Anlageobjekt: Begehrte Zinshäuser
Exakt 55 Briefe von Maklern und Investoren erhielt eine ältere Dame im vergangenen Jahr. All die Schreiben hatten einen Zweck: Die Frau sollte dazu bewegt werden, ihr Zinshaus zu verkaufen. „Sie hob die Briefe auf und zeigte sie mir“, sagt Immobilienunternehmer Eugen Otto, der das Haus im Auftrag der Besitzerin verwaltet. Und er beklagt: „Die Akquisitionsmethoden werden immer dreister.“
Die Episode macht deutlich: Wiener Zinshäuser sind nach wie vor begehrte Anlageobjekte. 2017 wurden 485 Zinshäuser bzw. Anteile an Zinshäusern mit insgesamt rund einer Milliarde Euro Volumen gehandelt ( siehe Grafiken ). So der aktuelle „Zinshaus-Marktbericht“ der Otto Immobilien Gruppe. „Der Markt ist derzeit in einer robusten Verfassung. Wir beobachten, dass großvolumige Transaktionen zunehmen“, meint Eugen Otto.
Der Unternehmer Michael Tojner, der beim umstrittenen Heumarkt-Projekt investiert ist, kaufte etwa ein Zinshaus am Dannebergplatz in Wien-Landstraße um fast 15 Millionen Euro. Und am Getreidemarkt in der Innenstadt wurden zwei Objekte um mehr als 15 Millionen Euro verkauft.
Großvolumige Deals machen mittlerweile rund 30 Prozent der Umsätze aus. Dennoch liegt die Hälfte der verkauften Zinshäuser (nach der Anzahl der Verkäufe gemessen) in der Preiskategorie zwischen einer und 2,5 Millionen Euro.
Das Wiener Zinshaus
Das klassische Wiener Zinshaus wurde in der Gründerzeit zwischen 1848 und 1918 erbaut, hat eine geschlossene Bauweise im Stil des Historismus und hat kein Wohnungseigentum begründet. Derzeit gibt es genau 14.439 klassische Gründerzeit-Zinshäuser in der Bundeshauptstadt. Die meisten übrigens in Wien-Ottakring.
Die Zahl nimmt aber jährlich ab: Vor allem durch Begründung von Wohnungseigentum und Abriss sank sie seit 2009 um mehr als tausend Häuser.
Der starke Rückgang an angebotenen Zinshäusern trotz starker Nachfrage hat dazu geführt, dass die Mindestpreise in einzelnen Regionen deutlich zugelegt haben. In der Josefstadt und am Alsergrund zogen die Preise mit 26 Prozent Plus am deutlichsten an. Dort liegt der Preis pro Quadratmeter bei mindestens 2.510 Euro. Die niedrigsten Preise sind zwar nach wie vor außerhalb des Gürtels zu finden, mittlerweile wird aber kein Zinshaus in einem durchschnittlichen Zustand unter 1.400 Euro pro Quadratmeter verkauft. „Oft werden sogar Bruchbuden mit 4.000 Euro pro Quadratmeter veräußert“, sagt Thomas Gruber, Immobilien-Experte bei Otto Immobilien, „dabei handelt es sich meist um Liegenschaften, die abgerissen und für Bauträger frei gemacht werden.“
In der Innenstadt erreichen die Spitzenpreise sogar mehr als 8.000 Euro pro Quadratmeter. Diese Entwicklung drückt auf die Renditen: die höchsten Renditen liegen mittlerweile bei unter vier Prozent, nämlich bei 3,9 Prozent in Favoriten und Simmering. Die geringsten Renditen werden demnach mit 1,2 Prozent in der Innenstadt erzielt. „Teilweise werden auch Liebhaber-Projekte mit unter ein Prozent Rendite veräußert“, sagt Thomas Gruber.
Eine größere Verschiebung gab es im vergangenen Jahr am Zinshaus-Markt: Entgegen dem langjährigen Trend waren die Umsätze außerhalb des Gürtels größer als jene in den Innenbezirken. Am kräftigsten wuchs das Transaktionsvolumen in Wien-Brigittenau (Plus 238 Prozent). In der City hingegen verringerten sich die Umsätze um 50 Prozent.
Traditionell waren Gründerzeithäuser im Besitz von Familien und Privatleuten. So waren auch 2017 noch die Hälfte der Verkäufer von Zinshäusern Privatpersonen. Die andere Hälfte waren Unternehmen. Bei den Käufern sind Private eher in der Minderheit – sie machen nur ein Drittel aus. Der Rest sind vor allem Unternehmen und Privatstiftungen.
Warum private Hausbesitzer überhaupt ihre Objekte veräußern, liegt oft daran, dass sie sich von der Verwaltung ihrer Liegenschaften und den sich ständig ändernden gesetzlichen Bestimmungen – Stichwort OGH-Entscheidung bezüglich Zu- und Abschläge – überfordert fühlen. „Private können ihre Zinshäuser oft auch nicht entwickeln“, sagt Richard Buxbaum, Leiter der Wohnimmobilien bei Otto Immobilien.
Für das laufende Jahr werden stabile Preise erwartet. In bestimmten Lagen sogar steigende Preise. Vor allem in Grätzel, die künftig vom U-Bahn-Bau profitieren. Eugen Otto: „Die Gegenden entlang der neuen U-Bahn-Linie (U5) werden nachgefragte Investitionsstandorte werden, vor allem beim Thema Wohnen.“