Wirtschaft

Die Angst der AUA vor Emirates

Die Angst vor Emirates sitzt tief. Die ums Überleben kämpfende AUA und deren Mutter Lufthansa werfen den ungleich erfolgreicheren Überfliegern aus der Wüste vor, Europas Luftfahrt mit unfairen Wettbewerbsmethoden nieder zu konkurrenzieren. In Österreich ruiniere Emirates die Langstrecke der AUA, weshalb heftig gegen die Konkurrenz aus Dubai lobbyiert wird. Thierry Antinori, der bei Emirates die wichtige Position des Vertriebschefs übernommen hat, spricht erstmals über seine Sicht des Wettbewerbs, die Strategie der Scheich-Airline, warum er bei der AUA in letzter Sekunde absagte und macht deren Mitarbeitern ein Angebot. KURIER: Warum haben Sie im Vorjahr wenige Tage vor Ihrem Dienstantritt als AUA-Chef abgesagt? Thierry Antinori: Ich hätte wirklich gerne in Österreich gearbeitet, aber das Umfeld auf Eigentümerseite und teilweise auf AUA-Seite hat nicht meiner Philosophie entsprochen. Nämlich das Produkt und den Vertrieb zu verbessern. Sie sehen inzwischen ja, was passiert ist.

Trotzdem ist es ungewöhnlich, so kurzfristig – ein paar Tage vorher – auszusteigen. Ich habe bis zuletzt gekämpft, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich hatte vor allem ein anderes Konzept für Vertrieb und Qualität. Wenn Sie Ihre Philosophie nicht durchsetzen können, dürfen Sie den Job nicht antreten. Es ist eine Frage der Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Außerdem hätte ich einen Österreicher als Aufsichtsratsvorsitzenden der AUA für besser gehalten (der Österreicher und Ex-Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber ist nur Vize, Vorsitzender ist der Deutsche Stefan Lauer). AUA und Lufthansa fürchten, dass Sie wertvolles Insider-Wissen, zum Beispiel über die Rentabilität von Strecken, zum Erzrivalen mitgenommen haben. Schwachsinnig. Emirates hat mich wegen meiner internationalen Erfahrung eingestellt und nicht, weil ich bei der Lufthansa war.Halten Sie die AUA noch für überlebensfähig? Vor einem Jahr absolut. Heute bitte ich um Verständnis, dass ich keine Zeit mehr habe, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Nur so viel: Es geht nicht nur um die Kosten, das ist nur ein Teil der Problematik. Die AUA ist eine gute Marke und hat hervorragende Mitarbeiter. Doch wie wollen Sie die Mitarbeiter und die beiden Betriebsratschefs Junghans und Minhard mobilisieren, wenn Sie wieder die Gehälter reduzieren und im Vertrieb kaum etwas tun. Wir bieten bei Emirates sehr interessante Arbeitsplätze.

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Machen Sie soeben den AUA-Piloten und Flugbegleitern ein Job-Angebot? Ja, die AUA sowie die Tyrolean haben erstklassige Piloten und sympathische Flugbegleiter. Wer lieber bei der weltweit größten Langstrecken-Airline einen neuen Airbus A-380 fliegt als eine alte Fokker 100, ist herzlich eingeladen. Und die Österreicher sind hervorragend in Service, Dienstleistung und Freundlichkeit. Hier in Dubai haben wir das richtige Wachstum, was Perspektiven schafft, und ich habe den Eindruck, die Mitarbeiter fühlen sich bei uns wohl. Wir sind der attraktivste Arbeitgeber in der Airline-Industrie. Unsere Belegschaft glaubt an unsere Strategie.Auch der neue AUA-Chef Jaan Albrecht macht die Konkurrenz von Emirates mit verantwortlich für die Probleme der AUA. Sie würden mit Ihren zwei täglichen Flügen ab Wien der AUA über das Drehkreuz Dubai Langstrecken-Passagiere absaugen. Wie gefährlich ist Emirates für die AUA tatsächlich? Wir respektieren jede Aussage, aber das stimmt nicht. Es wird höchste Zeit, dass sich die AUA auf ihre Kunden fokussiert und nicht auf die Mitbewerber. Emirates ist keine Bedrohung für die Langstrecke der AUA. 50 Prozent unserer Passagiere ab Wien gehen direkt nach Dubai und 85 Prozent der restlichen Passagiere fliegen weiter zu Zielen, die die AUA nicht anfliegt.

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Die AUA argumentiert, wenn Emirates den zweiten Flug täglich, der vom Verkehrsministerium vorläufig bis Ende März befristet ist, verlängert bekommt, müsse Mumbai eingestellt werden. Emirates ist nicht der Grund. Die AUA fliegt um 1.25 Uhr ab Mumbai, fünf Minuten nach der Swiss. Da muss sich die AUA doch fragen, ob ein solcher Flugplan richtig ist. Sie fliegt nicht im Wettbewerb gegen uns, sondern gegen ihre Konzernschwester. Für diesen wirtschaftlichen und strategischen Scherz will man uns verantwortlich machen. Die Swiss fliegt ab März auch nach Peking. Sollte die AUA Probleme mit Peking bekommen, wollen wir nicht hören, dass wir daran auch noch schuld sind. Emirates ist nicht für die Flugpläne des Lufthansa-Konzerns zuständig.

Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, ein unfairer, vom Staat subventionierter Wettbewerber zu sein? Airline, Flughafen, Flugsicherung – alles ist in der Hand des Scheichtums. Kein Wunder, dass Sie am Flughafen Dubai viel niedrigere Kosten haben als die AUA in Wien. Jeder, der will, kann nach Dubai kommen, und jeder hat dort genau dieselben Vorteile wie Emirates. Dubai hat eine Open-Sky-Politik, 130 Airlines sind bereits hier. Wir lieben Wettbewerb und laden AUA und Lufthansa gerne ein. Doch die reduzieren lieber ihre Flotten.

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Die AUA lobbyiert bei Österreichs Behörden und Politik heftig gegen Emirates. Wie halten Sie dagegen? Das Luftverkehrsabkommen aus 2004, das uns eine zweite Tagesrotation ermöglicht, ist nach wie vor gültig. Aber wir beschäftigten uns nicht damit, die Hälfte unserer Arbeitszeit in Ministerien zu intervenieren. Es geht um ganz andere Fragen. Um die Kunden und die Qualität des Produktes. Wir fokussieren uns auf moderne Flugzeuge, hohe Qualität und das beste Inflight-Entertainment. Wir haben nicht die niedrigsten Ticket-Preise, sondern wollen der Leader bei "value for money" sein. Darauf konzentrieren wir uns, nicht auf unsere Mitbewerber. Wir sind für unsere Kunden da und deswegen so erfolgreich. Es gibt eine hohe Korrelation zwischen der Kundenzufriedenheit und dem Erfolg eines Unternehmens. Ich kann der AUA nur raten, für ihre Kunden zu investieren, anstatt zu jammern. Sie haben leicht reden. Dubai hat als Staat strategisch in die Luftfahrt investiert. Wir sehen uns als Airline des 21. Jahrhunderts. Offensiv statt defensiv. Aviation wurde in Dubai vor 25 Jahren zur strategischen Industrie erklärt und die Rahmenbedingungen für Wachstum geschaffen. Heute ist Dubai eines der Zentren des Luftverkehrs, das die weltweit größte Drehscheibe werden soll. Aber wir bringen auch der österreichischen Wirtschaft viel.

Inwiefern? Von Jänner bis November 2011 kamen um 33 Prozent mehr arabische Passagiere nach Wien. Das hat mit unserem zweiten Flug täglich zu tun, der sehr gut angelaufen ist. Erstmals sind mehr Araber nach Österreich gekommen als in die Schweiz. Die arabischen Gäste sind noch vor den Russen die biggest spender mit den höchsten Tagesausgaben. Das ist doch keine Bedrohung. Und wie kämen die Österreicher dazu, keinen Wettbewerb unter den Airlines zu haben.Es gibt Gerüchte, Emirates wollte in die Star Alliance der Lufthansa, sei aber abgelehnt worden. Wir haben kein Interesse an einer Allianz, das würde nur unser Produkt verwässern. Unser Konzept ist die globale Alternative.

2012 wird für die Luftfahrt generell schwierig. Wie wird’s für Emirates? Unser laufendes Geschäftsjahr endet mit März 2012. Wir werden nicht dieselbe Profitabilität erreichen wie im Jahr zuvor. Die hohen Spritkosten belasten unser Ergebnis um eine Milliarde Euro mehr. Trotzdem werden wir mit einem Gewinn die Branche übertreffen. Für das Gesamtjahr 2012 sind wir wegen des Umfelds vorsichtig optimistisch und rechnen mit 20 Prozent Wachstum. Zum Jahresende kommen 11 neue Airbus A-380 und 20 neue Boeing 777. Wenn Sie Qualität bieten und der Kunde oberste Priorität hat, können Sie Ihr Produkt auch verkaufen.

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Thierry Antinori: Überläufer nach Dubai

Der Wechsel des gebürtigen Franzosen im Oktober 2011 zu Emirates war für die Lufthansa bitter. Als Vertriebschef der Lufthansa hatte Antinori jahrelang Strategien gegen Emirates entwickelt. Er gilt als hervorragender Verkäufer mit starker Kundenorientierung. Seine Luftfahrt-Karriere begann er bereits 1986 bei der staatlichen Air France. 2004 traf ihn mit dem Tod seiner Partnerin beim Tsunami ein schwerer privater Schicksalsschlag. Die Lufthansa wollte ihn im März 2011 zum AUA-Chef machen, Antinori sagte kurzfristig ab und verließ den Konzern. Bewährt sich Antinori, 50, in Dubai, hat er gute Chancen auf die Nachfolge von Emirates-Chef Tim Clark, 73.

Emirates: Senkrechtstarter aus der Wüste

1985 von der Regierung von Dubai mit zwei Leasing-Maschinen gegründet, hat Emirates heute die größte Langstreckenflotte der Welt: 20 Airbus A380 und 99 Boeing 777. Weitere Flugzeuge im Wert von rund 65 Milliarden Euro sind bestellt. Seit dem zweiten Jahr ihres Bestehens fliegt die Airline ununterbrochen Gewinne ein. E mirates hat knapp drei Milliarden Euro Liquidität, beschäftigt 12.000 Piloten und Flugbegleiter und führt wöchentlich ab Dubai 1000 Flüge durch. Auch 2012 werden etliche neue Destinationen ins Flugprogramm aufgenommen. Der Nettogewinn in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres (per 31. März 2012) lag bei 173 Mio. Euro.