Wirtschaft/Immo

Nicht nur nebeneinander, sondern miteinander

Sie kommen aus Estland und Frankreich, aus Albanien und Bangladesch, aus den USA und von den Philippinen. Gemeinsam mit ihren österreichischen Nachbarn wohnen sie auf dem ehemaligen Nordbahnhofgelände im zweiten Bezirk.

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Insgesamt sollen hier bis 2025 rund 10.000 Wohnungen entstehen. Sechs Wohnhausanlagen auf dem Gebiet rund um den Rudolf-Bednar-Park wurden und werden heuer fertiggestellt. Das Thema interkulturelles Wohnen ist der gemeinsame Schwerpunkt dieser sechs Häuser. Gemeinschaftsräume und Begegnungszonen sollen eine aktive Nachbarschaft erleichtern. Eines der Projekte hat der Bauträger Kallco umgesetzt: „Wir wollten die Kommunikation der Bewohner informell fördern. Mit der zweigeschoßigen Lobby, die alle Stiegen miteinander verbindet, ist das gelungen“, sagt Geschäftsführer Winfried Kallinger. 20 Prozent der Bewohner sollten Migrationshintergrund haben, so die Vorgabe des Bauträgerwettbewerbs. Im Haus „com“ sind es fast 30 Prozent: 26 Nationalitäten sind hier versammelt. Die meisten kommen aus der Türkei, gefolgt von Ägypten und Deutschland.
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Auf Eine bunte Mischung setzt man auch beim Projekt „Mitten im 11ten“. Die Wohnhausanlage mit Miet- und Eigentumswohnungen ist Teil des neuen Stadtquartiers auf den ehemaligen Mautner-Markhof-Gründen. Ein Gemeinschafts-Pavillon ist der kommunikative Kern der Anlage.

Damit das Zusammenleben reibungslos klappt, gibt es in der Bau- und Einwohnphase Unterstützung durch eine externe Begleitung und Moderation. Das „Community Coaching“ wird vom Institut wohnbund:consult umgesetzt. „Themenvorgaben wie interkulturelles Wohnen sind ein Beitrag zur Qualitätsverbesserung. Aber was für diese Zielgruppe gut ist, ist für alle gut. Ich glaube, dass alle größeren Projekte eine sozialorganisatorische Starthilfe brauchen“, sagt Firmeninhaber und Institutsleiter Raimund Gutmann. „Es braucht am Anfang jemand, der Anlässe zur Begegnung schafft. Wir organisieren zum Beispiel ein interkulturelles Begrüßungsfest.“

Die Bewohner bekommen eine mehrsprachige Wohnfibel mit Infos über richtiges Lüften, Energiesparen und die Nutzungsvereinbarungen von Gemeinschaftsräumen. „Wir bieten außerdem Workshops im Gemeinschaftspavillon an und organisieren die Wahl von Haussprechern“, erklärt Gutmann.

Noch ist eine so umfassende Begleitung die Ausnahme. „Wo es keine externe Betreuung gibt, müssen Bauträger und Verwaltung den Bewohnern die Sicherheit geben, dass alle gleichwertig sind und dass jeder dazugehört. Es sind immer nur Einzelne, die Probleme machen“, ist Kallinger überzeugt.

Dennoch: In einer großen Gruppe treffen unterschiedliche Interessen aufeinander. Während die einen einfach nur günstig wohnen wollen (oder müssen), entscheiden sich andere gerade wegen des interkulturellen Schwerpunktes für ein bestimmtes Projekt. Bei der Umsetzung dieser Idee werden also einige mehr und andere weniger engagiert sein.

„Meist will man mit einem solchen Projekt einen Dorfcharakter herstellen. Es gibt Freizeitplätze, die wichtigsten Geschäfte und oft auch eine Schule in der Nähe“, erklärt Mediatorin Andrea Jungbauer-Komarek. In so einer Konstellation gibt es immer welche, die im Zentrum sind und etwas zu sagen haben, andere übernehmen bestimmte Aufgaben, wieder andere sind Außenseiter. „Bei Wohnprojekten ist es wichtig, wie man mit Menschen in der Außenseiterrolle umgeht. Man darf diese Bewohner nicht in die Mitte zwingen, aber auch nicht hinausdrängen. Manche brauchen einfach länger um Kontakt aufzunehmen, das ist auch in Ordnung“, sagt Jungbauer-Komarek. Wo Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenleben, kann es zu Missverständnissen kommen. „Die erste Hürde ist das Sprachproblem. Es gibt Länder, wo sehr laut kommuniziert wird und andere, wo leiser gesprochen wird – das allein kann schon zu Kommunikationsproblemen führen“, sagt Jungbauer-Komarek. Auch über die Nutzung der allgemeinen Teile kann man geteilter Meinung sein: Die einen sehen nur die Wohnung als ihren Bereich an, die anderen die ganze Anlage. Sie stellen Sachen auf den Gang oder in den Garten. Das kann bei anderen Bewohnern zum Gefühl der Übergriffigkeit führen. Die Mediatorin warnt in diesem Zusammenhang vor Verallgemeinerungen: „Vorsicht mit Urteilen über ganze Gruppen, man muss immer die einzelne Person anschauen.“ Gibt es Konflikte, sollten die Betroffenen als Erstes miteinander reden. „Und zwar gleich und in aller Ruhe. Warten Sie nicht, bis Sie sich zum fünften Mal über etwas ärgern und dann entsprechend wütend reagieren“, betont Jungbauer-Komarek. Sie rät auch dringend davon ab, gleich zur Verwaltung oder dem Vermieter zu laufen: „Durch das Einschalten einer höheren Stelle kann sich der andere bedroht fühlen. Vielleicht gibt es eine Vertrauensperson im Haus, mit der Sie zuerst sprechen können.“ Hilft das alles nichts, kann man sich an einen interkulturellen Mediator wenden. „Das sollte jemand sein, der beide Kulturen kennt und versteht. Sonst ist die Neutralität nicht gewahrt. Arbeiten Sie eventuell mit zwei Mediatoren, wenn einer nicht beides abdecken kann“, rät Jungbauer-Komarek. Wenn Menschen aus verschiedenen Ländern kommen, brauchen sie nicht so zu tun als wären sie gleich. Denn das sind sie nicht. Aber es gibt keine Unterschiede, die nicht überwunden werden können – wenn man will.

Wer darf eine Immobilie kaufen?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen EU- bzw. EWR-Bürgern und Nicht-EU-Bürgern. Erstere sind beim Liegenschaftserwerb den österreichischen Staatsbürgern mehr oder weniger gleichgestellt. Außerdem gibt es bilaterale Abkommen zwischen Österreich und einigen Staaten außerhalb der EU, etwa den USA oder der Schweiz: Österreicher können dort relativ leicht eine Liegenschaft erwerben und Amerikaner und Schweizer bei uns.

Unter welchen Voraussetzungen können Nicht-EU-Bürger in Österreich kaufen?

Das ist in jedem Bundesland unterschiedlich. Während der Zuzug nach Kärnten relativ leicht möglich ist, stellt sich die Situation beispielsweise in Tirol recht schwierig dar. Grundsätzlich unterliegt österreichweit jeder Rechtserwerb an Liegenschaften durch Ausländer der Genehmigungspflicht durch die Grundverkehrsbehörde. Diese Genehmigung darf in Tirol jedoch nur erteilt werden, wenn der Erwerb staatspolitischen Interessen nicht widerspricht und – was in der Praxis noch viel wichtiger ist – wenn ein öffentliches Interesse besteht. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein berühmter Sportler oder Künstler, ein angesehener Wissenschaftler oder ein renommierte Arzt eine Immobilie kaufen will. Heute wird viel über den russischen Geldadel diskutiert. Ein öffentliches Interesse wäre zum Beispiel vorhanden, wenn diese Leute den Tourismus ankurbeln oder Investitionen in der Region tätigen. Aber hier scheiden sich die Geister. Vor Kurzem wollte die Gattin des ehemaligen Bürgermeisters von Moskau in Kitzbühel kaufen. Die Grundverkehrsbehörde hat abgelehnt, weil das öffentliche Interesse in diesem Fall nicht gegeben ist.

Wie ist die Situation, wenn jemand schon seit Jahren in Österreich lebt?

Auch das ist in jedem Bundesland unterschiedlich. In Wien sind die Voraussetzungen weniger streng als im Westen Österreichs. Nicht-EU-Bürger müssen zwar um eine Genehmigung des Rechtserwerbs beim Magistrat ansuchen, diese ist aber zu erteilen, wenn ein volkswirtschaftliches oder soziales Interesse besteht. Wenn also jemand einen Arbeitsplatz hat und gut integriert ist, wird er auch eine Wohnung kaufen können, weil ein soziales Interesse besteht. In Tirol kenne ich einen Fall, wo eine Familie, die schon sehr lange hier lebt, nicht kaufen durfte. Die Betroffenen mussten sich entscheiden: Entweder sie bleiben Mieter oder sie nehmen die österreichische Staatsbürgerschaft an. Denn wer zehn Jahre in Österreich lebt, hat – sofern er nicht straffällig geworden ist und sich mit unseren Werten identifiziert – einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft. Manche wollen aber ihre Staatsbürgerschaft nicht aufgeben.

Wer darf eine Wohnung mieten?

Grundsätzlich darf jeder, der einen gültigen Aufenthaltstitel hat, auch ohne Einholung einer behördlichen Bewilligung in Österreich eine Wohnung mieten. Der Vermieter muss das aber nicht überprüfen. Der Mietvertrag ist gültig – auch wenn sich der Mieter nicht rechtmäßig in Österreich aufhält.