Wirtschaft

Im Winter droht höherer Strompreis

Noch nie war die Unsicherheit in den europäischen Energiekonzernen so groß wie jetzt: Deutscher Atomausstieg, hohe Gasimportpreise und der Ausbau der Erneuerbaren Energien wirbeln die traditionellen Unternehmensstrategien durcheinander. Was das für die Konsumenten, die Aktionäre und Österreichs größten Stromerzeuger Verbund bedeutet, erklärt dessen Chef, Wolfgang Anzengruber, im KURIER-Gespräch.

Alle Inhalte anzeigen

KURIER: In Deutschland geht nach der Stilllegung von acht Atomkraftwerken die Angst um, das Land könnte im Winter zu wenig Strom haben. Müssen Verbraucher wegen eines Engpasses Strompreiserhöhungen befürchten?
Wolfgang Anzengruber:
Der Winter könnte tatsächlich eine Zäsur beim Strompreis bringen. Kommt es in Deutschland zu Kapazitätsengpässen, könnte der Strompreis im Großhandel steigen. Das wirkt sich mit starker Verzögerung natürlich auf die Verbraucher aus. Ich erwarte aber keine Bocksprünge beim Preis. Unabhängig davon glaube ich, dass Energie generell teurer wird.

Warum?
Weil Kraftwerke vom Netz genommen werden. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima und der deutschen Atomausstiegs-Entscheidung ist der Strompreis im europäischen Großhandel um zehn Prozent gestiegen. Was den Energiekonzernen aber auch Sorge bereitet, ist der hohe Gaspreis. Denn vor allem Gaskraftwerke sollen Atomstrom ersetzen.

Geben die Versorger ihren Gaseinkaufspreis nicht an die Kunden weiter?
Das Problem ist, dass die Kraftwerke das Gas über Langfristverträge beziehen. Darin orientiert sich der Gaspreis am deutlich gestiegenen Ölpreis. Das war jahrelang in Ordnung, weil auch der Strompreis mit dem Ölpreis gestiegen ist. Jetzt aber gibt es am europäischen Gasmarkt gewisse Mengen an Flüssiggas, die billiger angeboten werden. Sie drücken den Gaspreis an der Börse und damit auch den Strompreis. Die Kraftwerke aber fahren mit den teuren Langzeit-Gasverträgen. Große deutsche Energiekonzernen kostet das eine Milliarde Euro.

Was kostet das den Verbund?
Das neue Verbund-Gaskraftwerk in Mellach läuft seit Juli im Probebetrieb. Wir verhandeln mit unserem heimischen Gaslieferanten über eine Flexibilisierung der Verträge. Vom Ergebnis dieser Gespräche hängt es ab, ob Mellach eine Belastung wird oder ob es nur wenig Ertrag bringt. Den Gaskraftwerksbereich werden wir nicht überproportional ausbauen, nur in Klagenfurt würden wir noch bauen, wenn wir die Genehmigung dafür bekommen.

Die Energiewende in Europa müsste für den Wasserkraftkonzern Verbund eigentlich positiv sein. Warum gab es kürzlich eine Gewinnwarnung?
Es gab keine Gewinnwarnung. Wir haben bekannt gegeben, dass der Gewinn 2012 "nur" um 20 Prozent wachsen wird und heuer unter den Erwartungen bleibt. Der Verbund ist dennoch hoch profitabel.

Aktien-Analysten waren über diese Ankündigung schockiert. Was drückt den Verbund-Gewinn?
Das ist zum einen die schlechte Wasserführung der Flüsse. Wir liegen um 13 Prozent unter einem Normaljahr. Jeder Prozentpunkt weniger Wasser verringert den Gewinn um elf Millionen Euro. Zum anderen ist es die Abwertung der türkischen Lira gegenüber dem Euro. Das bringt nicht cash-wirksame Bewertungsverluste unserer Geschäfte in der Türkei.

Haben sich die Auslandsengagements, die Ihre Vorgänger eingegangen sind, als Flops erwiesen?
Das sind Herausforderungen, die man lösen muss. In Frankreich haben wir uns aus dem Endkundengeschäft bereits zurückgezogen und für die Kraftwerke gibt es eine Option für einen Verkauf Mitte 2013. In Frankreich ist die Strom-Liberalisierung nicht so gelaufen wie erwartet. Da geht es nicht um Verschuldensfragen bei meinen Vorgängern.

Läuft es in Italien besser?

Auch dort ist der Verbund in einer Minderheitsbeteiligung präsent. Die Position ist nicht in Stein gemeißelt. 2012 ist das Ende der Investitionsphase, das letzte der Kraftwerke geht dann in Betrieb. Nun soll die Beteiligung Dividenden liefern.

Wo sehen Sie Wachstumsmärkte für den Verbund?
In der Türkei geht es uns operativ hervorragend. Da bleiben wir drauf. In Rumänien und Bulgarien bauen wir Windparks. Die Richtung für den Verbund ist eindeutig erneuerbare Energie. Mittelfristig liegt das größte Potenzial in Südosteuropa. Dort gibt es viel nicht genutzte Wasserkraft. Wir werden uns aber nicht Hals über Kopf hineinstürzen. Und in Österreich legen wir den Schwerpunkt auf Speicherkraftwerke.

Zur Person: Der Verbund-Chef

Karriere Der 1956 in Steyr geborene Anzengruber studierte Betriebswirtschaft und Maschinenbau. Der erste große Karrieresprung gelang ihm 1993, als er in den Vorstand der ABB Energie AG einzog. 1999 wechselte er an die Spitze der Salzburger Stadtwerke, ab 2003 stand er dem Salzburger Kranhersteller Palfinger vor. Seit Anfang 2009 leitet er den Verbundkonzern.

Konzern Der Verbund ist mit 102 Flusskraftwerken, 21 Speicherkraftwerken und zwei Windparks Österreichs größter Stromerzeuger. 51 Prozent gehören dem Staat.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund