EZB: Kommt nach Nullzins nun das "Helikoptergeld"?
Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht im Kampf gegen die niedrige Inflation auch nach der beispiellosen Zinssenkung von vorletzter Woche noch Möglichkeiten. Die EZB hatte am 10. März unter anderem den Leitzins im Euroraum auf null Prozent gesenkt, ihre Wertpapierkäufe abermals ausgeweitet und den Kauf von Firmenanleihen sowie neue Langfristkredite angekündigt. Doch der Notenbank würden nicht die Mittel ausgingen, sagte EZB-Direktor Benoit Coeure am Montag in Paris.
Geschenktes Geld
In der Debatte steht neuerdings das "Helikoptergeld". Der Kerngedanke: Statt Geld über den Ankauf von Wertpapieren in den Markt zu pumpen, wird Zentralbankgeld quasi verschenkt. Empfänger könnten dabei beispielsweise die Bürger sein oder aber der Staat. Die Befürworter sehen darin den Vorteil, dass das Geld über Konsumausgaben direkt in den Wirtschaftskreislauf gelangen würde. Der normale Bankensektor wird dabei umgangen.
EZB-Chef Mario Draghi nannte dies zwar ein "sehr interessantes Konzept". Im Rat der Notenbank habe man solche Ideen allerdings bisher nicht genauer erörtert. Das "helicopter money" tauchte zuletzt vor allem in ökonomischen Fachdebatten auf, insbesondere im angelsächsischen Raum.
Deutsche Skepsis
In Deutschland stößt das Konzept auf harsche Kritik. Bundesbankpräsident Jens Weidmann lehnt Geldgeschenke zum Ankurbeln der Konjunktur strikt ab. "Statt immer waghalsigere geldpolitische Experimente ins Spiel zu bringen, wäre es sinnvoll, einmal innezuhalten", sagte Weidmann am Wochenende. "Geldpolitik ist kein Allheilmittel, ersetzt nicht notwendige Reformen in einzelnen Ländern und löst auch nicht die Wachstumsprobleme Europas." Und: "Je stärker man Gas gibt, desto größer werden Risiken und Nebenwirkungen."
Doch offenbar hält man bei der EZB auch den äußersten Schritt für denkmöglich. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte sich zuletzt zumindest nicht ablehnend gegenüber dem "Helikoptergeld" geäußert. Theoretisch könnten alle Notenbanken dieses "extreme Instrument" einsetzen, sagte Praet gegenüber der italienischen Zeitung La Repubblica. Es stelle sich nur die Frage, ob und wann der Einsatz tatsächlich Sinn mache.
Was versteht man unter "Helikoptergeld"?
Die Idee ist denkbar einfach: Man muss nur im großen Stil Geld unter der Bevölkerung verteilen, schon kommt die Wirtschaft durch den Geldregen in Schwung und die Inflation zieht an. Was zunächst wie ein Scherz klingt, wird aktuell in Finanzkreisen ernsthaft diskutiert.
Hat es so etwas schon mal von einer Notenbank gegeben?
Nein, das reine Verschenken von Geld wurde von führenden Notenbanken noch nicht in die Tat umgesetzt. Während der Finanzkrise 2008 verteilte die US-Regierung zwar Steuergutschriften an Privathaushalte. Allerdings gibt es einen Unterschied zum "Helikoptergeld": Die US-Notenbank verschenkte in der Krise kein Geld, sondern sicherte ihre Geldschwemme über den Kauf von Wertpapieren ab. Ähnlich geht zurzeit die EZB vor. Werden einmal gekaufte Wertpapiere wieder verkauft oder fällig, fließt das Geld zurück zur Notenbank. Dies wäre bei "Helikoptergeld" nicht der Fall.
Wie wäre das in der Praxis umsetzbar?
So einfach das Konzept in der Theorie wirkt, so schwierig wäre die Umsetzung. Zunächst einmal hat die EZB nicht die Kontonummern der etwa 337 Millionen Bürgern der Eurozone, um das Geld zu überweisen. Allein an der Zahl der Konten zeigt sich die bürokratische Herkules-Aufgabe, die mit einer solchen Maßnahme verbunden wäre. Schwierig wird es auch aus bilanztechnischen Gründen. Bisher gilt das Prinzip: Frisches EZB-Geld gibt es nur gegen Sicherheiten als Gegenleistung. Wenn die EZB das Geld aber einfach verschenken würde, dann stellt sich die Frage: Wie soll das verbucht werden? Nach Einschätzung von Commerzbank-Experte Michael Schubert wäre das Auszahlen von "Helikoptergeld" unter dem Strich nur indirekt über die Euroländer denkbar. "De facto würde die EZB den Euroländern also eine Art Kredit gewähren", erklärt Schubert.