Wirtschaft

Der Sparzins-Falle entrinnen nur Reichere

Wenn die Österreicher ans Sparen denken, fällt ihnen als Erstes immer noch das Sparbuch ein. Für 77 Prozent ist es die beliebteste Sparform, ergibt eine Umfrage des IMAS-Instituts im Auftrag der Erste Group. Wirtschaftlich optimal handeln sie damit nicht. Die kaum vorhandenen Zinsen bringen Mini-Erträge, die noch dazu von der Inflation aufgefressen werden.

Ganze 24 Milliarden Euro weniger an Zinsen bekamen die Österreicher zwischen 2010 und 2015 auf ihre Sparbücher als in den fünf Jahren davor. Kein Wunder, dass das Interesse am Sparen generell abnimmt. Nur noch 68 Prozent sagen, Sparen sei "sehr wichtig oder ziemlich wichtig". Vor fünf Jahren kreuzten noch 76 Prozent diese Antworten an. Dennoch ist die durchschnittliche monatliche Sparsumme auf 201 Euro gestiegen. 2010 waren es 165 Euro im Monat. "Allerdings beginnt sich das Sparverhalten allmählich zu ändern", sagt Erste Group-Vorstand Peter Bosek. Ein Drittel der Sparer hat sein Geld wegen der tiefen Zinsen in Immobilien, Wertpapiere oder Gold umgeschichtet. Knapp ein Fünftel gibt es lieber aus, weil sparen nichts bringt. Immerhin ein Viertel beachtet die Mini-Zinsen gar nicht und lässt das Geld am Girokonto.

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Höhere Erträge

Am besten gefahren sind jene Sparer, die in den vergangenen fünf Jahren ihr Geld in deutschen Aktien angelegt haben. Mit Titeln an der Wiener Börse haben sie leicht verloren. Gold brachte nur wenig mehr als das Sparbuch (siehe Grafik). Klares Fazit aus diesem Vergleich: Längerfristig bringen nur Aktien-Portfolios bessere Erträge. Bosek ist zuversichtlich, dass sich diese Einsicht allmählich bei den Österreichern durchsetzt. Er glaubt, dass der Kapitalmarkt positiver wahrgenommen werde als früher. Profitieren können davon aber nur Anleger, die sich mehr als 100 Euro Sparbetrag pro Monat leisten können. "Weniger als diese Summe ist wegen der Gebühren nicht sinnvoll", sagt der Erste Group-Vorstand.

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Ansparen in Form von Wertpapier-Fonds setze eine gewisse Vermögenssituation voraus. Allen anderen bleibe nur das Bausparen. Da könne man auch mit 20 bis 30 Euro im Monat anlegen. Die geringe Verzinsung wird durch eine kleine staatliche Förderung aufgebessert. An den Zinsen selbst wird sich nach Einschätzung von Bosek noch länger nichts ändern. Frühestens 2017 rechnet er mit einer Anhebung.

0,02 Prozent bietet so manche Bank für Spareinlagen, die täglich behebbar sind. Für 1000 angelegte Euro sind das 20 Cent. Nicht vielleicht monatlich, das gilt für ein ganzes Jahr. Das macht deutlich: Um für Kinder, Enkerl oder die eigene Zusatzpension vorzusorgen, sind simple Sparprodukte ungeeignet. Für langfristiges Veranlagen müssen die Börserln für die Börse geöffnet, sprich Wertpapiere gekauft werden.

Dass Österreich wahrscheinlich das einzige westliche Industrieland ist, in dem sich keine nennenswerte Aktienkultur entwickelt hat, liegt auch an der Politik. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Börse misstrauisch beäugt wird, weil Geldanlage im Schulunterricht nicht vorkommt. Sie ist schuld daran, dass es für Aktionäre keine Willkommenskultur gibt.

Reihenweise werden Initiativen gegründet. Eine, die sich lautstark für die Entwicklung einer Aktienkultur einsetzt, fehlt definitiv. Der Umgang der Politik mit dem Kapitalmarkt ist ein Armutszeugnis.

Eigentlich wollen unsere Banken für alle da sein. Für jene, die viel Kapital zu veranlagen haben und für jene, die nur wenig auf die hohe Kante legen können; für jene, die die Sprache des Kapitalmarkts verstehen und für jene, die davon nichts verstehen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Banken können nur jenen Menschen eine halbwegs ertragreiche Geldanlage anbieten, die Kapital und Wissen haben. Alle anderen, die fürs Alter vorsorgen oder für Ausbildung der Kinder ansparen wollen, müssen sich mit den Mini-Zinsen von Sparbüchern oder auf den Bausparern begnügen.

Das macht die Menschen sauer. Nicht nur, weil sie für die Zukunft nicht vorsorgen können. Auch weil ihnen am Monatsende immer weniger im Börserl bleibt, weil Mieten und Lebensmittelpreise stetig steigen. Da nützt alle öffentliche Förderung für Ärmere nichts, wenn die Chancen auf eine bessere Zukunft fehlen.