Digitales Christkind: Wer von der Packerl-Flut profitiert
Von Simone Hoepke
Mit der Uhrzeit steigt die Einkaufssackerl-Dichte in den Einkaufsstraßen – der 8. Dezember ist einer der stärksten Einkaufstage. Daran werden die Demos, zu denen Gewerkschaft im Streit um die Löhne für Handelsmitarbeiter aufruft, wenig ändern.
Das „Fest des Schenkens“ ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, auch wenn die Bedeutung tendenziell abnimmt. Haben Händler in den 1950ern zehn Prozent ihres Jahresumsatzes um Weihnachten eingespielt, sind es aktuell nur zwei Prozent.
Immer mehr Packerln kommen mittlerweile von ausländischen Versandhändlern, obwohl es bereits 9000 Online-Shops mit Sitz in Österreich gibt. Trotz Steigerungsraten hat immer noch jeder Vierte in Österreich ansässige Händler keine Homepage, nur 22 Prozent betreiben einen Web-Shop. Die Riesen sind woanders zu Hause: In den USA (Amazon) und in China (Alibaba).
70 Prozent der Österreicher bestellen online – damit liegen wir im EU-Durchschnitt. Von den rund sieben Milliarden Euro aus Österreich, die online ausgegeben werden, landen 3,8 auf den Konten ausländischer Anbieter. Das hat die KMU-Forschung Austria für einen Branchenreport errechnet. „Nur in Luxemburg und Malta wird noch mehr im Ausland bestellt“, sagt Iris Thalbauer, Handelsobfrau in der Wirtschaftskammer Österreich.
Der Hauptgrund dafür: Österreich ist ein kleines Land mit einer überschaubaren Szene an Internet-Start-ups. Außerdem endet der Patriotismus der Konsumenten meist beim Bezahl-Button. „Viele ausländische Anbieter haben auch eine at-Domain. Die Kunden registrieren also gar nicht, dass ihre Kaufkraft ins Ausland abfließt“, sagt Thalbauer.
Unfairer Wettbewerb
Sie ärgert sich über das „antiquierte Steuersystem“. Firmen mit Sitz in Österreich zahlen bis zu 25 Prozent Körperschafts- oder Einkommenssteuer und konkurrieren mit Amazon, einem Konzern, der in Luxemburg versteuert und sich dort viel günstigere Steuersätze ausverhandelt hat.“ Das sei ein unfairer Wettbewerb.
Dazu kommen Steueroptimierungsprogramme, die von Rechtsabteilungen der Konzerne ausgetüftelt werden, den Klein- und Mittelbetrieben aber verwehrt bleiben. Thalbauer: „Das ist freilich kein österreichisches Problem, sondern ein weltweites.“
Die EU schätzt, dass sich allein Amazon über die Luxemburg-Konstruktion rund 250 Millionen Euro gespart hat.
Die Dimension der neuen internationalen Konkurrenz wird etwa am Hamburger Hafen sichtbar: Täglich kommen dort 45.000 Pakete aus China für den EU-Markt an. Darunter viele falsch deklarierte, wie Harald Gutschi, Chef der Versandhandelsgruppe Unito (Quelle, Universal, Otto) moniert.
„Allein China verschickt heuer bis zu 700 Millionen Pakete in die EU. Viele kommen über die Hubs (Drehscheiben) in Holland und Großbritannien, wo die Ware palettenweise und nicht einzeln versteuert wird.“ Kontrolliert wird nur stichprobenweise. Gutschi: „Sind die Pakete erst mal in der EU, gilt der freie Warenverkehr.“
Wie Händler tricksen
Für Postlieferungen aus Drittländern gilt eine Zollfreigrenze von 150 Euro, unter 22 Euro eine EU-Mehrwertsteuerbefreiung. Aus Sicht von Gutschi eine „massive Wettbewerbsverzerrung“. Er schätzt, dass mehr als 90 Prozent der Waren aus China zoll- und mehrwertsteuerfrei in die EU kommen. „Weil sie unter dem tatsächlich bezahlten Wert deklariert werden.“
Ab 2021 will die EU die Mehrwertsteuerbefreiung abschaffen. Bis dahin entgehen den EU-Staaten aber zumindest sieben Milliarden Steuereinnahmen. Vom Wettbewerbsvorteil für Drittstaaten ganz zu schweigen.