Wirtschaft

Europa braucht erst 2025 neue Strom-Autobahnen

Enorm viel Windenergie in Norddeutschland, Abschaltung von Atomkraftwerken im Süden des Landes, aber nur schwache Leitungsverbindungen von Nord nach Süd. Die Elektrizitätswirtschaft warnt daher seit Jahren, dass ohne große Strom-Autobahn die Gefahr von Blackouts wächst.

Neue High-Tech-Steuerung der Leitungen kann allerdings diese Gefahr deutlich mildern. „Dynamic Line Rating“ nennt sich die technische Innovation, mit der laut einer Studie der Technischen Universität Wien das bestehende europäische Stromnetz in den nächsten Jahren noch deutlich besser genutzt werden könne. Erst 2025 werde diese „dynamische Netzverwendung“ nicht mehr ausreichen, um die Leitungen vor dem Glühen und in Folge einem Blackout zu schützen. „Ab 2025 brauchen wir in Europa jedenfalls einen Ausbau der Stromleitungen“, sagt Bettina Burgholzer vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien.

Wind und Wetter

Um Überhitzen der Leitungen zu verhindern, können neue Steuerungen Temperatur und Wetter exakt einschätzen. Im Winter lasse sich etwa deutlich mehr Strom durch eine Leitung schicken als an heißen Sommertagen. Auch die Windstärke habe einen Einfluss auf die Kapazität. „Bei einer frischen kühlenden Brise kann man der Stromleitung einige Prozent mehr Leistung zumuten als sonst“, erklärt Burgholzer. Damit könne die Leistung im Netz besser genützt, der Ausbau aufgeschoben werden, erläutert TU-Sprecher Florian Aigner.

Walter Boltz, Vorstand der Energiemarktaufsicht E-Control, sieht diese Fortschritte wohl, glaubt aber nicht an die Möglichkeit einer allzu langen Verschiebung eines Leitungsbaus. „Zehn bis 15 Jahre können wir die Stromversorgung ohne Leitungsbau nicht sicher erhalten“, sagt er. Denn vieles der Hightech sei schon in Verwendung. So hätten große Netzbetreiber nach den Blackouts der Jahre 2005 und 2008 auf Hochtemperaturseile umgestellt. Diese könnten mehr Strom transportieren, weil sie statt bei 80 bis 90 Grad erst bei 180 Grad zu glühen begännen.

„Das europäische Stromnetz ist stabiler als vor zehn Jahren. Mit dem weiteren Ausbau von Wind und Sonne werden wir trotzdem bald neue Leitungen brauchen“, betont Boltz. Denn schon jetzt müssten aus Mangel an Leitungskapazität Windräder etliche Stunden im Jahr abgeschaltet werden, um Netz-Überlastungen zu vermeiden.