Wirtschaft

Der streng regulierte Gründergeist

Der Befund: Österreich hat zu wenig Unternehmensgründungen. Gerade einmal 27.000 Neugründer suchten 2012 den Weg in die Selbstständigkeit. Die Maßnahme: Erleichterung der Unternehmensgründung durch die Schaffung einer GmbH light mit nur 10.000 Euro Mindestkapital. Bisher waren dafür 35.000 Euro nötig.

Nur ein halbes Jahr später ist wieder alles anders. Unter lautem Protest von Wirtschaftsvertretern wird die GmbH-Reform von der neuen Regierung wieder teilweise rückgängig gemacht. Wegen des zu großen Erfolges. Allein zwischen Juli und Oktober 2013 – also in den ersten vier Monaten seit Wirksamkeit der GmbH-Reform – wurden 1500 GmbH mehr als im Vergleichszeitraum 2012 gegründet. Der Haken: Die meisten Gesellschaften waren keine Neugründungen, sondern Um- und Ausgründungen von bereits bestehenden Unternehmen. Diese können mit der Herabsetzung des Mindest-Stammkapitals bequem Geld aus dem Unternehmen abziehen und somit die Steuerlast senken. „Die Zahl der Herabsetzungen ist um das Zehnfache hinaufgeschnellt“, sagt KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner, ein prononcierter Gegner der Billig-GmbH.

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Laut seinen Berechnungen waren seit Inkrafttreten der Reform am 1. Juli 2013 lediglich 49 wirkliche Newcomer unter den Gründern. Um eine Unterkapitalisierung zu verhindern, wird der Gründergeist nun wieder strenger reguliert.

Der KURIER hat die Details

Stammkapital So die Gesetzesvorlage wie geplant durchgeht, ist ab 1. März wieder ein Mindest-Stammkapital von 35.000 Euro vorgesehen. Davon muss binnen zehn Jahren nach Gründung mindestens die Hälfte, also 17.500 Euro, hinterlegt werden. Lediglich für die Gründung selbst sind auch weiterhin nur 5000 Euro in bar erforderlich.

Kennzeichnung Wer nur 5000 Euro in bar einzahlt, erhält für seine Firma den Zusatz „gründungspriviligierte“ GmbH. Dieser Zusatz soll den Unterschied zu einer „normalen“ GmbH für potenzielle Gläubiger augenscheinlich machen. Der Zusatz entfällt erst bei Erreichen der 17.500 Euro. Was passiert, wenn die Auffüllung nicht erreicht wird, steht nicht dezidiert im Gesetz. „Ich gehe davon aus, dass die Gesellschafter für die volle Differenz auf 35.000 Euro haften“, meint Kantner. Die Gesellschaft ist jedenfalls verpflichtet, für die Auffüllverpflichtung eine „Gründungsrücklage“ zu bilden.

Steuereinnahmen Durch die Reform der Reform wird der prognostizierte Steuerentfall bei der Mindest-Körperschaftssteuer wieder rückgängig gemacht. Durch die Auffüllverpflichtung erwartet sich der Fiskus schon 2014 wieder Mehreinnahmen von 85 Mio. Euro, 2015 sollen es sogar 95 Millionen Euro sein. Die Wirtschaftskammer hält diese Berechnungen für nicht nachvollziehbar.

Gründerdynamik Trotz der Kapitalhürden soll sich an der beabsichtigten Gründungsdynamik durch die GmbH light nichts ändern, heißt es im Gesetz. Die geplanten 9000 GmbH-Gründungen pro Jahr – und damit 1000 mehr als bisher – sollen als Zielvorgabe weiterhin erreicht werden. Jungunternehmer-Vertreter sehen das völlig anders. „Die geplante Zwangsauffüllung auf 35.000 Euro ist völlig inakzeptabel. Sie macht eine wichtige Erleichterung zur Gründung von neuen Unternehmen in Österreich völlig zunichte“, kommentiert Herbert Rohrmair-Lewis, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft. Kantner glaubt hingegen nicht, dass sich Gründer abschrecken lassen. „Es ist eine Frage der Psychologie. Schaue ich mich um Geld um, bevor ich ein Geschäft beginne oder nicht?“

Im EU-Vergleich hat Österreich relativ hohe Kapitalhürden. Der EU-Schnitt liegt bei 8000 Euro. Am wenigsten wird in Großbritannien verlangt. Für die englische Limited-Gesellschaft ist praktisch kein Stammkapital erforderlich. Für die deutsche Unternehmergesellschaft (UG) genügt ein Euro, jedoch muss nach und nach auf 25.000 Euro aufgestockt werden.

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Eigentlich ist das Ganze gar keine große Sache. Polemisch formuliert wurde ein Husch-pfusch-Gesetz wenig später husch, pfusch renoviert. Aber die Regierung hat den Symbolwert völlig unterschätzt: Die GmbH light brachte die Seele der Jung- und Kleinunternehmer zum Überkochen. Sie fühlen sich speziell von der einstigen Wirtschaftspartei ÖVP schon lange nicht mehr ernst genommen. Die Reform ist also quasi ein Geschenk für Neos – und die Grünen, die sich schon länger um die EPU kümmern.

In Wahrheit war die GmbH light zwar ein vernünftiger Gedanke – Unternehmensgründungen sollten erleichtert werden – doch im Endeffekt nicht gut durchgedacht. Denn weil etliche Unternehmer ihre Firma einfach in eine GmbH light umwandelten und das Stammkapital von bisher 35.000 auf „lighte“ 10.000 Euro reduzierten, entgingen dem Staat Steuereinnahmen. Die Mindestkörperschaftssteuer ist ja an das Mindestkapital gebunden.

Zu allem Überfluss will die Regierung nun auch den erst seit Kurzem geltenden Gewinnfreibetrag einschränken. Als wären hohe Lohnnebenkosten, allerlei Steuern, Zoff mit Sozialversicherung und Arbeitsinspektorat, bürokratische Arbeitszeitaufzeichnungen und immer mehr „Beauftragte“, die sich Firmen leisten müssen, nicht genug. Zumindest für kleine Firmen, deren Möglichkeiten für kreative Buchhaltung begrenzt und die Flucht in Steueroasen unmöglich ist, ist das Maß jetzt voll.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist alles andere als erfreut, wie er gegenüber dem Wirtschaftsblatt sagte: "Ich bin enttäuscht über all jene, die vorgeben, sich für die Interessen der EPU und Gründer einzusetzen und wenn es darum geht, die GmbH auf europäische Standards zu heben, diese mit unrealistischen und sinnlosen Auffüllungsbestimmungen wieder zurückführen wollen", so Leitl.

Das sei "ein völliger Unsinn", so der WKO-Chef weiter. Es gäbe "Kräfte im Hintergrund, die die GmbH-Reform systematisch schlecht gemacht haben" und zielt in Richtung AK, Notare und Kreditschützer, die bereits vor der Reform dagegen ins Feld zogen, berichtet das Wirtschaftsblatt. Leitl wolle nun massiv für die Beibehaltung der GmbH light eintreten und "gute sachliche Grundlagen dazu vorbereiten und damit in die Verhandlungen gehen". Das "letzte Wort in der Angelegenheit" sei "noch nicht gesprochen". Die Begutachtungsfrist für das Abgabenänderungsgesetz, in dem die GmbH-light-Zurechtstutzung enthalten ist, endet am 22. Jänner.