Wirtschaft

Grüne Woche: Vom Roboter bis zum Bergkäse

Der Wein ist eingeschenkt, die Käseplatte angerichtet, das Sakko zurechtgezupft – gleich ist es 8.54 Uhr. Für diese Uhrzeit haben sich die Herren Schmidt und Müller angemeldet. Der deutsche Agrarminister und der Berliner Bürgermeister besuchen den Österreich-Stand auf der Grünen Woche in Berlin.

Schlag 8.54 Uhr wird es hektisch. Von Schmidt und Müller noch keine Spur, aber die Zahl an Sicherheits- und Kameraleuten steigt sekündlich. Eine Mitarbeiterin von Schmidt stellt klar, dass der Minister keinen Wein trinken wird. Nein, auch keinen Schnaps, betont sie. Bei mehr als 60 Ländern, die die Herren beim Messerundgang abklappern, wäre der Ausgang wohl fatal. Und dann sind sie da, schütteln Hände, halten Weingläser in die Kamera, nippen am Saftglas und sind schon wieder weg. Es ist 9.02 Uhr.

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Die Agrarmesse ist hektisch. Nicht nur für Politiker, auch für die Zuchtstiere, die neben Schafen, Ziegen oder Schweinen in die Großstadt gekarrt werden. Züchter Uwe Harstel hat sein Simmentaler Fleckvieh acht Wochen auf die Reise vorbereitet. "Man muss sich intensiv mit den Tieren beschäftigen, ihr Vertrauen gewinnen, sonst bleiben sie in der Messehalle nicht ruhig", sagt er und streichelt Pandora, einem Zuchtbullen, über den Kopf. Hörner haben seine Rinder keine. Sie wurden weggezüchtet. "Das ist gut so", findet Harstel. Die Tiere seien ruhiger und man müsse ihnen die Hörner nicht erst entfernen.

Hightech-Landwirte

In Industrieställen sind Tiere nicht viel mehr als eine Nummer auf einem Monitor. In der Halle "Erlebnisbauernhof" fahren piepsende Roboter durch die Gänge eines Kuhstalls. Sie schieben das Heu näher an die Tiere. Eine Kuh geht zur vollautomatischen Melkanlage, ein batteriebetriebener Kuhstallreiniger fegt über den Spaltenboden. So ein Reiniger könne Ställe mit 400 Kühen sauber halten, sagt der Vertriebsmanager des Maschinenherstellers Lely und ergänzt: "Der Bauer ist so von stupider Handarbeit befreit und kann am Sonntagnachmittag vom Sofa aus am PC oder Smartphone schauen, ob im Stall alles in Ordnung ist."

Fünf Halbwüchsige drängen sich nebenan in die Fahrerkabine eines Traktors, der mannshohe Reifen hat. Kreischend machen sie ein Selfie nach dem anderen. Am Traktor hängt ein Ferrari-roter Pflug in der Größe eines Kleingartens. Auf dem Image-Video des Herstellers zieht das Gerät schnurgerade Linien über endlos lange Felder. Der Bauer wählt, je nach Bodenbeschaffenheit, das geeignete Pflug-Programm auf seinem Touchscreen aus. Zwei Männer schauen fasziniert zu – in der einen Hand die Handykamera auf Videofunktion gestellt, in der anderen das Bierglas.

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In der Blumenhalle geht es ruhiger zu. In den Gängen liegt Sand, überall sind Wasserflächen angelegt, auf ihnen schweben venezianische Gondeln voller Blumenbeete. Besonders oft greifen die Besucher bei einer Gondel zur Kamera, die ein Bestattungsunternehmen gestaltet hat: Standesgemäß mit Blumen und einem Sarg.

Mit der Uhrzeit steigt der Alkoholpegel und schwinden die Fleischmengen, die sich an diversen Ochsengrill-Stationen drehen. Marktschreier mit Headsets preisen Putzfetzen und Kochutensilien aus quietschbuntem Plastik an. Alle wollen verkaufen, selbst Nespresso hat mit seinen Kaffeemaschinen einen Stand bezogen. Um 18 Uhr schließen die Messetüren. Von den Protesten der Tierschützer draußen haben die Menschen drinnen nichts mitbekommen.

Grüne Woche
Die größte Agrarmesse der Welt geht noch bis 24. Jänner in Berlin über die Bühne. 1660 Aussteller aus mehr als 60 Ländern stellen aus, bis zu 400.000 Besucher werden erwartet. Österreich ist unter anderem mit einem Gemeinschaftsstand der Agrarmarkt Austria vertreten. 38 Aussteller präsentieren Wachauer Whisky, Bürsten aus heimischem Holz mit Tierhaaren oder ganz klassisch Speck, Käse und Edelbrände.