Faule treiben den Gemüseumsatz an
Von Simone Hoepke
Es sind die bequemen Menschen, die die Umsatzkurven der Obst- und Gemüseabteilungen in die Höhe treiben. Während mit Kopfsalat keine Umsatzsprünge mehr zu erreichen sind, wächst das Geschäft mit vorgeschnittenem Obst und Gemüse. Für Salat, der gewaschen und geschnitten im Supermarktregal liegt, zahlen viele gerne einen Bequemlichkeitsaufschlag. Genauso wie für die fixfertig geschnippelte Röstgemüsemischung oder den "Tropical Mix" im Plastikbecher – Plastikgabel inklusive.
"Der Convenience-Bereich wächst vor allem im urbanen Bereich stark. Wir haben seit Jahren zweistellige Wachstumsraten und sehen auch kein Ende dieser Entwicklung", sagt Alfred Probst. Er ist im Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Adeg, Penny) für den Gemüse- und Obsteinkauf zuständig. Auch Erzrivale Spar setzt auf dieselbe Schiene, etwa auf fertige Salatschüsseln, Ananasscheiben und geschnittenes Obst. "Davon verkaufen wir doppelt so viel wie noch vor einem Jahr", sagt Nicole Berkmann, Sprecherin der Spar-Gruppe. Das starke Wachstum hängt freilich auch mit der Ausweitung der Regalmeter für sogenannte Convenience-Artikel zusammen.
Bequeme Briten
Im internationalen Vergleich ist das Angebot in Österreich noch relativ überschaubar, als Vorreiter gelten Großbritannien und die Niederlande, wo essfertige Salate und Gemüsemischungen ganze Regalreihen füllen. "Bei uns scheitert ein so großes Angebot an der Industrie. Die Unternehmen machen zu wenig Angebote in diese Richtung", findet Rewe-Manager Probst. In Merkur-Märkten und größeren Billa-Filialen müssten die Mitarbeiter deshalb noch alles selbst schneiden. Spar-Sprecherin Berkmann stimmt ihm in diesem Punkt zu. "Allerdings haben wir in Österreich auch einen relativ hohen Anteil an Tiefkühlgemüse", schränkt sie ein.
Eine der Firmen, die sich auf Convenience-Produkte spezialisiert hat, ist der Wiener Produktions- und Verarbeitungsbetrieb Wiegert. Seine Maschinen zur Obst- und Gemüseverarbeitung haben einen Wert von rund 4 Millionen Euro. Salatblätter laufen durch die Waschanlage, schlängeln sich über Förderbänder zu Geräten, die mittels Laser braune Blätter aussortieren. Eine andere Fertigungsanlage saugt mit Vakuum den Strunk und die Kerne aus Paprika und schneidet diese in schmale Scheiben – eine Kiste in drei Sekunden. Wiegert verarbeitet täglich 30 Tonnen Obst und Gemüse, darunter drei Tonnen Tomaten. Diese landen in den Weckerln der Bäckereiketten und Supermärkte und in Salaten der Gasthäuser.
Kalkulierbare Tomate
Nicht jede Tomate eignet sich fürs Weckerl, erklärt Firmenchef Andreas Wiegert. Die Sorte braucht eine höhere Fruchtfleischdichte, sonst zerrinnt die Tomate und damit das Geschäft. Fast-Food-Ketten und Jausen-Verkäufer brauchen kalkulierbare Ware. Sprich: Sie wollen aus einer Tomate immer gleich viele Scheiben schneiden – in der Regel sieben. Wiegerts Maschinen zerschneiden die Tomaten vollautomatisch in einem Reinraum. Nur das Wiegen übernehmen noch Mitarbeiterinnen in blauen Mänteln und Hauben, die an die Kleidung in OP-Räumen erinnern.
Die Obst- und Gemüse-Produktion ist zur Hightech-Produktion geworden. In eine Tomate werden bis zu acht Eigenschaften gekreuzt – es geht um Haltbarkeitsdauer, Lagerfähigkeit, Resistenz gegen Mehltau oder auch darum, dass eine Tomate exakt ausschauen soll wie die andere, erklärt Fred Scheuer von Volmary, ein deutsches Unternehmen, das Saatgut und Jungpflanzen vertreibt. Scheuer: "Bei Industrietomaten ist dann der Geschmack auf der Strecke geblieben."
Neue Idealmaße
Die Idealmaße von Obst und Gemüse spiegeln übrigens auch gesellschaftliche Entwicklungen wider. Weil die Haushaltsgrößen kleiner werden – Stichwort Singlehaushalte –, schrumpfen auch die Krautköpfe zusammen. "Sie sind heute halb so schwer wie noch vor etwa zehn Jahren", sagt Scheuer. Und größere Krautköpfe? "Sie werden an die Industrie geliefert." Dort landet viel Ware, die dem Handel – letztlich den Konsumenten – nicht schön genug ist. Kürbisse, die den Beautycontest nicht bestehen, kommen dann oft als Babybrei in die Läden, Tomaten als Sugo. Auch bei Salat gibt es Moden. "Kopfsalat wurde kaputt gezüchtet, die äußeren Blätter sind heute ledrig und geschmacklos", findet ein Marktbeobachter. Das sei mit ein Grund, warum er nicht mehr so gefragt ist. "Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zu den Erträgen",sieht es Scheuer aus der Produzentenperspektive. Wachstumschancen sehen alle bei abgepackten Salatmischungen. Hier mischen italienische Firmen am heimischen Markt mit.