Wirtschaft

Graz: Kraftwerke auf roten Ziegeldächern

Der Titel Weltkulturerbe verpflichtet. Unter diesen besonderen Schutz ist auch die Grazer Altstadt gestellt - und damit auch die geschlossene rote Dachlandschaft. Wer vom Schlossberg abwärts schaut, findet derzeit nur eine Bausünde vor. Das rötliche eingefärfbte Kupferdach des ausgebauten Edelkaufhauses Kastner & Öhler. Dort muss man noch warten. Die Patina stimme halt noch nicht, lässt die Geschäftsleitung ausrichten. Und die UNESCO nimmt es auch noch mit Geduld.

Ausnahme

Ein Extrawürstel wurde nun jedoch für das Franziskanerkloster gebraten. Dort dürfen in südliche Richtung Solarkollektorenflächen auf den Dächern angebracht werden. Bruder Matthias, der Klosterchef, hat es sich zum ehrgeizigen Ziel gesetzt, das Haus wärmetechnisch autark zu führen. Vom Schlossberg aus wird man nichts erkennen, nur vom Geschäftstower der Steiermärkischen Sparkasse aus wird ein Kratzer im Auge des Betrachters bleiben.

Der Ausnahmefall ist aber geschaffen. Er könnte nun einen wahren Boom an Solarkollektoren auslösen. Der Altstadterhaltungskommission macht das Kopfzerbrechen. "Wir schauen jetzt genauer und kontrollieren regelmäßig", bekräftigt Richard Mayr von der Landesstelle. Wer sich Kollektoren fördern lasse, schlüpfe nicht durch. Aber private Investoren bleiben bis zu 100 bewilligungsfrei.
Die grüne Vizebürgermeisterin Lisa Rücker setzt auf den technologischen Fortschritt. "Mein Traum wäre, dass Solarflächen nicht mehr von roten Dächern unterscheidbar sind."

ECO-World Styria, der Cluster für Umwelt- und Alternativenergietechnik, initiierte tatsächlich ein Projekt. "Es wird der Weltkulturerbe-Kollektor entwickelt", bestätigt Sabine Marx. "Er würde dann überall hinein passen." Mit einem Demo-Projekt sei innerhalb eines Jahres zu rechnen. Mittels Bedampfung funktioniert die Farbgebung. Kleine rote Farbpunkte brechen die spiegelnde Fläche.

Alternative

Die Grazer Firma S.O.L.I.D. ist stets bahnbrechend unterwegs. "Es gibt Möglichkeiten, Kollektoren so zu gestalten, dass sie architektonisch gut integrierbar sind", erklärt Geschäftsführer Christian Holter. Was die Farbgebung anbelange, sei das technisch zwar machbar, "aber um den doppelten Preis". Bei Photovoltaik für die Stromgewinnung gehe da gar nichts. "Und in der Thermie verliert man im zweistelligen Prozentbereich an Energie." Was wiederum höhere Kollektorenpreise nach sich ziehe.

Für Vizebürgermeisterin Rücker ist das Weltkulturerbe energietechnisch nicht sakrosankt. "Wir sind auch City of Design. Unter diesem Titel muss die Frage gestellt werden, wie eine Stadt moderner werden kann." Das Leben in der Altstadt müsse leistbar bleiben, in punkto Betriebskosten und Energieeffizienz. "Gangbare Kompromisse sind zu suchen."

Für Stadtplanungschef Heinz Schöttli zeichnet sich bezüglich der Dachlandschaftserhaltungsverordnung keine "allgemein gültige, einfache Lösung ab". Eine akzeptable Einfügung von Solaranlagen erfordere sorgfältige Planung und Prüfung im Einzelfall. Bei Photovoltaik, so schätzt Schöttli, werde es in einigen Jahren Gebäudeoberflächen geben, die Strom erzeugen und optisch kaum mehr von konventionellen Flächen unterscheidbar wären.

Der Vorsitzende der Altstadtsachverständigenkommisssion, Architekt Wolfdieter Dreibholz, befindet: "Die Stadt hat 850 Jahre gebraucht, bis sie so ausschaut." Er halte nichts davon, die Käseglocke drüber zu stülpen. Man könne Luft für Gegenwartsnotwendigkeiten schaffen. Es gebe nur gute oder schlechte Projekte. "Aber Solardächer würden mich stören."

Förderung: Solardach nur an 2. Stelle

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Der Solardach-Kataster der Stadt Graz weist weist nach einer genauen Erhebung mittlerweile 12 Millionen Quadratmeter möglicher Kollektorflächen auf den Dächern der Stadt aus.

Die Zone 1 - die Altstadt mit ihrer durch das Weltkuturerbe und dem Dankmalschutz geschützten roten Ziegeldächern - ist dabei tabu. Aufgeschlüsselt wird im Kataster, wo sich im Stadtgebiet Investitionen in die Sonnenenergie lohnen und wo etwa zu viel Beschattung durch Bäume besteht.

Die Fördermittel für die Alternativenergie werden im sogenannten Feinstaubfonds geparkt. Die finanziellen Möglichkeiten neigen sich - so die Umweltreferenten Lisa Rücker von den Grünen - bereits dem Ende zu. Denn vieles floss leider nur in Fernwärme-Anschlüsse. "Wir haben von 2008 bis jetzt 4050 Wohneinheiten bezüglich der Fernwärme mit einem Volumen von sechs Millionen Euro gefördert", erklärt Lisa Rücker auf KURIER-Anfrage.

In nachhaltge Anlagen für Solarenergie wurden im gleichen Zeitraum lediglich für 1600 Wohneinheiten 1,18 Millionen Euro an Subventionen gewährt.