Wirtschaft

Erwin Wurm: "Staat zwingt zur Kleinheit"

Der international angesehene Künstler Erwin Wurm lässt politische Themen nicht in seine Werke einfließen. Privat ist er aber ein kritischer Beobachter des Wirtschafts- und Politgeschehens, der sich auch kein Blatt vor den Mund nimmt.

KURIER: Spüren Sie als Künstler, der unter den 100 berühmtesten der Welt gerankt wird, eigentlich die Wirtschaftskrise?

Erwin Wurm: Nicht finanziell, aber als emotionale Belastung. Sie lastet ja in Medien und Gesprächen wie eine gewaltige Drohung auf uns.

Sie haben einmal gesagt, dass sich Herrscher und Politiker schon immer viel zu wichtig genommen haben. Es sei zum Lachen oder Weinen. Wonach ist Ihnen denn, wenn Sie die Europa-Politik verfolgen?

Es ist ein Drama, wie eine großartige Idee von nationalen Interessen und Lobbyingkräften völlig verhunzt wird. Wir werden von Leuten regiert, die überhaupt nicht wissen, wohin es gehen soll und sich untereinander nicht einig werden. Die Lobbyisten beeinflussen die Politik bis zum Exzess – egal ob beim Militär, im Gesundheits oder Nahrungsmittelmittelbereich – und sie lachen über uns Konsumenten.

Politikverdrossen?

Manchmal denk ich, wir stoßen an die Grenzen der Demokratie, nur fällt mir auch nichts Besseres ein. Nehmen Sie nur die Gewerkschaft. Dinosaurier wie ein Herr Neugebauer, die sich weigern, im Sinne des Fortschritts zu agieren, gehören weg. Dass sich die Lehrergewerkschaft nicht bewegt, halte ich auch für eine Sauerei. Die Arbeiterkammer ist ja auch nichts anderes als ein Lobbyingverein mit einem Präsidenten, der offensichtlich der letzte Kommunist in diesem Land ist. Eigentlich müsste man ihn im Museum ausstellen. Es ist eine Katastrophe, wenn ich seh, von wem wir Bürger vertreten werden.

Fühlen Sie sich als Europäer oder Österreicher?

Allein können wir gar nichts ausrichten. Ich bin für die Vereinigten Staaten von Europa, alles andere ist lächerlich kleingeistig. Dafür braucht es aber Spielregeln, die nicht ständig abgewandelt oder nicht eingehalten werden. Und Spitzenpolitiker in Brüssel statt ausrangierten nationalen Parteibonzen. Ich finde es ja großartig, dass man den ehemaligen Innenminister Strasser in der Lobbying-Affäre überführt hat.

Schockieren Sie Korruptionsskandale wie bei der Telekom oder BUWOG eigentlich noch?

Nein. Unser ganzes Land ist doch korrupt. In einer Zeit, in der die wenigsten wirklich schwer arbeiten müssen, haben wir eine hohe Burn-out-Rate. 40-Jährige ebnen sich den Weg in die Frühpension – mithilfe von Ärzten. Das ist nicht anders als Korruption. Dass Leute wie ein Karl-Heinz Grasser schon medial hingerichtet werden, bevor sie überhaupt verurteilt werden, finde ich aber total daneben. Wir leben schließlich in einem Rechtsstaat.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie am liebsten in die Schweiz auswandern würden. Was ist denn dort so viel besser?

In Österreich wird Leistung bestraft. 57 Prozent meines Einkommens liefere ich an den Staat ab und dann wird über eine Solidaritätsabgabe für Reiche diskutiert. Wofür eigentlich? Um irgendwelche 50-jährigen Frühpensionisten zu finanzieren, die nur keine Lust mehr zu arbeiten haben? Das ist ungerecht.

Und in der Schweiz würden Sie sich besser aufgehoben fühlen?

Dort ist der Staat nicht so aufgeblasen, unterhält keine so fette Bürokratie. Aber als Österreicher mag ich nun mal die Leute hier, auch wenn ich mich über die Strukturen ärgere.

Und die Sozialleistungen in Österreich finden Sie nur schlecht?

Ich finde schlecht, wie sie kontrolliert werden. Es gibt kranke, alleinstehende Leute, für die zu wenig Geld da ist, weil Sozialschmarotzer sich bedienen. Bei der Sozialversicherung, bei der Pensionsversicherungsanstalt oder auch beim AMS. Unternehmer erleben immer wieder, dass Leute beim Vorstellungsgespräch einfach nur einen Stempel für die Arbeitslose haben wollen. Das darf nicht sein. Da braucht es mehr Kontrolle.

Wie sehen Sie den Wirtschaftsstandort Österreich?

Ich bin ja immer wieder erstaunt, wenn ich lese, dass wir im internationalen Vergleich wirtschaftlich so gut da stehen. Ich kann das ja fast nicht glauben, wenn ich sehe, wie der Staat aufgestellt ist.

Aber wie empfinden Sie die Rahmenbedingungen?

Der Staat zwingt uns zur Kleinheit. Sagen wir, jemand renoviert ein altes Gebäude in Niederösterreich. Er adaptiert zum Beispiel einen alten Stadl zu Wohnraum, baut also auch ein Klo ein. Was passiert? Er muss in der Folge mit einem Schlag für die gesamte Fläche Kanalgebühren zahlen – und zwar nicht wenig. Und das, obwohl er vielleicht gar nicht dort wohnt. Da frag ich mich schon, warum ich das alte Haus nicht abreiße und ein kleines hinbaue statt Geld in die Renovierung und dann in die Zahlung von Gebühren zu stecken. Absurd, oder? Genauso absurd ist es, dass mich als Unternehmer ein Mitarbeiter, der 2000 Euro netto verdient, 4600 Euro kostet. Also mehr als das Doppelte. Das ist ja auch vertrottelt. Mir wär viel lieber, wenn mehr von meinem Geld beim Mitarbeiter landet.

Wie legen Sie eigentlich Ihr Geld an?

Wenn jemand erfolgreich ist und Geld verdient, ist er in Österreich ja gleich irgendwie suspekt. Man darf das hier also ja gar nicht zugeben. Deswegen sage ich jetzt einfach, ich bin ein Künstler ohne Geld. Sonst trete ich gleich wieder eine Neid-Debatte los (lacht) .