Hemden für Filmhelden und Fachhändler
Von Simone Hoepke
KURIER: Sie tragen ein Gloriette-Hemd. Wie viele haben Sie denn davon?
Peter Hofer: Ich habe nur Gloriette-Hemden.
Im Lager waren zum Zeitpunkt der Übernahme mehr als 100.000. Ist das eigentlich viel bei einer Jahresproduktion von 250.000 Stück?
Nein, weil es ja viele Modelle, Größen und Farben gibt. Außerdem muss man bedenken, dass immer eine Kollektion in der Entwicklung ist, derzeit jene für das Frühjahr 2016, eine im Laden und eine bei den Agenten, die die Bestellungen der Boutiquen entgegen nehmen.
Gloriette hat 13 eigene Filialen. Sollen es mehr werden?
Nein, wir denken eher daran, punktuell in größere Standorte zu gehen.
Auch weil die Mieten hoch sind – speziell jene in den drei Standorten, die Sie vom alten Gloriette-Eigentümer Palmers angemietet haben?
Im Detail kommentiere ich das nicht. Aber ja, wir werden auch nachverhandeln.
Sie beliefern 400 Boutiquen in Österreich und angrenzenden Ländern. Da scheint das Filialgeschäft vernachlässigbar ...
Wir halten an den Filialen fest. Im Februar, als die Insolvenz von Gloriette bekannt wurde, hatten wir in den Filialen ein Umsatzplus von 38 Prozent.
Derselbe Effekt wie einst bei den Schwedenbomben?
Genau, ein Bekenntnis zur österreichischen Marke. Wir liefern aber auch sehr erfolgreich in andere Länder. Nach China etwa ...
In homöopathischen Mengen?
Wir haben dort 30 Filialen, die von Franchisenehmern betrieben werden. Das Geschäft habe ich 2006 aufgebaut und es ist auch nach dem Verkauf bei mir geblieben, genauso wie die Markenrechte von Gloriette in China. China trägt zehn Prozent zum Umsatz bei.
Wenn Sie schon nach China liefern, warum dann nicht gleich dort produzieren?
Weil die Qualität nicht passen würde. Beim Schnitt, aber auch bei den Stoffen. Die Teile, die in Containern aus China kommen, werden mit bis zu 30 Chemikalien behandelt. Wir kaufen die Stoffe bei einem zertifizierten Vorarlberger Unternehmen und fertigen nur in Europa.
Gloriette hat ein eigenes Werk in Ungarn und Lohnfertiger in Bulgarien. Wie viel kommt noch aus der eigenen Fabrik?
Ein Drittel kommt aus Ungarn – wir halten an dieser Fabrik fest. Ohne eigene Produktion wären wir ja kein Produzent mehr. Ich will mich nicht ausschließlich auf Lohnfertiger verlassen.
Zwei Drittel der Ware kommen dennoch von bulgarischen Lohnfertigern. Wie viel billiger ist es, dort zu produzieren?
Die Kosten liegen 30 bis 40 Prozent unter jenen in Ungarn. Aber der Standort in Ungarn, eine Stunde vom Firmensitz Stegersbach (Bgld.) entfernt, ist mir wichtig.
Ihr Familienunternehmen Lambert Hofer ist einer der großen Kostümausstatter Europas. Warum haben Sie jetzt zum zweiten Mal Gloriette gekauft? Wo sind die Synergien?
Es sind mehr als auf den ersten Blick erkennbar. Gloriette schneidert zum Beispiel schon jetzt Maßhemden, die wir für Schauspieler brauchen. Oder Kleinserien.
Welche Kleinserien?
Wir statten zum Beispiel gerade einen Film über die Wiener Sängerknaben aus und brauchen dafür hundert Matrosen-Blusen. Diese fertigt Gloriette. Oder wir stellen die Kostüme für die Neuverfilmung des Lebens der Familie Trapp her. Auch die Originalkostüme von „The Sound of Music“ sind von uns. Unseren Betrieb gibt es seit 1862 – wir haben viele Klassiker von Hans Moser bis Sissi-Filmen ausgestattet.
Sie haben mehr als 100.000 Kostüme auf Lager. Wie viel Umsatz machen Sie eigentlich?
Das verrate ich nicht.
Wieso nicht?
Wegen der Konkurrenzsituation. Es gibt vier große Kostümhäuser in Europa: In Deutschland, Spanien, England und eben uns. Alle sind in Familienhand und keiner verrät seinen Umsatz.
Kommen Sie sich mit den drei anderen wirklich in die Quere? Wer in Österreich eine Filmförderung kassiert, muss das Geld doch hier ausgeben, oder?
Filmförderungen müssen im jeweiligen Land ausgegeben werden. Aber die Produktionen bekommen oft in mehreren Ländern Förderungen. Oder nehmen Sie ein Land wie Frankreich, wo es keine Kostümausstatter wie uns gibt. Sie können kaufen, wo sie wollen. Und schon stehen wir in Konkurrenz zu den drei großen Mitbewerben.
Spielt die Ausstattung von Theatern noch eine Rolle?
Wir konzentrieren uns jetzt mehr auf die Filmwirtschaft, weil das Geschäft mit Theatern mangels sinkender Subventionen schrumpft.
Wann werden Sie mit Gloriette Geld verdienen?
Sicher nicht in den nächsten drei Jahren. Ich habe auch nach der Übernahme 2004 drei Jahre nur eingezahlt. Es geht nicht immer ums Geld.
Die Stoffproduktion in Vietnam, das Garn aus China, das Design aus Finnland, der Zuschnitt in Ungarn, die Produktion in Bulgarien. Die Bestandteile eines T-Shirts haben oft mehr von der Welt gesehen als deren Käufer.
In Großkonzernen sind ganze Abteilungen damit beschäftigt, den billigsten Weg von der Baumwolle zum fertigen T-Shirt zu finden. „Es gehört zum Know-how dieser Firmen, zu bestimmen, wie die Orders platziert werden“, sagt Eva Maria Strasser, stellvertretende Geschäftsführerin des Fachverbands Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie. Wer wo fertigen lässt, ändere sich also ständig, betont die Expertin.
Little China in der Toskana
Der Preisdruck ist enorm. Hinweise wie „Made in Italy“ sagen noch relativ wenig über den Verdienst der Näherinnen aus. So ist die toskanische Textilhochburg Prato fest in Händen chinesischer Geschäftsleute, die immer wieder damit Schlagzeilen machen, dass sie Chinesen ohne Aufenthaltsgenehmigung und zu Hungerlöhnen arbeiten lassen. Offiziell leben in Prato rund 17.000 Chinesen, örtlichen Quellen zufolge soll die Zahl aber eher bei 50.000 liegen.
Wo produziert wird, entscheidet nicht nur der Preis sondern auch das Tempo. Die spanische Zara-Mutter Inditex ist mit dem schnellen Kopieren von Designer-Mode und ständig wechselnden Kollektionen groß geworden. Um schnell zu reagieren, wird viel in Europa gefertigt. Weiße Basic-T-Shirts lassen sich die Konzerne dagegen containerweise und zu Billigstpreisen aus Asien anliefern, erklären Marktkenner.
Heimarbeit im Waldviertel
Anders tickt die Uhr freilich im Geschäft mit Maßhemden, die noch oft in unmittelbarer Nähe gefertigt werden. Beim Wiener Maßhemden-Macher Gino Venturini beispielsweise in Kleinrötz, in der Nähe von Korneuburg. Teile der Näharbeiten werden hier auch an Heimarbeiterinnen ausgelagert.
Österreichs Bekleidungsindustrie lässt derzeit am meisten in Slowenien fertigen, gefolgt von Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Dass Slowenien im Ranking ganz oben steht, liegt daran, dass der Vorarlberger Wäscheproduzent Wolford die Bekleidungskonfektion in Slowenien hat, erklärt Strasser von der Wirtschaftskammer. In Ungarn wird übrigens viel weniger genäht als noch vor ein paar Jahren. Grund dafür ist die Autoindustrie, die das Lohnniveau in die Höhe und die Modemacher in noch billigere Fabriken weitergetrieben hat.