Freihandelsabkommen EU - Kanada droht zu scheitern
Von Anita Staudacher
Das bereits im Vorjahr fertig ausverhandelte Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Kanada dürfte wieder aufgeschnürt werden. Wie die Süddeutsche Zeitung am Wochenende berichtete, hat die deutsche Bundesregierung schwere Vorbehalte gegen das Abkommen geäußert und will es nun doch nicht unterzeichnen. Ein Veto Deutschlands würde nicht nur den Kanada-Vertrag kippen, sondern hätte auch gravierende Folgen für die weiteren Verhandlungen mit den USA zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP. Denn das Kanada-Abkommen gilt als Vorbild für TTIP.
Die 28 EU-Mitgliedsländer erhalten den ausverhandelten Vertrag mit Kanada heute, Montag, offiziell zur Prüfung. Damit er wie vorgesehen 2015 inkraft tritt, müssen alle 28 Länder zustimmen. Das Abkommen sieht den Wegfall von 99 Prozent aller Zölle sowie die Anerkennung von Standards und Normen, die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens sowie die Anerkennung von Urheber- und Markenrechte vor. Wirtschaftsforscher prophezeien dadurch den Anstieg des beiderseitigen Handels um 23 Prozent oder 26 Milliarden Euro jährlich.
Stein des Anstoßes ist der im Vertrag festgeschriebene Schutz von Investoren. Diese Klausel gewährt internationalen Konzernen Rechtsschutz für ihre Investitonen. Kritiker befürchten aber, dass über das Einfallstor solcher Investitionsschutzregeln Konzerne die Möglichkeit erhalten, staatliche Regelungen auszuhebeln und hohe Entschädigungen einzuklagen. Auch Gesetze, die im öffentlichen Interesse stehen, könnten dadurch ausgehebelt werden. Wenig transparente internationale Schiedsgerichte sollen Streitfälle zwischen Staaten und Konzernen schlichten. In Österreich gibt es eine gemeinsame Stellungnahme der Bundesländer gegen internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Freihandelsabkommen mit Kanada oder den USA.
Kanada bestand von Anfang an auf solche Schiedsgerichte. Ohne diese Klauseln werde kaum ein kanadisches Unternehmen in Europa investieren, heißt es in der Handelsabteilung der EU-Kommission. Wie sonst soll ein Investment etwa in Bulgarien, wo selbst die EU immer wieder Zweifel an einer fairen Gerichtsbarkeit äußert, gewährleistet werden?
Deckungsgleich
Der Investorenschutz im Freihandelsabkommen mit Kanada ist deckungsgleich mit den bisher geplanten Klauseln für den Vertrag mit den USA. "Wird der Vertrag mit Kanada abgelehnt, dann ich auch jener mit den USA tot", zitiert die Süddeutsche einen hohen Beamten der EU-Kommission. Diese hat bekanntlich angekündigt, das heikle Thema aus den Verhandlungen vorerst auszuklammern und erst im Spätherbst wieder aufzugreifen. Bisher gab es mit den USA sechs Verhandlungsrunden, doch die Aussicht auf einen baldigen Abschluss rückt angesichts der wachsenden Kritik in weite Ferne.
Nicht nur der Investorenschutz ist strittig, Bedenken gibt es ebenso beim Verbraucherschutz und den Agrarstandards. Laut einer Untersuchung im Auftrag der deutschen Grünen könnte durch die Anerkennung gegenseitiger Standards EU-Landwirtschaftsregeln augehobelt werden. Die Agrarpolitik sei in Kanada nämlich komplett industriell dominiert, auch Verbraucherschutzinteressen spielten eine geringere Rolle als in der EU.