Wirtschaft

Frauenquote: 600 Aufsichtsrätinnen gesucht

Neun Jahre lange wurde um die Quote gerungen, seit Mittwoch ist sie beschlossen: Ab 2018 müssen alle börsenotierten Unternehmen sowie Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten eine gesetzliche 30-Prozent-Frauenquote in ihren Aufsichtsräten erfüllen. Betroffen sind rund 200 Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen. Sie müssen in den nächsten Jahren frei werdende Mandate mit Frauen nachbesetzen, bis die Quote erfüllt ist. Gelingt das nicht, bleiben die Aufsichtsratsmandate unbesetzt ("Leerer Stuhl"). In der Privatwirtschaft beträgt der Frauenanteil in Aufsichtsräten aktuell rund 18 Prozent.

Ersten Schätzungen zufolge müssen in den nächsten Jahren zwischen 470 und 600 Aufsichtsrätinnen neu bestellt werden. Headhunter verzeichnen bereits reges Interesse an potenziellen Kandidatinnen.

Eigendynamik

Allein die Ankündigung der Frauenquote habe zu einer Eigendynamik geführt, berichtet Gundi Wentner, Partnerin bei Deloitte Österreich. "Wir haben sogar Anfragen von Firmen, die von der Quote gar nicht betroffen sind, sondern quasi proaktiv nach Frauen suchen", bestätigt Josef Fritz, Geschäftsführer von Board Search. Er rechnet allein im kommenden Jahr mit rund 100 Neubestellungen, 2019 dürften es dann noch einmal so viele sein. Die Sorge, dass nicht ausreichend qualifizierte Frauen zu finden sind, teilt er nicht. "Der Bedarf ist locker zu decken, da gibt es überhaupt kein Problem." Die simple Devise "Hans sucht Hänschen" spielt’s halt nicht mehr, sie weiche jetzt einer professionellen Rekrutierung.

Kein Mangel

Allein bei Board Search sind mehrere hundert Frauen aus unterschiedlichsten Bereichen gelistet. In der Aufsichtsrätinnen-Datenbank von "Zukunft.Frauen" (Wirtschaftsministerium, WKÖ, IV) finden sich 530 Kandidatinnen, 18 davon allein für die IT-Branche. Personalberater Fritz rät Unternehmen, nicht immer nur nach Finanz-, Betriebswirtschafts- und juristischen Know-how zu suchen, sondern ihren Horizont zu erweitern. "In ganz vielen Aufsichtsräten mangelt es an Personalkompetenz." Wentner ist überzeugt, dass gemischte Teams wesentlich erfolgreicher sind, da sie die Lage des Unternehmens aus unterschiedlichen Perspektiven bewerten können. "Die heldenhafte einsame Führungskraft trifft nicht mehr das moderne Bild der Firmenführung."

Vorbild Deutschland

Deutschland ist in Sachen Frauenquote einen Schritt weiter. Dort gelten die 30 Prozent für börsenotierte und voll mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten schon seit 2016. Der Frauenanteil stieg innerhalb eines Jahres von 23 auf 28 Prozent. "Die Wirtschaft ist deshalb nicht zusammengebrochen", sagte Frauenstaatssekretärin Elke Ferner kürzlich in Wien. In staatsnahen Betrieben soll ab 2018 die Quote von 30 auf 50 Prozent erhöht werden.

Nur leicht gestiegen ist bisher der Frauenanteil auf Vorstandsebene. In Österreich liegt er in der Privatwirtschaft bei nur sieben Prozent. Die Gewerkschaft fordert daher auch eine Mindestquote im Vorstand, Wirtschaftsvertreter bremsen. Das Aktienforum fordert eine Frauenquote auch für die Spitze gesetzlicher Körperschaften bzw. Interessensvertretungen. Weder die Landtage noch die Arbeiterkammer würden derzeit die 30 Prozent erfüllen.

30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat seien nicht mehr als ein schöner Farbtupfer in einer grauen Umgebung, sagte einmal ein bekannter männlicher Aufsichtsratskaiser. Recht hat er. Für echte Geschlechtergleichheit müsste es eine 50-Prozent-Quote sein.

Eine gesetzliche Quote ist bevormundend, unelegant und sicher kein Allheilmittel für Gleichstellung, aber sie wirkt. Darum, weil Unternehmen plötzlich begründen müssen, warum sie (noch) zu wenige Frauen haben. Andere Firmen schaffen das doch auch. An qualifizierten Bewerberinnen scheitert es schon lange nicht mehr, eher am fehlenden Willen.

Das Beispiel Deutschland zeigt: Die Einführung einer gesetzlichen Quote brachte Bewegung in alle Chefetagen – nicht nur ganz oben. Mehr Aufsichtsrätinnen beeinflussen auch die Bestellung der Vorstandsetage. Und haben sich die Männer erst einmal an mehr Frauen in Führungsfunktionen gewohnt, braucht’s auch keine gesetzliche Quote mehr.

- Anita Staudacher