Caritas-Frühstückspension: Der Weg nach oben
Von Mario Kopf
Es ist ein kleines Dorf im Weinviertel, wo die Straßennamen noch halten, was sie versprechen: Feuerwehrgasse, Bachgasse, Kirchenfeldstraße. "Unternalb ist ein entrückter, idyllischer Ort. Bei jeder Anreise haben wir uns in eine andere Welt versetzt gefühlt", sagt Peter Fattinger. Stichwort Kirchenfeldstraße: Hier befindet sich der ehemalige Gutshof von Stift Göttweig. Ein denkmalgeschütztes Areal, das die Hilfsorganisation Caritas seit 1984 als Bauernhof samt Tagesstättenplätzen für Menschen mit Behinderung nutzt.
"Wir wurden gefragt, ob wir den Westflügel zu einer Pension umbauen können, die später ebenfalls von Personen mit Behinderung betrieben wird", erzählt der Assistenzprofessor an der Technischen Universität Wien und Gründer des dort ansässigen design.build Studios. Dieses bietet Studenten die Möglichkeit, ein Architekturprojekt von der Skizze bis zur Eröffnung umzusetzen. Nach erfolgreichen Resultaten von Südafrika bis Indonesien führte das Projekt im Oktober 2014 ins niederösterreichische Retz.
Intensive Auseinandersetzung
"Wir haben eine Intensivwoche vor Ort verbracht", erinnert sich Laura Lipensky, eine der fünfundzwanzig beteiligten Studierenden. Hierbei wurde das Objekt analysiert, unterschiedlichste Konzepte entwickelt, viel diskutiert und erste Schritte mit dem Auftraggeber und dem Bundesdenkmalamt koordiniert. Rund achtzig Baubesprechungen sollten folgen.
Das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert weist pittoreske Gewölbebögen, Deckenmalereien und über vier Meter hohe Räume auf. Um diese Höhe für die Gästezimmer zu nutzen, entwarfen die Studenten freistehende Holzboxen, in welchen die Sanitärbereiche untergebracht sind – mit seitlichen Aufgängen versehen, entstanden dadurch Galerieebenen. Die raumstrukturierenden Objekte werden jeweils durch ein Bett und Nachtkästchen komplettiert – ebenfalls selbst entworfen und angefertigt.
"Oberste Priorität war, das historische Ambiente zu erhalten, allerdings zeitgemäß und barrierefrei zu adaptieren", sagt Fattinger. Das Ziel lautete, mit derselben Materialität des Bestandes weiterzuarbeiten: Die Innenwände wurden wieder gekalkt, die Räumlichkeiten von Einbauten wie Gipskarton, Parkettböden befreit und zugemauerte Fenster nachgeführt. Einzig der alte Fichtenboden ließ sich nicht mehr restaurieren – er wurde in den Zimmern durch Douglasienholz ersetzt. Allerdings ebenso in Form von genagelten, raumlangen Brettern.
Der Rückbau wurde ausschließlich von den Studenten und Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten vor Ort verschiedene Gewerke lernen, durchgeführt. "Wir haben das gemeinsam geschafft. Ich habe gelernt, Menschen einzuschätzen – und zu schätzen", sagt die 28-Jährige. Später trugen auch Professionisten zum Gelingen bei.
Ausbildung und Austausch
Um die Offenheit im Alltag zu leben, sah das Konzept einen flexibel nutzbaren Aufenthaltsraum vor, der die Gemeinschaft und den Austausch zwischen Gästen und den fünfzehn Mitarbeitern mit Behinderung, die unter Anleitung von Fachkräften in verschiedenen Bereichen wie Küche, Service oder Empfang ausgebildet werden, fördern soll.
Kurz vor dem Start blieb nur noch noch eine Frage offen: Wie soll die Pension heißen? Mit "OBENauf" wurde es ein Titel, der sich nicht nur auf die hohen Räume und die geografische Lage bezieht, sondern auch die positive Konnotation ausdrückt – wer obenauf ist, ist gut drauf. "So war die Stimmung auf der Baustelle. Jeder hat viel investiert, aber auch viel für sich mitgenommen", meint Fattinger. Lipensky kann dies bestätigen: "Man probiert aus, lernt viel und traut sich mehr zu. Das betrifft das Bauen vor Ort genauso wie das Zwischenmenschliche."
Information: OBENauf, Kirchfeldstraße 63, 2070 Unternalb bei Retz. Tel. 02942/201 15 www.obenauf.cc