Smarte Städte für clevere Bürger
Es fing mit unseren Handys an und deckt mittlerweile den gesamten modernen Lebensbereich ab. Was die fünf Letter – SMART – jedoch tatsächlich bedeuten, schwankt je nach Perspektive des Betrachters: Innovativ muss es sein und effizient. Dabei umweltschonend oder besser sogar ganz nachhaltig und auf jeden Fall automatisiert. Denn in jedem Smart steckt auch ein Simpel. Dazu braucht es sich nicht um gläserne Wolkenkratzer und technokratische Tempel wie bei der Vorzeige-Smart-City Songdo in Südkorea zu handeln. In Europa erlebt man den Smart-City-Trend als ein Aufrüsten von Altbewährtem.
Virtuelle Infrastruktur
Im Kern geht es bei einer Smart City um ein Netz, ein Smart Grid, welches breitflächig Daten sammelt, diese misst und dementsprechend reagiert. Herz und Hirn der modernen Stadt ist die Automation, das "Internet of Everything". Maschinen kommunizieren mit Maschinen zum Wohle der Menschen, so die Idee. Durch Tausende Sensoren in Pflanzentöpfen, Ampeln, Mülleimern, bis hin zu Kanaldeckeln und Straßenlaternen entsteht ein umfassendes System, welches sofort und effizient auf Veränderungen und Schwankungen aller Art reagieren kann.
In Österreich gibt es bereits 32 Smart-City-Projekte, die sich alle rund um Energieersparnis und Ökologie drehen. Vorarlberg setzt mit der "VLOTTE" auf E-Automobile, während in Amstetten durch eine "Sanierungsoffensive" 50 % der Treibhausemissionen bei Baustoffen reduziert werden sollen. Die Vision der Smart City beschränkt sich jedoch nicht auf einen effizienten und grünen Fußabdruck. Auch das soziale Wohlbefinden der Bewohner ist Teil des Smart-City-Pakets: In Songdo wurden virtuelle Räume innerhalb von Gebäudekomplexen geschaffen, um die Sozialisation zwischen den Bewohnern zu erleichtern. Anstelle des netten Plauschs im Hausflur erkundigen sich Nachbarn nun per Text- und Videochat nach dem Wohlbefinden der Hauskatze.
Die smarte Stadt ist grün
Technokratische Baukastenstädte wie Songdo lösen neben Begeisterung auch viele Kontroversen aus. Kritiker sehen in der Vision der "Ubiquitious City" ein Panoptikum aus Zwang und Kontrolle, fürchten Bedrohung statt Erleichterung.
Die europäische Smart-Strategie setzt deshalb auf ökologische Baustoffe, grüne Energie und Reduktion von Emissionen. Auch dies wird jedoch ohne "Big Data" nicht möglich sein, weshalb damit gerechnet wird, dass künftig sämtliche Haushalte mit vernetzten Zählern, sogenannten Smart Metern, ausgestattet werden. Auch sonst ist der smarte Lebensstil ohne das Sammeln von Daten nicht möglich. Im Gegensatz zum technologieaffinen asiatischen Kontinent setzt Europa bei der gesellschaftlichen Durchsetzung jedoch mehr auf Solidarität als auf eine Ansammlung von Gadgets.
"Smart Citizens" sollen sich an der Datensammlung beteiligen, um gemeinsam die Vision eines besseren, urbanen Lebensraums möglich zu machen. Ob im Zeitalter von Facebook, Instagram, Kundenkarten und Zalando die Grenze zwischen urbanem und privatem Lebensraum beim Zählerstand gezogen werden kann, ist dabei eine ganz andere Geschichte.
- von Stefan Schallert
Copenhagen Connecting
Kopenhagen beansprucht den Titel „smarteste Stadt Europas“ seit einigen Jahren für sich. Mit Copenhagen Connecting gelang den Dänen die Umsetzung eines Smart Grid, welches weltweit seinesgleichen sucht. Durch kleine Wifi-Chips wird von der Müllentsorgung, über Personenmengen, Luftverschmutzung, Wetterscan, Straßenbeleuchtung bis hin zum Verkehrsaufkommen die gesamte Stadt bis ins kleinste Detail überschaut. Nicht nur Kopenhagens Kohlenstoffemissionen haben sich um 20% verringert, die Stadt spart sich außerdem 600 Millionen Euro an öffentlichen Geldern jährlich.
skyTran Tel Aviv
Die Bewohner von Tel Aviv sollen schon bald in eiförmigen Schüsseln 20 Meter über dem Boden dahinflitzen. Per Smartphone wird ein Shuttle für bis zu zwei Personen zu einer ebenerdigen Station gerufen, von wo aus es ohne Zwischenstopps zum beliebigen Zielort geht. Smart-Mobility made by NASA.
Die Stadt der Zukunft besteht für Philipp Müller, General Manager Public Sector des Computerspezialisten CSC, vor allem aus der intelligenten Vernetzung an sich dummer Dinge. Wie er die Digitalisierung des Lebens sieht.
In der Stadt der Zukunft würden Sie gerne jedem Gegenstand einen Sender verpassen, damit er mit der Umwelt kommunizieren kann. Führt das nicht zur Daten-Sintflut?
Philipp Müller: Eine verwertbare Datenflut ja, die letztendlich zu einer Entlastung der Bürger und Verwaltung führt und keine Sintflut. Durch Vernetzung dieser dummen Teile entsteht Schwarmintelligenz. Das intelligente Kommunizieren der Dinge miteinander ermöglicht ein Überwachen, Vergleichen und Optimieren von vielen Prozessen, wodurch Probleme präventiv behandelt werden können. Wichtig sind dabei offene Schnitt- stellen zu den Bürgern, die in diesen Prozess integriert sein müssen.
Das klingt aber auch nach der totalen Überwachung, da dieses System ja jederzeit weiß, wo ich gerade bis und was ich dort mache. Fürchten Sie da nicht ein Abgleiten in den Überwachungsstaat?
Rein technisch betrachtet ist jeder Einzelne vollständig überwachbar. Daher ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Nutzung von Big-Data-Anwendungen intelligent und rechtsicher zu regeln. Big Data ist wie Autofahren. Ohne entsprechende Regeln und Infrastruktur gibt es viele Risiken und Gefahren. Deshalb müssen wir der möglichen Nutzung von Massendaten, welche wir zur Steuerung von Makrodaten verwenden, klare Grenzen setzen.
Führt das nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft in Reiche, die sich die Devices zur Nutzung dieser Anwendungen leisten können, und Armen, die als digitale Bettler durchs Leben gehen müssen?
Nein, denn sobald Menschen auch nur ein bisschen Geld verdienen, besitzen sie ein Mobile Device. Wichtiger als der Gerätebesitz ist die Frage der Integration der Bürger. Dazu müssen die Stadtverwaltungen auch die digitale Infrastruktur der Städte ausbauen.Da bin ich aber ebenfalls optimistisch, denn das ist relativ kostengünstig. Daher setzen vor allem Städte in Schwellenländer verstärkt auf die Digitalisierung. Das investierte Geld kommt auch schnell zurück, denn smarte Städte schaffen ja auch Mehrwert in Form von Steuern.
Wie lange wird es dauern, Ihre Idee der vernetzten Stadt umzusetzen?
Das wird nicht in einem großen Schritt, sondern in vielen kleinen Schritten ablaufen und sicherlich mehr als 50 Jahre dauern. Doch es hat bereits begonnen, denken Sie nur an die Anzeigetafeln bei Bushaltestellen, die den Fahrgästen sagen, wann der nächste Bus kommt. Das entstresst die Wartezeit. Solche Entwicklungen passieren dauernd, aber in kleinen Schritten, so dass sie niemand als bedrohlich empfindet.
- von Christian Neuhold