Wirtschaft

Hauptverbands-Chefin: "Akzeptiere keine Zwei-Klassen-Medizin"

Seit einem halben Jahr steht die Unternehmerin Ulrike Rabmer-Koller dem Dachverband der 22 heimischen Sozialversicherungsträger vor. Der KURIER sprach mit ihr über Engpässe in der Versorgung, Fusionsfantasien, Fast-Food-Steuer und strengere Auflagen bei den Kuren.

KURIER: Kassenpatienten berichten von unerträglich langen Wartezeiten bei OP- oder MRT-Terminen. Nur wer privat zahlt, kommt schneller dran. Was läuft da schief?

Ulrike Rabmer-Koller: Wir haben das Thema analysiert und festgestellt, dass es vielschichtig und regional unterschiedlich ist. Vor allem Wien und Niederösterreich sind betroffen. Die Verringerung der Ärztearbeitszeit in den Spitälern spielt hier ebenso eine Rolle wie die erhöhte Nachfrage etwa nach MRT-Terminen. Es kommt auch manchmal zu Verlagerungen aus den Spitälern in den niedergelassenen Bereich. Eines ist klar: Bei dringenden Fällen muss sofort eine MRT möglich sein. Wenn jemand seit zwei Jahren Knieprobleme hat und jetzt eine Therapie will, muss er eine gewisse Wartezeit in Kauf nehmen. Wir arbeiten aber an Lösungen, ich akzeptiere keine Zwei-Klassen-Medizin.

Was soll konkret geschehen?

Wir verhandeln mit den Instituten, um lange Wartezeiten zu verhindern, und wir haben einen Leitfaden entwickelt, wie sich Patienten im Fall einer Terminvereinbarung verhalten sollen. Manchmal ist die Dringlichkeit bei den Instituten gar nicht ersichtlich. Das soll sich künftig durch das elektronische Bewilligungsservice (EBS) ändern. Das Institut kann sofort einsehen, wie dringend ein Termin ist. Durch EBS erfolgt die Chefarztbewilligung automatisch, da ersparen sich die Patienten die Rennereien.

EBS soll also auch die Wartezeiten verringern?

EBS als Teil der eCard bringt jedenfalls den Vorteil, dass der Status für die Institute und behandelnden Ärzte ersichtlich ist. Manche Patienten melden sich ja bei mehreren Instituten an und blockieren so Termine. Mit EBS weiß ein Institut sofort, ob woanders auch ein Termin vereinbart wurde.

Bessere Versorgung sollen die geplanten Primärversorgungszentren bringen. Hier geht aber wenig weiter. Das Ziel, bis Jahresende ein Prozent der Bevölkerung damit zu erreichen, ist wohl obsolet, oder?

Das Ziel ist realistischerweise nicht mehr zu erreichen. Die Gesetzesvorlage ist noch in Arbeit. Ich erwarte mir hier eine größere Lösungsbereitschaft bei den Ärzten. Es geht nicht darum, dass wir Österreich mit Zentren überziehen, sondern auch um Kooperationen von Ärzten und Gesundheitsanbietern. Menschen sollen wissen, wo sie auch am Wochenende eine Versorgung haben, damit sie nicht ins Spital müssen.

Manchmal reicht ja schon eine Erstberatung am Telefon. Wann wird diese endlich umgesetzt?

Das Projekt Teweb startet 2017. Es geht darum, dass Patienten bei einem Problem schon eine kompetente Erstberatung über eine Hotline bekommen. Dort sollen sie auch erfahren, wo der nächste Arzt Dienst hat. Das soll viele davon abhalten, gleich in die Ambulanz zu fahren. Da brauchen wir aber alle Beteiligten an Bord.

Die Ärzte sind aber wegen dem Mystery Shopping in ihren Praxen gerade sehr verärgert...

Hier geht es uns darum, schwarze Schafe aufzuspüren und Missbrauch zu verhindern. Ich bin überzeugt, dass 99 Prozent der Ärzte die Mystery Shopper gar nicht merken, weil sie sich den Regeln entsprechend verhalten. Wir wollen keine schikanösen Kontrollen, die wird es auch in Zukunft nicht geben.

Die Regierung hat die Effizienzstudie über eine mögliche Zusammenlegung der 22 Sozialversicherungsträger in Auftrag gegeben. Haben Sie schon Sparpotenziale ausgemacht?

Es ist nicht gewährleistet, dass es günstiger wird, wenn es nur noch eine große Kasse gibt. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir alle möglichen Varianten analysieren und die Studie möglichst ergebnisoffen halten. Wenn sich herausstellt, dass enorme finanzielle Potenziale zu heben sind, müssen wir die nötigen Schritte auch setzen.

Eine Präferenz, in welche Richtung es gehen könnte?

Als Unternehmerin bin ich gewohnt, erst Zahlen, Daten und Fakten zu analysieren und dann Entscheidungen zu treffen. Generell ist es mir lieber, kleine Reformen rasch umzusetzen, als sich an großen jahrelang abzuarbeiten und nichts zu erreichen.

Zum Thema Prävention: Sie haben angekündigt, "gesundes Leben" im Unterricht verankern zu wollen. Wie soll das gehen?

Ich werde darüber demnächst mit der neuen Bildungsministerin sprechen. Es ist beängstigend, wenn man sieht, wie die Kinder immer dicker werden und schon im Kindesalter Diabetes oder Rückenprobleme haben. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir gesundes Leben im Kindesalter verankern.

Bewusstseinsbildung allein bewirkt wenig. Andere Länder setzen auf höhere Steuern auf Fast Food oder Energydrinks...

Als Unternehmerin bin ich nicht für neue Steuern. Es gibt viele andere Wege in der Prävention, die müssen wir vorher angehen.

Wer in der gewerblichen Sozialversicherung (SVA) mehr für die Gesundheit tut, hat finanzielle Vorteile. Können Sie sich ein solches Anreizsystem für alle Versicherten vorstellen?

Ich kann mir durchaus vorstellen, hier positive Anreize zu schaffen. Es bedarf da keiner großen Summen, etwa einen kleinen Bonus für das Erreichen von gewissen Gesundheitszielen. Da können wir über viele Möglichkeiten diskutieren. Von einem echtes Bonus-Malus-System halte ich aber nichts, weil viele Menschen ja nichts für ihre Krankheiten können.

Ihr Vorgänger Peter McDonald wollte die vielen Kuren eindämmen. Was ist aus diesen Plänen geworden?

Wir setzen das gerade um. Kurz gesagt, sollen die Patienten bei Kuren mehr in die Pflicht genommen werden. Kuren sind da, um gewisse Gesundheitsziele nachhaltig zu erreichen. Ich befürworte jede Kur, die dazu dient, Menschen gesund zu machen oder präventiv zu wirken, aber ich bin dagegen, wenn sie nur dazu dient, drei Wochen mehr Urlaub zu haben. Das kann es nicht sein.

Bau-Unternehmerin
Ulrike Rabmer-Koller (49) löste im November 2015 Peter McDonald als Vorsitzende im Hauptverband ab. Die Unternehmerin aus dem Mühlviertel/OÖ (Bau- und Umwelttechnikfirma Rabmer) ist auch Vize-Präsidentin der Wirtschaftskammer und Präsidentin der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME).

Hauptverband
Unterm Dach des Hauptverbandes sind die 22 Sozialversicherungsträger vereint: Neun Gebiets- und sechs Betriebskrankenkassen; die Unfall- und Pensionsversicherungsanstalt; die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA), der Bauern, der Notare, Eisenbahner und öffentlich Bediensteten.