Lieferanten: "Zahlen, wissen aber nicht, wofür"
Von Simone Hoepke
Konsumenten haben über Jahre hinweg an der Supermarktkassa zu viel für Lebensmittel gezahlt, prangert die Bundeswettbewerbsbehörde an. Produzenten und Händler hätten sich die Preise abgesprochen.
Die ersten Unternehmen haben bereits Bußgelder gezahlt – allen voran der Handelskonzern Rewe (Billa, Merkur, Penny, Bipa, Adeg), den das Settlement mit der Bundeswettbewerbsbehörde 20,8 Millionen Euro gekostet hat. Ausjudizieren wollte man das Thema nicht. Die Kosten und der Imageschaden seien nicht kalkulierbar, sagen auch viele Lieferanten – und zahlen lieber, wenn auch zähneknirschend. Ausnahme: Der Handelsriese Spar, der keinem Settlement mit der Behörde zustimmt. Für Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch sind die Settlements eine "unbefriedigende Situation". Lorentschitsch: "Viele Klein- und Mittelbetriebe zahlen Strafen, obwohl sie gar nicht wissen, wofür." In der Wirtschaftskammer gebe es nach Razzien und Settlements stets zahlreiche Anfragen verunsicherter Unternehmer.
Der Leitlinien-Entwurf der Bundeswettbewerbsbehörde, der auflistet, was bei Gesprächen von Lieferanten und Händlern nicht erlaubt ist, "wirft mehr Fragen auf, als er Antworten gibt", ärgert sich René Tritscher, Geschäftsführer der Bundessparte Handel. So heißt es in den Leitlinien unter anderem, dass ein schwerwiegender Verstoß gegeben ist, wenn im Zusammenhang mit Preisbindungsmaßnahmen "ein Absatzkanal behindert wird". In diesem Sinne könne etwa "die Ausschaltung eines preisaktiven Internetanbieters dazu geeignet und bestimmt sein, die insgesamt herrschende Preisstabilität aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen." Tritscher: "Das heißt, ich muss laut BWB Amazon meine Produkte anbieten, wenn sie diese nachfragen, sonst behindere ich den Absatzkanal." Für Lorentschitsch haben solche Vorschriften einer Behörde "nichts mehr mit Marktwirtschaft zu tun". In der Vergangenheit sind eine Reihe von Sportartikelmarken ins Visier der Wettbewerbshüter geraten, weil sie den Vertrieb ihrer Marken über Online-Plattformen unterbunden haben. Betroffen sind unter anderem Adidas, Mammut, Asics oder Scott. "Wir wollen nicht, dass unsere Fahrräder neben Kochtöpfen verkauft werden", argumentierte ein Manager von Scott.
Ärger bei Aktionen
Im Lebensmittelhandel sorgt vor allem der Passus zu den Aktionszeiträumen für Aufregung. "Der Händler hat die Lieferanten grundsätzlich auch nicht dazu aufzufordern, exklusive Aktionszeiträume zu garantieren bzw. Aktionszeiträume der Händler miteinander abzustimmen", heißt es in den Richtlinien der Wettbewerbshüter. Rewe-Boss Frank Hensel kommentierte den Punkt in einem Interview zynisch damit, dass eine Kuh nicht mehr Milch gibt, nur weil Rewe und Spar gleichzeitig eine Milchaktion fahren.
Lorentschitsch schlägt in dieselbe Kerbe: "Ich sehe keinen Nutzen für Konsumenten, wenn künftig alle Händler gleichzeitig die gleiche Bieraktion fahren."
Ab Montag hält auch der Diskonter Lidl länger offen: Wochentags von 7.40 bis 20 Uhr, samstag bis 18 Uhr. Nur einzelne Standorte in Tourismusregionen, die auch sonntags aufsperren dürfen, sind von der neuen Regelung ausgenommen.
Ob sich längere Öffnungszeiten unterm Strich auch rechnen, stellt eine Studie der Credit Suisse infrage. Schließlich verursachen sie höhere Kosten – zum Beispiel beim Personal –, die durch eine entsprechende Umsatzsteigerung kompensiert werden müssen. Der Effekt, dass die Umsätze in einem ausreichenden Maß steigen, verpuffe aber, sobald viele Händler die Öffnungszeiten ausweiten.