Etablierte Moderiesen unter Druck
Von Simone Hoepke
Den Aktionären von H&M ist der Geduldsfaden gerissen. Am Freitag schickten sie den Aktienkurs des schwedischen Modehauses auf Talfahrt. Das Minus betrug zwischenzeitlich 16 Prozent und erreichte mit umgerechnet 16,9 Euro ein Neun-Jahres-Tief.
H&M, nach der spanischen Inditex-Gruppe der zweitgrößte Modehändler der Welt, hat zuletzt deutlich weniger verkauft als erwartet. Zwischen September und November hat der Konzern einen Umsatzrückgang von vier Prozent auf umgerechnet gut fünf Milliarden Euro eingeräumt.
Jetzt zieht das Management die Reißleine und steigt auf die Expansionsbremse. Pläne für zusätzliche Standorte werden verworfen, bestehende Filialen auf die Prüf- und wohl auch Schließungsliste gesetzt. Ausgebaut wird dagegen das Online-Geschäft. Ab nächsten Frühjahr will H&M seine Kleider auch auf der Mode-Plattform Tmall verkaufen, die zum chinesischen Internetriesen Alibaba gehört.
Mit ihren Vertriebsproblemen stehen die Schweden nicht alleine da. Die Konkurrenz bei Esprit hat einen Sparkurs und eine Schließungswelle hinter sich. Die deutsche Modekette Tom Tailor hat radikal abgespeckt. Hugo Boss hat sich neu aufstellen müssen und Gerry Weber hat in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres einen Verlust gebaut.
Die Branche ist im Umbruch – und das weltweit. Die Onlinekonkurrenz wächst. Allen voran will der US-Online-Riese Amazon zu einem der ganz Großen im globalen Modezirkus werden. In den USA setzt der ehemalige Buchhändler mit Bekleidung schon mehr um als die traditionelle Warenhauskette Macy’s mit 800 Standorten.
Auch in Österreich geht ein Ruck durch die Branche. Die KMU-Forschung-Austria hat erhoben, dass binnen fünf Jahren rund 300 Standorte von der Bildfläche verschwunden sind – viele davon waren im Besitz von Einzelkämpfern. Die Hälfte des Branchenumsatzes von zuletzt 5,2 Milliarden Euro gehen hierzulande auf die Konten von nur 25 Händlern. Die Konzentration steigt.
Schnelle Mode
Der größte Modehändler der Welt, die spanische Inditex-Gruppe, ist mit ihren Marken Zara, Bershka, Oysho und Massimo Dutti derzeit besser unterwegs als die Konkurrenz. Ihr Vorteil ist die Produktion in Europa, die schnell auf Trends und Wetterlagen reagieren kann. Dazu kommt ein ausgeklügeltes Logistiksystem, dass Ware binnen Stunden zwischen Oslo und Madrid verschieben kann. Das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor in einer Branche, die von Kollektion zu Kollektion hetzt. "Mode ist wie Joghurt. Es hat ein Verfallsdatum", lautet einer der Sprüche, von Amancio Ortega, der Inditex 1995 gegründet und zu einer Kette mit 7500 Standorten ausgebaut hat. Künftig will seine Gruppe vor allem im Webgeschäft wachsen. So wie so gut wie alle Modemarken.
Es ist ja nicht so, dass es zu wenig Auswahl an Jeans, Jacken und Jogginghosen gibt. Im Gegenteil. „Viele sind von den 100.000 Optionen in den Einkaufsstraßen und Webshops wie erschlagen“, sagt Julia Bösch. Sie hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht.
Outfittery heißt das Start-up aus Berlin, das Männern zu einem modischen Auftritt verhelfen soll. Das Konzept klingt einfach: Auf einer Webseite ein paar Eckdaten zum Kleidungsstil, präferierten Marken und Farben angeben und ein Packet mit passenden Outfits zugeschickt bekommen. Wer will, kann auch mit einer Stilberaterin telefonieren – was immerhin jeder zweite Kunde von Outfittery macht, sagt Bösch.
Die Geschäftsidee hat zumindest einmal Investoren überzeugt. 50 Mio. Euro hat Bösch gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin für das 2012 gegründete Start-up eingesammelt. Holtzbrinck Ventures oder Northzone sind unter den Geldgebern.
Mit Big Data zum Anzug
Die Investoren glauben an das skalierbare Geschäftsmodell, hinter dem jede Menge gesammelte Daten und Algorithmen stehen, die die Wahrscheinlichkeiten hochrechnen, ob ein Outfit gefällt. Der Kunde soll das aber weniger mitbekommen. Als Ass im Ärmel sieht Bösch das Thema „Personalisierung“. Also ihre Stilberater. Mehr als hundert beschäftigt Outfittery in Berlin, Düsseldorf und Zürich.
Dass es einen Markt für kuratiertes Shopping gibt, glaubt auch Zalando. Der Berliner Distanzhändler, bei dem Bösch vor der Gründung von Outfittery gearbeitet hat, bietet neuerdings auch Stilberatung an. Die größte Konkurrenz sitzt aber nach wie vor in den Einkaufsstraßen und Shoppingcentern. Bösch: „Sie machen immer noch 90 Prozent des Umsatzes mit Herrenmode, auch wenn wir das in unserer Internetblase gerne vergessen.“
Wie viele Männer sich das Outfittery-Service leisten, verrät Bösch nicht. Auch nicht, wie viel Outfittery umsetzt. Nur so viel: 500.000 Bestellungen sind schon eingegangen. Und Männer ticken offenbar anders als Frauen, wenn es ums Einkaufen geht. „Sie kaufen den Wintermantel nicht, wenn die neue Kollektion kommt, sondern wenn der Winter kommt.“