Geheimniskrämerei um Männer- und Frauen-Löhne
Von Anita Staudacher
Schon seit vier Jahren müssen Betriebe ab 150 Beschäftigten auf Verlangen des Betriebsrates ihre tatsächlichen Gehälter getrennt nach Männer und Frauen offenlegen. Durch diese Einkommensberichte, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, sollen ungleiche Gehaltszahlungen aufgespürt und etwaige Diskriminierungen beseitigt werden.
Hundert Ausreden
Die Gewerkschaft klagt, dass sich viele Betriebe nach wie vor weigern, Einkommensberichte zu erstellen oder daraus keine Konsequenzen ziehen. "Sie sagen zwar, dass in ihren Unternehmen Frauen ohnehin gleich bezahlt werden wie Männer, aber wenn sie die Zahlen auf den Tisch legen sollen, erfinden sie hundert Ausreden", erzählt ÖGB-Frauenvorsitzende Renate Anderl. Sie fordert verpflichtende Einkommensberichte schon ab 100 Mitarbeiter sowie "spürbare Sanktionen" bei Unterlassung oder Nicht-Beseitigung von ungleichen Gehältern.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek will ebenfalls Strafen verhängen und die Berichte zu einem „Pflichtbestandteil“ für die jährlichen Wirtschaftsgespräche von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite machen.
Bürokratie-Keule
Von der Wirtschaftskammer kommt postwendend eine Absage. Martin Gleitsmann, Leiter der Sozialpolitik, hält es für "unvertretbar, die Betriebe mit noch mehr bürokratischen Auflagen zu quälen". Evaluierungen würden klar zeigen, dass Einkommensunterschiede nicht auf Diskriminierung oder mangelnde Transparenz zurückzuführen sind, sondern auf eine Vielzahl anderer Gründe. Diese seien insbesondere Teilzeit, Berufswahl, Branche, Tätigkeit, Vorerfahrungen oder Karriere-Unterbrechungen.
EU-Vorletzter
Frauen verdienen in Österreich im Schnitt um 23 Prozent weniger als Männer, sagt die Statistik Austria. Im EU-Vergleich auf Basis des Bruttostundenverdienstes rangiert Österreich damit an vorletzter Stelle hinter Estland (29 Prozent). Der EU-Durchschnitt beträgt rund 16 Prozent. Spitzenreiter Slowenien kommt auf eine Lohndifferenz von 3,2 Prozent, gefolgt von Malta (5,1 Prozent) und Italien (7,3 Prozent). Die Unterschiede hängen zum Großteil mit der Teilzeitquote zusammen. In Österreich arbeitet fast jede zweite Frau Teilzeit, EU-weit sind es nur in den Niederlanden mehr.