Die Umsätze der Buchhändler wackeln
Von Simone Hoepke
Als hätte der US-Online-Riese Amazon die Buchhändler nicht schon genug aufgeschreckt, macht er ihnen jetzt auch noch mit einem eigenen Laden Konkurrenz. Amazon hat in seiner Heimatstadt Seattle sein erstes Geschäft eröffnet – die Pforten werden an sieben Tagen in der Woche offen stehen. Nervös macht das nicht nur Buchhändler im fernen Seattle, sondern rund um den Erdball. Sie fürchten, dass Amazon ein globales Ladennetz hochziehen will.
Es rauscht im Blätterwald. 2014 haben Österreichs Buchhändler um 3,4 Prozent weniger umgesetzt als im Jahr zuvor, belegt der druckfrische Bericht des Hauptverbandes. In den ersten 43 Wochen 2015 melden sie ein Minus von zwei Prozent. Mit Taschenbüchern haben Buchhändler um drei Prozent weniger eingenommen als im Vergleichszeitraum 2014, bei Hardcover-Versionen lag das Minus bei 1,8 Prozent, der Hörbuch-Umsatz stagnierte mehr oder weniger (–0,5 Prozent).
Neue Mitspieler
Das heißt nicht unbedingt, dass die Österreicher weniger lesen. Das Geschäft mit Gedrucktem machen nur verstärkt andere. Von ausländischen Versandhändlern wie Amazon bis zu Branchenfremden. In Einrichtungshäusern türmen sich neuerdings Architektur- und Designbücher, im Papiergeschäft gibt’s Unterhaltungsromane, der Weinhändler verkauft nebenbei Kochbücher. Von den österreichweit 1733 Buchhandlungen mit Gewerbeberechtigung (Stand 30. 6. 2015) sind nicht einmal die Hälfte reine Buchhändler. "Es werden davon maximal 600 Vollbuchhandlungen sein", schätzt Erwin Riedesser, Inhaber der beiden Wiener Leporello-Buchhandlungen und Präsidiumsmitglied im Hauptverband.
Kleine stemmen sich mit persönlicher Beratung gegen die Entwicklung oder flüchten sich in Nischen. Dagegen stellen sich große Ketten breitbeiniger auf und verkaufen jetzt auch Geschenkartikel, Dekomaterial, Olivenöl oder Stricknadeln. Zumindest eine angekündigte Katastrophe ist – vorerst – ausgeblieben: Das eBook hat trotz aller Schreckensszenarien das gedruckte Buch nicht verdrängt. In Österreich und Deutschland haben eBooks bisher nur einen Marktanteil von fünf Prozent erreicht, die Zeiten des galoppierenden Wachstums sind vorbei.
Tolino gegen Kindle
Die Handelskette Thalia feiert zumindest auf diesem Nebenschauplatz einen Etappensieg gegen Amazon. Gemeinsam mit anderen großen deutschen Buchhandelsketten ist Thalia mit dem Lesegerät Tolino gegen Amazon und seinem Reader Kindle angetreten. Überraschend erfolgreich und mittlerweile in sechs europäischen Ländern. Am großen Buchmarkt Deutschland ist Tolino – gemessen an der Zahl der heruntergeladenen Bücher – schon an Amazons Kindle vorbeigezogen.
Die Marktkonzentration im österreichischen Buchhandel ist übrigens noch relativ gering. Nur die Hälfte des Branchenumsatzes von 735 Millionen Euro (inklusive Lernmaterial, Lehrbücher, Zeitungen und Zeitschriften) machen große Handelsketten, darunter Thalia, Morawa, Libro, Weltbild.at, Tyrolia, Frick oder Hintermayer. Ein geschätztes Fünftel des Umsatzes läuft bereits über Internetbestellungen und damit vor allem über die Konten von Amazon und Thalia.
Eines haben alle im Buchgeschäft gemeinsam: Die stressigste Zeit im Jahr steht ihnen noch bevor. Im Dezember setzt die Branche traditionell drei Mal mehr um als in anderen Monaten.