Wirtschaft

Treichl: "Europa ist Ideologie für mich"

KURIER: Welche Bezeichnung trifft für Sie am ehesten zu: Treichl, der frechste Banker Österreichs; Treichl, der am besten verdienende Banker oder Treichl, der Wutbanker?

Andreas Treichl: Eine Aussage stimmt nicht, da gibt es andere, die viel mehr verdienen, wo es aber nicht offen gelegt wird. Es geht auch nicht um frech oder wütend. Aber manchmal brauchen Sie eine deftige Wortwahl, um gehört zu werden. Das passt manchmal nicht in die Wortwahl der Banker. Das ist mir aber wurstiger als anderen, denn am Beispiel Basel III sieht man, dass ein Wutausbruch (der „Politiker-sind-blöd-Sager“, Anm.) Wirkung zeigt.

Was sagt Ihr Gerechtigkeitssinn zur De-Facto-Amnestie für Steuersünder in den Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein? Da werden Leute belohnt, die jahrzehntelang am Fiskus, an Banken vorbei, Millionen im Ausland gebunkert haben.

Solche Amnestien gibt es immer wieder. Mit der Frage, ob da jetzt Menschen belohnt werden, die Gesetze umgangen haben, will ich meinen Gerechtigkeitssinn nicht strapazieren. Da geht es um andere Fragen, wie: Zahlt es sich noch aus, dass man sich an Gesetze hält? In unserer Branche reizt Goldman Sachs die Grenzen des Legalen aus. Wir in der Bank beschäftigen uns bei allen Entscheidungen vor allem mit der Frage: „Ist es richtig, dies zu tun.“

Ihr Bruder Michael, ein in London tätiger Investmentbanker hat gemeint, der Euro ist ein Fehler historischen Ausmaßes. Richtig? Familienmeinung?

Nein. Mein Bruder ist Engländer geworden und das entspricht der Meinung vieler Engländer. Aber Familienmeinungen gibt es bei uns maximal über Nachspeisen.

Die Geburtsfehler des Euro haben Sie selbst oft thematisiert.

Ja, aber eins ist klar: Europa ist mehr als eine gemeinsame Währung. Europa ist eine Lebensform und eine Ideologie für mich und ein demokratisches Modell mit all seinen Schwächen, das im Gegensatz zu den USA versucht, den sozialen Ausgleich zu finden.

Sie haben in Alpbach gesagt, egal was mit den Euro-Sorgenländern passiert, wir müssen für die Schuldenkrise bezahlen. Mit hoher Inflation, mit hohen Steuern oder über massive Einkommensverluste. Spricht nicht viel dafür, dass alle drei Szenarien eintreten?

Das hoffe ich nicht. Ich weiß nur, einige Problem sind sehr gut gelöst worden. Vor allem die EZB hat hervorragende Arbeit geleistet. Die Liquiditätssituation in Europa hat sich dramatisch verbessert, die Renditen der Sorgenländer sind zurück gegangen.

Ende gut, alles gut?

Das, was bestehen bleibt und den Trend hat, sich zu verstärken, ist, dass die wirtschaftspolitisch gut aufgestellten Länder sich weiter stärker entwickeln werden und in Wachstum investieren können. Die schwach aufgestellten Länder werden weiter zurück fallen. Die Notwendigkeit von Transferzahlungen bleibt also bestehen.

Zur Bank: 2011 war das erste Verlustjahr, keine Dividende, kein Bonus für den Chef. Wie lief 2012 im Vergleich?

Das Jahr 2012 ist natürlich wesentlich besser gelaufen. Aber wir sind eine Bank der Realwirtschaft und daher sehen Sie die Probleme der Realwirtschaft auch in unserer Bilanz. Im Wesentlichen wird die Stagnation dafür sorgen, dass wir keine überbordenden Gewinne ausweisen werden. Aber wir haben sehr viel gemacht, um uns auf die völlig neue Bankenlandschaft der Zukunft möglichst gut vorzubereiten.

Was wird völlig neu?

Vor zehn Jahren haben alle ganz gut gelebt, in Zukunft wird es nur noch sehr gute Banken geben. Der Konsolidierungsprozess in der Branche geht weiter. Diejenigen, die die Herausforderungen radikaler angehen, werden gestärkt daraus hervor gehen. Es geht darum, gute von schlechten Kosten zu trennen, gute Kosten zu erhöhen und schlechte zu reduzieren. Wir müssen in das Zukunftsgeschäft investieren können. Wer das künftige Kundenverhalten im digitalen Banking am besten einschätzt hat die Nase vorn. Die Technologie entwickelt sich unglaublich schnell.

Filial- und Mitarbeiterabbau?

Nein. Wir müssen natürlich effizienter werden. Aber vielleicht haben wir in Zukunft weniger, aber größere Filialen. Ein Punkt ist: Wir sitzen auf unglaublich viel Information über unsere Kunden und machen noch viel zu wenig daraus, um die Kundenbetreuung zu verbessern. Aber es ist zu früh, hier ins Detail zu gehen.

Heißt das im Umkehrschluss, die Expansion ist auf Jahre passé?

Ein Unternehmen, das so schnell gewachsen ist, erlebt auch Phasen der Konsolidierung. Das ist völlig normal. Aber wir wollen trotzdem in unsere Zukunft investieren und die liegt in Zentral- und Osteuropa. Die Region Europas, wo sich in den nächsten 25 Jahren das Wachstum abspielen wird.

Sie werden heuer 61. Können Sie sich vorstellen, sich noch einmal politisch zu engagieren, so wie derzeit Frank Stronach?

Da habe ich noch 19 Jahre Zeit mir das zu überlegen.

Andreas Treichl: Laufbahn

Treichl wurde am 16. Juni 1952 in Wien geboren. Die Bankerkarriere war ihm als Sohn des langjährigen CA-Chefs Heinrich Treichl in die Wiege gelegt. Er selbst startete 1988 bei der Chase Manhattan Bank in New York, später war er für die Chase in Brüssel und Athen tätig. 1983 wechselte er nach Wien zur „Ersten“ Dazwischen war er Chase-Chef in Wien, bevor er 1994 endgültig in den Erste-Vorstand wechselte. Der Top-Banker ist mit der Organisatorin des Opernballs, Desirée Treichl-Stürgkh, verheiratet.