Initiative gegen Spirale nach unten: Kärnten is a Wahnsinn
Von Simone Hoepke
Starkoch Wolfgang Puck und Nestlé-Verwaltungsratschef Peter Brabeck-Letmathe haben eines unüberhörbar gemeinsam: das Kärntner Idiom. Beide haben ihre Heimat verlassen, um Karriere zu machen. Wie viele andere – weniger bekannte – Kärntner auch. Viele reden davon, irgendwann zurückzukehren, lassen es mangels Berufschancen dann aber doch meist bleiben.
Kärnten ist das einzige Bundesland Österreichs, in dem die Bevölkerungszahl schrumpft. Das setzt eine Spirale nach unten in Gang: Weniger Familien bedeuten weniger Kinder, weniger Schulen, weniger Infrastruktur und letztlich weniger Arbeitsplätze, was wiederum dazu führt, dass viele auswandern. "Kärnten ist in einer beispiellosen Krise", sagt Monika Kircher, ehemalige Chefin der Infineon. Die Krise werde noch länger andauern, die Frage sei nur, wie man damit umgehen werde.
Kircher hat gemeinsam mit Mitstreitern die Initiative für Kärnten gegründet, die Menschen vernetzen soll, die etwas für Kärnten tun wollen, aber nicht so recht wissen wie. Es geht um keine Promi-Veranstaltung – auch Otto-Normalverbraucher ist aufgerufen, mitzumachen.
"Wir wollen nicht länger jammern, sondern die Sache selbst in die Hand nehmen", sagt Wolfgang Wisek, selbst Kommunikationschef im Landwirtschaftsministerium in Wien. Wisek: "Wir vernetzen Ideen, Menschen und Know-how, um Kärnten weiterzubringen." Finanziert wird die Initiative über die Industriellenvereinigung Kärnten und Privatpersonen. Zudem laufen zehn Crowdfunding-Projekte (unter anderem für die Singschule Carinthia oder für ein Kulturzentrum im Bergdorf Fresach).
Honorige Unterstützer
Zu den Unterstützern der Bewegung gehört auch PR-Profi Wolfgang Rosam, der mit seiner Agentur auch für Gläubiger der früheren Hypo Alpe Adria, heute HETA, tätig ist. Einen ähnlichen Auftrag hat auch Christof Zernatto, einst Landeshauptmann von Kärnten.
Initiative für Kärnten
Gründungsmitglieder Monika Kircher (Ex-Infineon- Chefin), Christoph Kulterer (Eigentümer Hasslacher Norica Timber), Cattina Leitner (Richterin), Wolfgang Wisek (Kommunikationschef im Landwirtschaftsministerium), Christof Zernatto (PR-Berater und ehemaliger Landeshauptmann Kärnten) www.fuer-kaernten.at
Am Fenster in der Skybar in der Wiener Kärntner Straße hängt unübersehbar ein Schild. Darauf ein Pfeil, der den Süden zeigt, darunter steht: Kärnten, Carinthia, Koroška. Den dreisprachigen Wegweiser hat der Hausherr persönlich angebracht: der gebürtige Kärntner Hans Schmid. Der Ex-Werber, der seine Agentur 2000 um kolportierte 40 Millionen Euro verkauft hat, ist heute als Präsident des Eishockey-Clubs Vienna Capital, größter Winzer von Wien und als Besitzer des Kaufhauses Steffl samt Skybar bekannt. Und betreibt auch den Heurigen Mayer am Pfarrplatz und den Pfarrwirt.
Warum der Kärntner in jungen Jahren nach Wien gegangen ist? „Weil ich wie viele andere in Kärnten keine Chancen gesehen habe. Wir müssen den Jungen endlich Möglichkeiten schaffen“, sagt der 75-Jährige im KURIER-Gespräch.
Vom Wirt zum Hotelier
Für die Kärntner Dichterin Christine Lavant (Thomas Bernhard hat sie als eine der bedeutendsten Lyrikerin der deutschen Sprache bezeichnet) hat Hans Schmid die „Internationale Christine Lavant Gesellschaft“ gegründet. Zweck: Die Verbreitung und das Verständnis des Werks von Christine Lavant zu fördern. So wird im Herbst zum ersten Mal der Christine- Lavant-Preis vergeben.
Weil heute Aschermittwoch ist, eines vorweg: Wir Kärntner sind nicht an allem schuld. Zum Beispiel nicht an der Übertragung des Villacher Faschings. Das muss ich am Tag danach mit aller Deutlichkeit sagen. Die Sitzung wird übertragen, weil mehr als eine Million Menschen zuschauen. Das können nicht alles Kärntner sein. Genau genommen hat Kärnten 560.000 Einwohner – und die sind am Faschingsdienstag zu einem guten Teil bei ihrer eigenen Faschingsparty. Übrigens ist die Faschingssitzung ganz okay, wenn man sie als das sieht, was sie ist: Eine Laienveranstaltung, die nicht mit einem Wiener Opernball in trauriger Schleierkraut-Deko vergleichbar ist.
Als Kärntner ist man nicht nur am Aschermittwoch in der Defensive. Dafür sorgt schon allein die HETA, vulgo Hypo Alpe Adria. Witze à la "Wenn wir schon eure Schulden übernehmen, müssen wir den Wörthersee-Urlaub ja wohl nicht auch noch zahlen" kann kein Kärntner mehr hören.
Eine Initiative will jetzt das Image des Landes verbessern – indem sie all jene zusammentrommelt, die etwas für Kärnten tun wollen, statt nur zu jammern. Die Liste der unterstützenden Mitglieder wächst stetig. Nach dem Motto "Beim Reden kommen die Leut’ zsamm" sollen jene, die Projektideen haben, mit jenen zusammenkommen, die das Know-how oder finanziellen Mittel zur Umsetzung haben. Es ist sicher ein Experiment, aber zumindest passiert endlich einmal etwas.