Essens-Trends: Vom kalten Kaffee bis zum Glas Weißwein
Von Simone Hoepke
Weniger ist mehr, lautet das Motto auf der Lebensmittelmesse "Fancy Food" in New York: Die mehr als 1300 Aussteller aus 46 Ländern drängen auffällig oft mit der Ansage in den Markt, dass ihre Produkte "free from" sind: Also mit null Gluten, zero Zucker, frei von Laktose, Zusatzstoffen und Gentechnik – und natürlich mit so gut wie keinem Fett. Dafür alles Bio und vegan, mit viel Protein und natürlich sehr gesund. Dank Superfood wie Quinoa und anderen Wundersamen, die sich sogar den Weg in Snack-Packungen bahnen, die bisher fettigen und salzigen Chips vorbehalten waren.
Dazu trinkt man jetzt offenbar angereichertes Wasser, das jung hält. Zwischen 2014 und 2016 sind die US-Umsätze in diesem Segment um 75 Prozent in die Höhe geschnellt. Gesundheitsbewusste nippen zudem an Getränken, in denen Kohl, Spinat und diverse Superfood-Samen schwimmen. Oder sie greifen zu Honigwasser, das mit Antioxidantien, etwa Vitamin A, C oder E, angereichert ist und natürlich ohne Zucker auskommt.
Kalter Kaffee als Trend
Kaffee trinken Trendsetter neuerdings kalt gebrüht ("cold brew") und falls doch als heiß, gern per Handaufguss aufgebrüht, der zwischenzeitlich in Omas Küche verbannt war. Das Geschäft mit fixfertigem Kaffee oder Tee boomt in den USA. Binnen Jahresfrist haben sich die Umsätze mehr als verdoppelt, zeigen Branchenzahlen. Das interessiert auch europäische Hersteller. Denn solche Trends schwappen meist mit zwei, drei Jahren Verspätung über Skandinavien nach Europa.
Jack Daniel’s ist jedenfalls schon auf den fahrenden Trend-Zug aufgesprungen. Vor sechs Monaten ist der Whiskey-Macher ins Kaffee-Business eingestiegen. "Warum nicht? Kaffee ist populär, Whiskey auch. Also haben wir die beiden kombiniert", so eine Mitarbeiterin.
Sie ist allerdings eine unter Dutzenden Kaffee-Vermarktern auf der Messe. "Allein in Italien haben wir mehr als 800 Marken, aber die größten drei – Kimbo, Lavazza und Illy – decken 80 Prozent vom Markt ab", erläutert Giovanna Bonomi, die das Label Caffé Ottobono ihr Eigen nennt.
Ihre Landsleute sind die Platzhirschen auf der Messe. Pasta gibt es in allen Variationen – auch mit Quinoa, Buchweizen und Grünem Tee und natürlich glutenfrei. Es wird Kaffee gebrüht, auf Bildschirmen laufen Videos von idyllischen Olivenhainen, es gibt Pannetone mit inkludierter Schoko-Krippe als Inspiration für die nächsten Weihnachten. Ein Koch mit schief sitzender Kochhaube verteilt grün-weiß-gestreifte Tortelloni. Unterm Strich ist ein gutes Viertel der Platzes bei der Fancy Food von italienischen Ausstellern besetzt. Auf den Rängen folgen Spanien und Frankreich.
Gefragt ist auch alles, was sich handgemacht nennt und wirkt, als würde es aus einer kleinen Manufaktur kommen. Ein Trend, von dem auch Craft Beer profitiert. "Allerdings sind Craft-Beer-Brauereien in den USA oft drei, vier Mal so groß wie Österreichs größte Privatbrauer", merkt Manfred Vogl, Exportleiter der Egger Getränke GmbH, an. Egger Bier würde in den USA also wohl als Craft Beer durchgehen – ist derzeit aber noch gar nicht in den US-Markt geflossen. In Gegensatz zu Stiegl, das unter anderem in der Grapefruit-Radler-Version in einigen New Yorker Läden zu finden ist.
Alm-Abtrieb gegen Bananen-Käse
Doris Hellmer schenkt schulterzuckend ein Glas Weißwein ein. „Ich hab jetzt nur drei Sorten zum Verkosten, die anderen fünf hängen noch im Zoll.“
Die Jungwinzerin aus Wagram ist nach dem Motto „no risk, no fun“ zur Fancy Food nach New York gekommen. Ein paar Privatkunden hat sie schon in den USA, aber das Zuschicken der Flaschen funktioniert nicht mehr so reibungslos wie früher. „Die Zollbestimmungen sind strenger geworden, wir müssen das Geschäft auf professionellere Beine stellen.“ Hellmer will auf der Fancy Food in New York Kontakte zu Importeuren und Händlern knüpfen.
Sie ist eine von zehn Ausstellern am Gemeinschaftsstand Aussenwirtschaft Austria, bei der auch die Agrarmarketing Austria (AMA) vertreten ist. Nebenan ist Sanela Mandzuka damit beschäftigt, die Wand mit ihrem Firmenlogo vollzukleben, während ihre Schwester Popcorn in kleine Schachteln abfüllt. Die Amerikaner sollen Popcorn aus Österreich essen, so die Idee der beiden, die es mit ihrer Produktion schon in Filialen von Billa und Merkur geschafft haben. Zu den Bestsellern gehört neben Apfelstrudel-Popcorn eine Mischung aus Erdbeer- und Weiße-Schokolade-Popcorn mit gefriergetrockneten Bananen. „Diese Mischung hat mein Sohn mit viereinhalb Jahren erfunden“, erklärt Sanela. Es sind Geschichten wie diese, die Amerikaner hören wollen. Ohne Storytelling und coole Verpackung geht in den USA gar nichts, sind sich alle Produzenten einig.
So erzählt Christof Abbrederis von der Firma Rupp von der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Österreich und zeigt Fotos von geschmückten Kühen bei Almabtrieben her. Die Konkurrenten von Berglandmilch setzen lieber auf Mozart. Sie sind mit ihrem Amadeus-Käse angereist, der extra für den Export produziert wird.
Bananen-Käse Auch den in Leinen verpackten Moosbacher haben sie im Gepäck. „Amerikaner sind visuelle Menschen, auf diesem Markt braucht man solche Verpackungen“, ist der österreichische Käse-Sommelier Thomas Gasteiner überzeugt. „Suspekt“, sei den Amerikanern dagegen Rohmilchkäse, „weil sie alles pasteurisieren“. Gegen bunten Käse, etwa blau oder grün, haben sie aber nichts, im Gegenteil. „Ich war einmal auf einer Messe in Wisconsin, da waren die präsentierten Käse so bunt, dass ich gedacht habe, es sind Zuckerln.“ In New York präsentieren US-Produzenten unter anderem Käse mit Honig, mit Kokos oder gar in der Geschmacksrichtung Kokos-Banane.