"Europa verliert massiv an wirtschaftlicher Bedeutung"
Wenn Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria, an die jüngsten Übernahmen von europäischen Technologieunternehmen durch chinesische Mitbewerber denkt, läuten bei ihr die Alarmglocken. "Europa verliert massiv an wirtschaftlicher Bedeutung", sagt die Chefin des Halbleiterherstellers. Die EU habe sechs Schüsseltechnologien definiert, die wichtig sind, um im künftigen globalen Wettbewerb mitzuhalten, die Konsolidierung gehe in diesen Bereichen aber ungebremst weiter.
Beispiele, wie die Übernahme des deutschen Roboterbauers Kuka durch einen chinesischen Elektrogerätehersteller zeigten deutlich: Europa brauche einen Übernahmeschutz, zumindest wenn es um Unternehmen gehe, die systemrelevante Technologien herstellen. Wer wichtige Kompetenzen verliere, habe in Zukunft nicht die Möglichkeit, Trends mitzugestalten.Österreichs Vorsitz im EU-Rat im zweiten Halbjahr 2018 wäre eine Chance, gegenzusteuern.
Zu den Schlüsseltechnologien zählt neben Biotechnologie und Photonik unter anderem auch Nanoelektronik. Und genau in diesem Bereich ist Infineon mit seinen Halbleitern, die grundlegend für die Digitalisierung sind, unterwegs. Jene kleinen Chips, die den durchschnittlichen Europäer täglich begleiten – sei es im Auto, im Smartphone, beim Bezahlen im Supermarkt oder in vielen anderen Produkten –, werden in Zukunft noch bedeutender sein.
Starkes Wachstum
Welch wirtschaftliches Potenzial dahinter steht, stellt Infineon eindrucksvoll unter Beweis. Das vor kurzem abgelaufene Geschäftsjahr 2016/17 brachte der Österreich-Tochter des deutschen Technologiekonzerns einen Rekordumsatz von mehr als 2,5 Milliarden Euro – ein Wachstum von 38 Prozent. Der Vorsteuergewinn stieg um elf Prozent auf 176,5 Millionen Euro.
"Wir haben den Umsatz in den vergangenen fünf Jahren und die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in den vergangenen sieben Jahren verdoppelt", sagt Herlitschka. Derzeit schafft sie die Voraussetzungen für noch mehr Wachstum. In Villach werden 40 Millionen Euro in den Ausbau des Standortes investiert. Mittelfristig sollen in Österreich 860 Arbeitsplätze entstehen – derzeit hat Infineon Austria 3785 Mitarbeiter. Fachkräfte zu finden, wird eine Herausforderung, schon jetzt versucht Infineon vergeblich, zahlreiche Stellen zu besetzen. Ein Appell an die neue Regierung: Die Grenzen für Fachkräfte offen lassen.
Die Zeit drängt, denn Europa verliert laufend an Boden. Erst gestern vermeldete der deutsch-britische Chipentwickler Dialog Semiconductor, dass ein chinesischer Investor zum Hauptaktionär aufgestiegen ist.