Wirtschaft/Immo

Was tun, wenn die Altbau-Miete zu hoch erscheint?

„Seit es die neue Zuschlagskarte der Stadt Wien gibt, sind die Online-Anfragen zur Überprüfung des Mietzinses explodiert“, sagt Christian Bartok, Leiter der Mieterhilfe. Er erwartet heuer rund 4500 Fälle vor der Schlichtungsstelle (MA 50) – das ist um ein Drittel mehr als 2017.

Der Hintergrund ist, dass die Stadt Wien kürzlich die Lagezuschlagskarte verändert hat und es Vermietern damit erschwert wird, Lagezuschläge in einigen Grätzeln zu verrechnen. Die Hausbesitzer und Wohnungseigentümer sehen das freilich anders: Diese Lagezuschlagskarte, die nicht bindend ist, kann „wenn überhaupt nur als gut gemeinter Hinweis verstanden werden. Im Streitfall ist immer eine genaue Überprüfung des Einzelfalls und aller einzelner Umstände notwendig“, betont Martin Prunbauer, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes.

Dass die Mietzins-Überprüfungen in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sind, liegt am verstärkten Auftreten von so genannten Prozessfinanzierern wie MieteRunter, Mietfuchs oder Mietenchecker. Diese Unternehmen führen für ihre Kunden die Verfahren bei der Schlichtungsstelle, tragen das Klagsrisiko und erhalten dafür im Erfolgsfall eine Provision.

Nun rät die Stadt Wien zur Vorsicht bei solchen Anbietern. „Es gibt neuerdings Prozessfinanzierer, die auf der Suche nach Kundschaft von Tür zu Tür gehen. Ziel dabei ist, Mieter dazu zu überreden, sehr hohen Provisionszahlungen zuzustimmen,“ sagt Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal.

Anzeige bei der Staatsanwaltschaft

Laut Auskunft der Mieterhilfe hat die Stadt diesbezüglich eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. Mitarbeiter eines Prozessfinanzierers sollen sich als Vertreter der Stadt Wien ausgegeben haben, um Kunden zu keilen, lautet der Vorwurf. „Die Ermittlungen laufen“, berichtet Mieterhilfe-Leiter Bartok.

Doch welche Möglichkeiten gibt es für Menschen, die im Altbau wohnen und deren Miet-Entgelte aus irgendeinem Grund zu hoch erscheinen?

Üblicherweise vertreten Mieterschutzorganisationen wie Mietervereinigung, Mieterschutzverband oder Mieterbund ihre Mitglieder vor der Schlichtungsstelle. Die Krux daran: Bei diesen oft gemeinnützigen Vereinen muss man beitreten und einen Mitgliedsbeitrag zahlen. Bei der Mietervereinigung beispielsweise sind das 63 Euro pro Jahr plus 62 Euro einmalige Einschreibgebühr. „Viele Leute wollen vorab nichts vorstrecken und keinem Verein beitreten, darum wenden sie sich an Prozessfinanzierer“, so Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung.

Zum Vergleich: Prozessfinanzierer verlangen erst eine Provision, wenn Mieter Geld zurückbekommen. Vorab muss daher nichts bezahlt werden. Allerdings sind die Provisionen dann relativ hoch: Je nach Refundierungssumme beläuft sich diese auf bis zu 45 Prozent. Manchmal muss nicht nur für bereits bezahlte Miete, sondern auch für die künftige Ersparnis auf mehrere Jahre ein Erfolgshonorar gezahlt werden. „Von der Rückzahlung und der ersparten Miete bleibt den Mietern dann nur mehr wenig übrig,“ ist Hanel-Tosch überzeugt, „bei den Mieterschutzorganisationen gibt es die gleiche Leistung für weniger Geld.“

"Mietzinsaktion" der Stadt Wien

Um die Hemmschwelle vor Mieterschutzorganisationen zu nehmen, hat die Stadt Wien kürzlich eine „Mietzins-Aktion“ ins Leben gerufen: Bis 30. November können Mieter bei der Mieterhilfe einen kostenlosen Check in Anspruch nehmen.

Stellt sich dort heraus, dass möglicherweise zu viel bezahlt wird, übernimmt die Mietervereinigung die Vertretung beim Überprüfungsverfahren bei der Schlichtungsstelle. Der Mitgliedsbeitrag wird so lange gestundet, bis das Verfahren abgeschlossen ist.

Die Kritik an ihrer Arbeit lassen die Prozessfinanzierer hingegen so nicht stehen. MieteRunter etwa war der erste Anbieter am Markt. Geschäftsführer Christian Pultar sagt: „Wir gehen nicht von Tür zu Tür. Allerdings informieren wir Mieter per Postwurfsendung oder Direct Marketing über die Möglichkeit einer Mietzinsüberprüfung.“ Vor allem in Grätzel, in denen durch die neue Lagezuschlagskarte künftig keine Zuschläge mehr verrechnet werden dürfen, werden die Prozessfinanzierer wohl aktiv werden.

Auch auf die Kritik, dass sie zu teuer wären, kontert Pultar. „Wir tragen alle Kosten des Verfahrens. Auch wenn der Fall vor Gericht kommt und der Mieter verliert.“ Gerade bei der Umsetzung der neuen Lagezuschläge erwartet Pultar , dass Vermieter – wie teils schon angekündigt – verstärkt versuchen werden, Fälle von der Schlichtungsstelle abzuziehen und vor Gericht zu bringen. „Die Eigentümer-Seite wird gegen den Wegfall der Lagezuschläge argumentieren.“

Mieterhilfe-Leiter Christian Bartok hält dagegen, dass Mieter ohnehin äußerst selten Gerichtskosten und Kosten für Sachverständige tragen müssten.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, was man bei potenziell überhöhten Mieten zurückholen kann: Laut Berechnungen der Arbeiterkammer liegt die potenziell nicht zulässige Überhöhung der Richtwertmiete bei neu vermieteten, befristeten Wohnungen bei durchschnittlich 109 Euro monatlich. In Wien werden pro Jahr rund 12.600 Altbauwohnungen neu befristet vermietet.

Die Stadt Wien geht davon aus, dass sich die Ersparnis auf etwa 180 Euro im Monat beläuft. 2017 holten sich Mieter in Wien rund 8,5 Mio. Euro von der Schlichtungsstelle zurück.