein "Recht auf Selbstständigkeit" kämpft, spricht im Fall der TV-Dienstleister von einer "Gesetzeslücke". Gemeinsam mit Sozialministerium und Gebietskrankenkassen soll jetzt eine Lösung für die Betroffenen gefunden werden. "Wir sind uns bewusst, dass wir hier sehr hartnäckig sein müssen", sagt Herzog.