FACC will mit Flugtaxis abheben
KURIER: Sie erwarten im Flugzeugbau einen Technologiesprung, von dem FACC profitieren soll. Wie wird das aussehen?
Robert Machtlinger: Einen Technologieschub haben wir gerade abgewickelt. Der Airbus 350 und die Boeing 787 waren Game-Changer, aus zwei Gründen: Sie haben neue Triebwerke, die um 25 Prozent effizienter sind, und einen Leichtbauanteil von 50 Prozent. Bei den Vorgängern lag der Compositeanteil bei 20 bis 23 Prozent. Diese Generation von Flugzeugen ist auch um 60 Prozent leiser, das war ein riesiger Schritt. Das waren die Entwicklungsjahre 2004 bis 2010. Der nächste Quantensprung wird für 2022 bis 2025 erwartet. Die beiden großen Hersteller werden bis dahin eine neue Generation an Kurzstreckenflugzeugen auf den Markt bringen.
Was werden Sie können, was Ihre Vorgänger nicht können?
Der Technologiesprung wird im Leichtbau kommen. Man wird Prozesse effizienter gestalten müssen, um den steigenden Bedarf an Flugzeugen noch effizienter, sprich höher automatisiert, fertigen zu können. Die Ausbringung pro Monat wird steigen, weil die Nachfrage höher sein wird. Vor zehn Jahren haben die beiden großen Hersteller Boeing und Airbus circa 1000 Flugzeuge pro Jahr gebaut, vergangenes Jahr waren es 1600. Die Reise geht Richtung 2200 Flugzeuge pro Jahr, das wird in den nächsten fünf bis sieben Jahren passieren. Die jährlichen Steigerungen liegen bei fünf Prozent.
Wie reagieren Sie darauf?
Wir forschen an neuen Leichtbautechniken, Materialien und Prozessen. Derzeit haben Flugzeugkomponenten relativ starre Strukturen. Wir forschen an morphischen Oberflächen, die sich laufend dem Flugumfeld anpassen. Beim Flug gibt es drei Phasen: den Start, den Flug und die Landung. Winglets (nach oben oder unten verlängerte Enden der Tragflächen, Anm.) waren bisher nur auf die Phase des Flugs ausgelegt. In Zukunft könnte deren aerodynamischen Profil veränderbar sein.
Was bringt das?
Ein typisches Winglet spart bei einer Boeing 737 zwischen vier und fünf Prozent Treibstoff ein. Wir haben auf diesem Typ hochgerechnet über die letzten 15 Jahre 30 Milliarden Liter Treibstoff gespart. Wir forschen auch an verschiedenen Oberflächen, die sich an die Druck- und Sogbewegung des Tragflügels anpassen. Zum Beispiel durch eine sich verändernde Bauteilendkante. Wir wollen dadurch die Spalte zwischen zwei Bauteilen aerodynamisch perfektionieren, zum Beispiel die Luftbremse beim Flügel. Eine andere Richtung, in die wir gehen, sind bionische Strukturen, wie man sie in der Natur findet, zum Beispiel ein Blatt, das eine hohe Steifigkeit durch eine Art Skelett hat. Dadurch lässt sich das Gewicht reduzieren, der Flieger kann mehr zuladen. Das wird man in Zukunft bei Großfliegern brauchen.
Was werden die weiteren Umsatztreiber der Zukunft sein?
Kleinmobilität, wie Lufttaxis. Die dürfen nicht viel kosten, müssen leicht sein, um in großen Städten flexibel Menschen zu transportieren. Hier werden sich E-Motoren und E-Speicher durchsetzen, weil Flugtaxis 15 bis 20 Minuten unterwegs sein werden und dann stehen und sich aufladen können.
Sie meinen, solche Lufttaxis kommen wirklich?
Nächstes Jahr startet in Dubai ein Projekt. Da wird man einen Großversuch starten. Mit der Materie beschäftigen sich nicht nur Start-ups, sondern auch Airbus und Boeing, weil sie einen Markt sehen. In großen Städten wie New York, London, Paris, Peking oder Schanghai kommt man nicht mehr kalkulierbar von A nach B. Die Infrastruktur lässt nicht mehr viel Ausdehnung zu. Flugtaxis sind erschwinglicher als Helikopter, ich glaube dieses Flugmittel wird sich etablieren. Moderne Flugzeuge können heute schon autonom fliegen und landen, also warum nicht auch Flugtaxis?
FACC hat die Parole ausgegeben, sich stärker in Richtung globaler Konzern entwickeln zu wollen. Wie soll das ablaufen?
Das Marktwachstum ist da, die Verdoppelung alle 15 Jahre hat sich bestätigt und das wird so bleiben. Wachstumsmärkte sind vor allem China, Indien und der Mittlere Osten, weniger Europa und die USA. Der Umsatz von FACC wird in den kommenden drei Jahren organisch um 150 bis 200 Millionen Euro wachsen, dann sind wir bei circa 900 Millionen Euro. Bis 2020 wollen wir eine Milliarde Euro umsetzen, aber das ist nur ein Etappenziel. Bis 2025 ist ein Umsatz von 1,5 Milliarden Euro angestrebt. Bis 2020 werden wir 100 Millionen Euro in den Werksausbau und neue Technologien investieren.
Was ist die größte Herausforderung bei diesem Wachstum?
Der Kapazitätsaufbau und der Mitarbeiteraufbau. Wir müssen 700 Mitarbeiter bis 2020 in allen Bereichen an Bord bringen, im Engineering, im Einkauf, im Supply Chain Management und in der Fertigung. International tun wir uns da relativ leicht, wir haben neben Leuten aus Österreich Mitarbeiter aus den USA, Kanada, England, Frankreich, Spanien. Wir haben Technikpersonal aus 38 Nationen, die nach Österreich kommen. Wir haben ein gutes internationales Recruiting. Über 800 Mitarbeiter pendeln aus Bayern herein. Vor Ort spüren wir aber den Fachkräftemangel. Seit 2009 haben wir mehr als 2000 Arbeitsplätze geschaffen und 450 Millionen Euro an den Standorten in Oberösterreich investiert. Wir haben nachhaltige und hochtechnologische Produkte und über 300 Patente angemeldet.
Auch der Auftritt soll an die Firmengröße angepasst werden, was wird hier kommen?
Am Namen ändert sich nichts. Es wird gewisse Anpassungen geben, wir wollen uns moderner und technologischer präsentieren und nach außen öffnen, auch um unsere Investorenlandschaft zu erweitern. Wir wollen eine stärkere Medienpräsenz, um das, was wir können, mehr zu transportieren. Wir zählen zu den 15 wichtigsten Zulieferern der großen Flugzeug- und Triebwerkshersteller und haben damit einen hohen Stellenwert. Wir sind ein österreichisches Technologieunternehmen, das sich in einem globalen Markt etabliert hat.
Wie weit wird Österreich von dem Wachstum profitieren?
Das Wachstum wird vor allem in Österreich stattfinden, aber auch an globalen Produktionsstandorten, wie Wichita oder Montreal. Auch in China, Indien und Abu Dhabi wird im Auftrag von FACC gefertigt. Ein ganz neues Geschäft wird das Servicegeschäft. Dieser Markt ist jährlich 65 Milliarden Dollar schwer. 60 Prozent davon stammen von den Triebwerken und Ersatzteilen, das bieten immer die Hersteller an. 40 Prozent sind Reparaturen, und hier steigen wir vermehrt ein.
Wie stark soll sich das auf den Umsatz auswirken?
Der Leichtbauanteil moderner Flugzeuge wird steigen. Und genau in diesem Bereich sind wir mit unserem Know-how stark und wollen durch das Composite-Reparaturgeschäft den Umsatz bis zum Geschäftsjahr 2020/’21 auf 70 Millionen Euro bringen. Derzeit liegen wir in einem hohen einstelligen Millionen-Bereich.
Wie ist die Lage der Branche insgesamt?
Es gibt eine hohe Dynamik in der Industrie und stabilere Fertigungsraten, unsere Investitionen werden konstant Umsatz machen. Es wird weiterhin eine hohe Nachfrage nach innovativen Produkten geben, zum Beispiel im Retrofitgeschäft. Da werden völlig neue Kabinen in bestehende Flugzeuge eingebaut. Das Flugzeug schaut dann für den Passagier aus wie neu, hat mehr Komfort und Stauraum für Koffer. Hier gibt es großes Interesse.
Und es ist viel günstiger, als ein neues Flugzeug zu kaufen.
Heute kriegen Sie kein neues Flugzeug, da müssen Sie je nach Type bis zu fünf Jahre warten. Flugzeuge sind 25 Jahre in Betrieb, früher wurden sie ohne Interior-Upgrade ein ganzes Flugzeugleben betrieben. Heute geht der Trend dahin, dass eine Innenausstattung zwei bis drei Mal ausgetauscht wird.
Zur Person: Robert Machtlinger
Der begeisterte Pilot folgte 2016 dem Gründer und CEO Walter Stephan als Vorstandschef des oberösterreichischen Flugzeugzulieferers FACC nach. Stephan musste den Hut nehmen, weil FACC Opfer eines Online-Trickbetrugs geworden war. 2017/’18 soll der Umsatz des Unternehmens bei 740 bis 750 Millionen Euro liegen, 2025 bei 1,5 Milliarden Euro.