„In einer Krise fangen die besten Firmen an“
Von Andreas Schwarz
Mit 15 ging er in den Ferien nach Cambridge, um Englisch zu lernen, später das Physikstudium am Kings College abzuschließen – und dann für immer dort zu bleiben. Seither hat der gebürtige Tiroler Hermann Hauser "ein bisschen Geld gemacht", wie er das in schönstem britischen Understatement sagt. Denn mit seiner Firma Acorn und der bahnbrechenden Entwicklung des ersten brauchbaren Heimcomputers in den achtziger Jahren und mit der späteren Firmengründung ARM, deren Microprozessoren heute in fast jedem Mobiltelephon stecken, wurde er zum Steve Jobs Großbritanniens – und zeitweise zum zwölftreichsten Mann auf der Insel ("Heute bin ich so um Platz 500, weil da sind so viele Russen").
Wofür einer der erfolgreichsten Auslandsösterreicher aber am meisten geschätzt wird: Hauser hat seit jeher jungen Unternehmern auf die Beine geholfen und Startups ermöglicht. Er tut dies seit zehn Jahren auch hauptberuflich mit seiner Venture capital Firma "Amadeus" und ist mit einer der Väter des sogenannten Cambridge Phänomens: Eines Clusters von inzwischen 1400 Hightech-Firmen mit rund 40.000 Beschäftigten in und um Cambridge, "Silicon Fen" genannt, der die Verbindung von Wissenschaft und Business optimal nützt.
Seither ist Cambridgeshire die blühendste Region Großbritanniens: Während die Arbeitslosigkeit landesweit bei acht Prozent liegt, beträgt sie in Cambridge gerade einmal drei Prozent.
In seinem Büro auf dem Mount Pleasent mit Blick über die kleine Universitätsstadt erklärt Hauser, wie das geht. Und was Österreich bräuchte, damit so etwas auch hier geht.
KURIER: Herr Hauser, sind Sie nach Cambridge gegangen, weil Ihnen Österreich far too small war?
Hermann Hauser: Nein. Der Vater ist nach Hause gekommen und hat gesagt: "Bubi, Du lernst jetzt Englisch, weil das ist die wichtigste Sprache auf der Welt." Weil die Zugverbindung nach Cambridge besser war als die nach Exeter, bin ich dort gelandet. Und es hat mir sehr gut gefallen, der Sommer mit den langen Nächten, die Architektur, hinten am Kings College sind die Punts, die Stocherkähne, mit den feschen schwedischen Mädchen vorbei gefahren ...
Also kamen Sie wieder?
Ich kam mehrmals, weil ich habe mich in die Stadt verliebt, die Architektur, das Internationale. 1977 habe ich hier mein Doktorat gemacht und dann Acorn Computers gegründet.
Wäre das in Österreich nicht möglich gewesen?
Nein, das war ein Grund, warum ich hängen geblieben bin: Man kann in England eine Firma um 100 Pfund gründen, das habe ich damals mit einem Kollegen, jeder hatte 50 Pfund, getan. Wenn das 1000 Pfund gekostet hätte, so viel hätte es in Österreich wohl gebraucht, hätten wir das nicht machen können.
Die Rahmenbedingungen waren damals schon besser?
Ja. Ich würde gerne auch einmal in Österreich investieren. Aber wenn man sich die Venture capital Landschaft anschaut (lacht), das ist wirklich eine Katastrophe. Ein Drittel des Risikokapitals in Europa ist in England, dann kommt Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn, Tschechien, dann irgendwann Österreich.
Woran liegt das?
Österreich geht`s ja nicht schlecht, das Wachstum ist gut, Österreich ist dank der Verbindungen zu Deutschland im Automobilsektor gut, das passt ja. Für die Zukunft sehe ich aber schon ein Problem, weil das meiste Wachstum mit revolutionjärer Innovation verbunden ist. Mit einer evolutionären Innovation können große Firmen gut fertig werden, wenn`s aber revolutionär wird, dann ist es irsinnig schwer für Großfirmen, das zu absorbieren – die bringen sich damit meistens um.
Da braucht`s Kapital ...
... und das Entrepreneurship, das mir sehr am Herzen liegt. Deswegen habe ich auch ein Entrepreneurship-Center für die Universität hier gebaut. Und die Engländer legen darauf viel wert.
Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist eines der Geheimnisse hier. In Österreich ist die nicht sehr ausgeprägt. Warum?
Zunächst einmal liegt das stark an der Qualität der Universitäten und der Wissenschaft, obwohl wir auch auf ein paar gute in Österreich stolz sein können. Aber wenn man sich die Rankings der Top-20-Unis der Welt anschaut, dann ist Cambridge die Nummer eins mit mehr Nobelpreisträgern als irgendeine andere Universität der Welt, ja sogar mehr als alle Staaten außer den USA und Deutschland. Elite-Unis wie in Cambridge sind einfach in Zentraleuropa nicht vorhanden. Und dann liegt es eben auch an der Betonung von Entrepreneurship in angelsächsischen Ländern, die dann auch zu solchen Clustern wie hier in Cambridge führt mit 1400 Firmen und 40.000 Beschäftigten – das ist einfach ein Teil der Kultur.
Was bräuchte es für so einen Cluster in Österreich?
Zeit. Und Role models, Unternehmer, die etwas machen und den Erfolg vorleben. In Cambridge hat das auch erst vor 10 Jahren wirklich zu brummen begonnen. Vor zehn Jahren haben wir hier 17 Prozent unserer Investitionen mit Serial Entrepreneurs, also die bereits ihre zweite oder dritte Firma gegründet haben. Jetzt sind es 70 Prozent.
Haben Sie sich je überlegt, als Role model zurückzukehren?
Meine Frau ist Neuseeländerin, meine Kinder sind hier zweisprachig aufgewachsen, meine Mutter wohnt noch immer in Wien. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das, was ich hier mache, in Österreich machen könnte, da fehlen einfach die Voraussetzungen.
Gab es Anfragen aus Österreich, aus der Politik, aus der Wirtschaft, ihre Expertise einzubringen?
Nein, mit Ausnahme von Wolfgang Schüssel. Als der Bundeskanzler war, war ich auf seinem Advisory Board von Auslandsösterreichern. Der jetzige Bundeskanzler verwendet diesen Ausschuss nicht mehr. Aber ich würd`s schon gerne machen, wenn sich irgendjemand dafür interessiert.
Mit Acorn sind Sie reich geworden: Der Homecomputer wurde ein Riesenerfolg, auch weil BBC den für ein Lernprogramm für Kinder verwendete. Dennoch scheiterte Acorn dann an Lieferschwierigkeiten.
Wir waren die erste Firma in England, die von null auf 100 Millionen Pfund in fünf Jahren gewachsen ist. Es war auch die einzige Firma auf der Welt, die ein millionenfaches Capital gain hatte: Jedes Pfund, das wir hinein gesteckt haben, nach den ersten hundert waren es noch einmal hundert, war dann eine Million Pfund wert, als wir die Firma an die Börse brachten. Dann gab`s Produktionsschwierigkeiten, Wachstumsschwierigkeiten – mit der Firma habe ich sehr viel gelernt.
Und mit ARM den nächsten Megaerfolg gegründet.
Mit meinem Team von Acorn. Wir verwendeten damals den 6502, den 8-Bit-Prozessor, den auch Apple verwendete. Wir wollten einen 32-Bit-Prozessor und sind alle Microprozessoren-Hersteller der Welt abgegangen, Intel wollte uns seinen Chip nicht geben – und dann haben wir`s gleich selbst gemacht. Und zwar mit zwei Vorteilen: Der ARM-Prozessor ist der einzige der Welt, der von zwei Leuten konstruiert wurde und nicht von 50; und ich gab ihnen kein Geld, somit war das der einzige Prozessor, der um ein paar Hunderttausend Pfund gemacht wurde, nicht um Millionen. Dadurch wurde der Prozessor einfach und klein und war trotzdem einer der leistungsstärksten – und damit weltführend. Und heute haben wir mit diesem Prozessor einen 95-prozentigen Marktanteil in Mobiltelefonen und einen 80-prozentigen in PCs. Dieses Jahr verkaufen wir acht Milliarden ARMs, in jedem IPad, in jedem IPhone sind fünf ARMs. Wir sind die erfolgreichst Lizenzfirma auf der Welt, erfolgreicher als Intel.
Warum haben Sie sich dann irgendwann entschlossen, nicht mehr nur Unternehmer zu sein, sondern Unternehmen auf die Beine zu helfen?
Nachdem Acorn von Olivetti übernommen worden ist, war ich Vizepräsident der Forschung bei Olivetti und drei Jahre in Italien tätig, habe aber die Verbindung zu Cambridge nie abgebrochen. Und ich der Steve Jobs von England, viel in den Medien, und viele Leute kamen zu mir und fragten, ob ich ihnen nicht mit ihrer Firma helfen und investieren könnte, weil ich ja ein bisschen Geld gemacht habe mit Acorn ...
Ein bisschen?
Also gut, damals war ich der 12-reichste Mann in England. Das bin ich jetzt nicht mehr, jetzt bin ich bei 500, da sind so viele reiche Russen da. Auf jeden Fall habe ich investiert, und ich gab damals 50 Prozent vom Business Angel Money in Cambridge für meist junge Leute, die ein Geschäft aufbauen wollten.
Business Angel ist was?
Der Begriff kommt aus dem Theater: Wenn Leute für eine Produktion Geld brauchten, gab es oft Private, die es ihnen gegeben haben, sogenannte Theatre Angels. Die Business Angels, also Leute die Geld haben und damit helfen, investieren oft mehr als Venture Capitalists – das ist privates Investment in die Aktien von Startup-Firmen, ein großer Sektor der angelsächsischen Finanzierung.
Und dann gründeten Sie die Investmentfirma Amadeus.
Ja, weil so viele Leute wollten Geld von mir, dass ich sagte, das macht keinen Sinn, das allein zu machen, ich sollte das mit einer Firma machen.
Wie viele Firmen haben Sie im Laufe ihrer Tätigkeit gegründet oder mitfinanziert?
Mehr als 100. Aber das war nicht der Beginn des Clusters und des Cambridge Phänomens – der war vor 50 Jahren mit der Gründung der Cambridge Consultants. Diese Beratungsfirma sollte die Forschungstätigkeit in Cambridge mit der Industrie zusammenführen.
Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen: Da kommt jemand zu Ihnen und sagt, ich habe eine Idee, aber kein Geld, und Sie bewerten das dann ...
Genau, man muss genug technisches Wissen haben, um die Ideen auszuloten. Wobei sich das sehr verändert hat. Früher kamen die Leute und sagten "Ich habe eine Idee, das wird die Welt verändern", und ich hab mir das angeschaut und gesagt, "ja großartig, aber wo ist der Markt?" und die sagten dann "Der Markt ist egal, aber die Idee!!"; oder ich ging zu den Professoren und sagte, ich höre von großen Fortschritten auf dem und dem Gebiet, sollten wir das nicht vermarkten und eine Firma machen, und die sagten "Um Gottes Willen, soll ich meine akademischen Hände schmutzig machen mit dem Pakt mit dem Mammon?". Das hat sich total geändert: Inzwischen wissen alle, dass der Markt wichtig ist und dass es gut ist, wenn man aus einer Idee ein Business macht. Und die Leute denken auch an Business-Pläne.
Wer bewertet?
Wir sind bei Amadeus vier Partner, jeder ist auf etwas anderes spezialisiert. Ich kenne mich im Semiconductor-Bereich und bei Zellbiologie aus, die anderen bei mobiler Infrastruktur, bei Software und Security.
Okay, und wenn die Idee passt, dann gibt`s Geld?
Ja, aber das ist nicht alles. Viele glauben, sie können die Firma selbst leiten, aber die meisten Akademiker können das nicht, also braucht`s Personal, den Geschäftsführer, den Marketing Manager, und die vermittle ich dann, damit ein Team zustande kommt. Und wenn das funktioniert und ein Business-Plan da ist, dann gibt`s das Geld.
Und Platz?
Ich habe das Hauser-Forum gebaut in West Cambridge, und da gibt`s einen Stock, da können junge Leute um 50 Pfund pro Monat einen Schreibtisch mieten, zunächst einen Tag pro Woche – so können sie anfangen, später ein ganzes Büro mieten, mit anderen Leuten zusammenkommen.
Wieviele Anfragen von Firmengründern haben Sie?
Ungefähr 1000 pro Jahr. In eine von 100 bis 200 Anfragen wird dann auch tatsächlich investiert.
Wieviel Zeit haben Sie für die Evaluierung eines Vorschlags?
Die meisten schau` ich an und sehe sehr schnell, dass nichts daraus wird. Etwa 20 Vorschlägen schaut man sich im Detail an. Und die vier, fünf Investments, die`s dann jedes Jahr werden, über ein paar Monate..
Gab`s auch Vorschläge von Österreichern?
Ich kenn` ganz wenig Österreicher im High tech Sektor.
Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise auf die Unternehmensgründungen aus?
Positiv.
Aha. Wieso?
Weil die Leute in Großfirmen ihren Job verlieren und was Eigenes probieren.
Umso vorsichtiger muss man bei der Bewertung der Ideen sein?
Nein, nicht unbedingt. Die Leute sind ja oft sehr gute Leute. In so einer Krise fangen oft die besten Firmen an.
Der Trend ist weiterhin IT?
Nein, wir haben jetzt mehr Biotechnologie in Cambridge, das ist der größte Wachstumssektor in der Zukunft. Weil die Forschungsfortschritte so spektakulär sind. Meine letzte Firma auf diesem Gebiet war die Solexa, die die Sequenzierung des humanen DNS macht, und die haben wir um 640 Millionen an Illumina verkauft, noch ehe die auch nur ein Instrument verkauft haben – ein spektakulärer Erfolg.
Ihre drei besten Eigenschaften?
Ich habe ein Gespür für technische Ideen; ich komme mit Menschen gut aus; und ich bin zukunftsgläubig.
Die drei schlechtesten?
Ich bin zu zukunftsgläubig; ich kann ungeduldig sein; und ich kann dumme Menschen nicht ausstehen.
Ihr Laster?
Autos vielleicht. Ich gehe ab und zu nach Silverstone und drehe dort ein paar schnelle Runden.
Ihre beste Geschäftsidee?
ARM.
Was ist wirklich schief gegangen?
Mit Acorn hatten wir wirkliche Probleme mit der Auslieferung. Aber von den 100 Firmen, die ich gegründet oder mitfinanziert habe, hat es nur eine gegeben, wo die Technologie nicht funktioniert hat. Polite, da ging es um einen holographischen Speicher für eine neue DVD, die 100 Gigabytes abspeichern sollte – eines Tages kam der Physiker mit einem lachenden und einem weinenden Auge und sagte: Ich kann jetzt beweisen, dass das nicht funktioniert.
Aus allen anderen wurde etwas?
Ein Drittel geht irgendwann in Konkurs, aber nicht, weil die Technologie nicht funktioniert hat.
Was sagen Sie jemandem, der Unternehmer werden will?
Do something.
Und einem Österreicher, der das werden will?
Das Gleiche, und komm` nach Cambridge. Außerdem ist es mit Internet und Facebook und allen anderen sozialen Netzwerken so viel leichter, auch in Österreich eine internationale Beziehung mit den besten Leuten der Welt zu bekommen. Der Vorteil von einem Cluster wie in Cambridge ist trotzdem die Nähe zueinander.
Was haben die Engländer, was die Österreichern nicht haben?
Es hat viel mit der Einstellung zu tun, mit dem fehlenden Mut. Wenn jemand in Cambridge sein Doktorat gemacht und eine gute Idee hat, dann sagt er zu sich: Ich habe an der Nummer eins Universität abgeschlossen, ich bin der Beste und der erste auf der Welt, der diese Idee hat, da mache ich jetzt etwas draus. Der Doktorand in München oder Wien sagt: Ich habe eine gute Idee, aber wenn die wirklich so gut ist, dann hat die sicher schon jemand bei Siemens gehabt, und wenn die bei Siemens niemand gehabt hat, dann ist wahrscheinlich die Idee nicht so gut. Das ist der Unterschied.
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