160.000 Tonnen Lebensmittel landen im Müll
Von Martin Burger
Ende August 2011 auf einem Feld bei Orth an der Donau. Die Zwiebelernte läuft auf Hochtouren, die Sommerzwiebel werden anhängerweise in den Gemüsebaubetrieb in Probstdorf geführt. Als der letzte Traktor mit Anhänger weg ist, liegen immer noch haufenweise Zwiebeln herum. Auf die Frage, was damit passiert, lautet die Antwort eines Bauern: „Die werden eingeackert.“ Erklärung: Sie haben nicht die richtige Größe und werden vom Handel nicht akzeptiert.
Eineinhalb Jahre später im Lebensministerium. „Lebensmittel sind kostbar“, heißt das Maßnahmenpaket, das Minister Niki Berlakovich am Mittwoch präsentierte. „Wir versuchen die Verschwendung zu reduzieren“, sagen Unterstützer wie Österreichs höchster Landwirt, Gerhard Wlodkowski. Zeit wär’s. Denn allein jeder heimische Haushalt entsorgt Lebensmittel im Wert von 300 Euro im Jahr vor ihrem Verfallsdatum. In Summe werden 157.000 Tonnen verpackte und unverpackte Lebensmittel weggeschmissen. Und wie hoch ist der Anteil der Feldfrüchte, die es gar nicht bis in den Supermarkt schaffen? „Dazu gibt es keine Erhebung“, sagt Wlodkowski. Ärgerlich ist die Tatsache, dass es für die aussortierten Rohstoffe keine wirkliche Verwendung gibt. „Den letzten beißen die Hunde.“
Damit es nicht so weit kommt, gibt es den Aktionsplan. Das Lebensministerium steuert Aufklärungsmaterial für Schulen bei und vergibt Forschungsaufträge, um die dürftige Datenlage zu verbessern. Gesetzesinitiative werde es keine geben, „das wäre Bevormundung“, sagt Berlakovich.
Teile dein Essen
Das Weitergeben von nicht selbst verbrauchten Lebensmitteln, genannt Food Sharing, bekommt eine eigene Internet-Plattform, betrieben von der Wiener Tafel. Auch der Lebensmittelgroßhandel macht mit. Spar will den Anteil jener Filialen, die mit Sozialmärkten zusammenarbeiten von 90 auf 100 Prozent erhöhen, das Waldviertler Unternehmen Kastner aus Zwettl engagiert sich in der Ausbildung von Tourismusschülern. Die Wirtschaftskammer Sparte Handel will die Backshops ausbauen, die je nach Bedarf backen und so den Brot-Berg am Abend klein halten.
Das blieb nicht unwidersprochen. Ernst Tüchler vom ÖGB, der sich an der Aktion beteiligt, bemängelte, dass die Backshops in Supermärkten „den Bäcker umbringen“. AK-Konsumentenschützerin Melitta Aschauer-Nagl kritisierte Aktionsangebote: „Drei Produkte kaufen, zwei zahlen und eins wegschmeißen ist nicht sinnvoll.“ Trotz der unterschiedlichen Zugänge fielen die versammelten Sozialpartner nicht aus der Rolle. Tüchler, geeicht: „Wenn zwei über Lebensmittel reden, gibt’s drei Meinungen.“
Der Mensch ist ein Jäger und Sammler. Das ist vor allem in Zeiten knapper Ressourcen ein guter Mechanismus. In Zeiten des Überflusses für viele führt das zu Shopping-Exzessen und direkt in die Wegwerfgesellschaft. Also. Lasset uns verzichten, denn Verzicht ist wie eine Fastenkur. Man fühlt sich nachher irgendwie leichter.
Diese Institutionen gehen mit gutem Beispiel voran.
Frents.com Hier werden nach dem Facebook-Prinzip Kinderhochstühle, Beamer, Werkzeugsets, Umzugskartons und Tausende andere nützliche Dinge geteilt und verkauft.
Gemeinschaftsgärten In großen Wohnsiedlungen wie dem Nordbahnhofviertel in Wien 2 macht ein gemeinschaftlich angelegter Garten wie der „Mintzgarten“ Sinn. Grüne Initiativen wie diese bringen mehr als Gemüse hervor. Laut dem American Journal of Public Health macht Garteln die Städter gesünder. Konkret ist der Body-Mass-Index von Kleingärtnern signifikant geringer als jener von Nicht-Gärtnern.
Kleiderkreisel.at Online-Tauschbörse für Fashionistas. Hier wird man Fehlkäufe und kaum Getragenes wieder los.
Tauschkreis.at Pflanzen, Baumaterial, Reinigungsmittel, nicht einmal Tiere sind vor der virtuellen Tauschwut der Mitglieder gefeit. Dazu gibt es Treffen in der wirklichen Welt.