Wirtschaft

Der Mittelstand ist Erfolgsgarant

Sie haben noch nie ein Cola getrunken, das nicht durch die Kontrolle von Anton Paar gelaufen ist“, behauptet Sonja Hiebler, Sprecherin von Anton Paar. Das Grazer Unternehmen ist weltweit führend in der Entwicklung und Herstellung hochwertiger Mess- und Analysegeräte.

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Konzerne – von Coca-Cola bis Heineken – stellen mit den Geräten sicher, dass ihre Getränke auf der ganzen Welt gleich schmecken. Mit der Dichtemessung wird der Zucker- und Alkoholgehalt festgestellt, bei Bier zudem Farbe, Bierextrakt, Stammwürze und PH-Wert. Lebensmittelkonzerne sind mit einem Umsatzanteil von 30 Prozent wichtigster Kunde. „Schokolade zerläuft im Mund bei einer Temperatur von 36 Grad, in der Hand soll sie aber nicht zu schnell zerrinnen“, erklärt Hiebler, dass auch das Fließ- und Verformungsverhalten von Schokolade gemessen wird. So wie jenes von Farbe oder Kunststoffen.

Ketchup-KontrolleHersteller von Duschgels stellen sicher, dass die Flüssigkeit zwar aus der Packung, aber nicht zwischen den Fingern davonrinnt. Auch Ketchup läuft durch die Kontrollen von Anton Paar: Es soll leicht aus der Flasche kommen, sich aber nicht auf heißen Pommes verflüssigen. Die Liste kann Hiebler, eine studierte Theologin, scheinbar unendlich fortsetzen. Bis zu Zähigkeitsbestimmungen von Motoröl oder Blutplasma.

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Jeder fünfte umgesetzte Euro fließt in die Forschung und Entwicklung, drei Mal so viel wie in der Branche üblich. In der Entwicklungsabteilung forschen rund hundert Mitarbeiter. „Wird mehr geforscht, machen wir halt weniger Gewinn. Mir ist es egal, ob wir neun oder elf Prozent Gewinn machen“, behauptet Friedrich Santner, der Anton Paar seit 1986 führt. Er hat leicht reden. In den vergangenen Jahrzehnten hat Anton Paar immer schwarze Zahlen geschrieben. Binnen zehn Jahren hat Santner den Umsatz auf zuletzt 190 Mio. Euro verfünffacht. Santner: „Anton Paar hat keinen Eigentümer, der mir sagt, dass ich den Gewinn noch mehr steigern und Mitarbeiter mehr auspressen muss.“ Eigentümer ist seit 2003 die gemeinnützige Anton Paar Privatstiftung, der Friedrich Santner mit seiner Frau Maria und seinem Schwiegervater vorsitzen.

Bei Anton Paar verdient der Chef netto maximal 3,4-mal so viel wie Mitarbeiter am unteren Ende der Gehaltsskala. „Wir haben die unteren Gehälter angehoben“, sagt Maria Santner. Und weil sie und ihr Mann meinen, dass geistige und körperliche Arbeit gleich viel wert ist, wurden 2011 alle Arbeiter in Angestellten-Verträge übernommen. Santner: „Weniger eine Geld- als Imagefrage.“ Die 850 Beschäftigten des Headquarters radeln auffallend oft in die Firma. Dafür gibt es 1,70 Euro pro Tag. „Eine einfache Rechnung. Parkplätze kosten Geld. Was wir sparen, wenn nicht alle mit dem Pkw kommen, geben wir an die Mitarbeiter zurück.“ Prämien gibt es auch für jene, die zu Fuß, in einer Fahrgemeinschaft oder mit den Öffis kommen.

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Drei der vier Kinder von Maria und Friedrich Santner arbeiten bereits im Betrieb. „Wir landen nicht automatisch mit dem Fallschirm in der Führungsetage“, betont Friedrich Santner. Er selbst hat drei Semester Theologie, später Psychologie studiert. „Mit dem Zölibat hätte ich vielleicht noch leben können, mit dem Gehorsam sicher nicht“, sagt der 53-Jährige, der schon Großvater ist. Er strahlt die Ruhe eines buddhistischen Mönches aus. Sein Büro am Ende des Ganges ist groß und spartanisch eingerichtet. „Einmal haben mir Mitarbeiter eine rote Couch ins Büro gestellt und ich hab es gar nicht gemerkt. Ich war so auf die Arbeit konzentriert.“ Arbeit hat er genug. Er ist nicht nur Chef von 1600 Mitarbeitern weltweit (950 in Österreich), sondern auch Aufsichtsratschef der Styria Medien AG oder des SK Sturm. Wie es zu all dem kam? „Man darf Dinge nicht um alles in der Welt wollen und muss warten können.“ Einen Karriereplan habe er nicht gehabt. „Ich erkenne Möglichkeiten und nehme sie wahr.“ Adabei-Veranstaltungen meidet er, von Netzwerken hält Santner „nichts“. „Ich treff lieber Freunde. Ob sie wichtig sind, ist mir egal.“

Kinderheim und Kloster

Der Erfolg war Santner nicht in die Wiege gelegt. Im Alter von vier Wochen kam er ins SOS-Kinderdorf, später ins Bischöfliche Gymnasium. „Auszeiten im Kloster brauch ich keine, ich hab in meinem Leben schon genug gebetet“, scherzt er. Die Zeit im Kinderdorf war prägend. „Zehn Kinder und eine Mutter: Da lernt man Disziplin und sich in sozial akzeptabler Weise durchzusetzen.“ Das scheint er auch beruflich bewiesen zu haben. 2012 wurde Anton Paar als bestes steirischer Familienunternehmen ausgezeichnet.

Weltmarktführer

Anton Paar, gegründet 1922, liefert Mess- und Analysegeräte und ist weltweit führend in der Dichtemessung, Rheologie, Bestimmung von gelöstem CO2 sowie Materialcharakterisierung. Das Unternehmen stellt heuer hundert zusätzliche Mitarbeiter in Graz ein. 23 Mio. € fließen in die Infrastruktur in Graz. Der Gewinn wird in den Konzern reinvestiert. Was übrig bleibt, fließt in die gemeinnützige Anton Paar Stiftung. Diese hat im Vorjahr 350.000 Euro für die Wiedereingliederung Suchtkranker in die Arbeitswelt gestiftet.

Weltweit führend, aber im eigenen Land quasi unbekannt – das gilt für viele mittelständische Betriebe in Österreich. „Es gibt deutlich mehr als 200 Hidden Champions in Österreich“, weiß Professor Georg Jungwirth von der Grazer FH Campus 02. Die Kriterien für einen Hidden Champion: Firmensitz in Österreich, unter den Top 3 am Markt und unter 200 Millionen Euro Umsatz. Die Firma Anton Paar aus Graz sei ein ziemlich typisches Beispiel für heimische Weltmarktführer: Familienbetrieb, Nischenplayer, hohe Forschungs- und Exportquote, sagt Jungwirth.

Sieben von acht Hidden Champions sind im B2B-Geschäft tätig, verkaufen ihre Produkte also an Unternehmen, nicht an Konsumenten. Die meisten haben ihren Sitz in der Steiermark oder in Oberösterreich (jeweils rund 50 Betriebe), gefolgt von Vorarlberg. Das liegt freilich auch daran, dass diese Bundesländer traditionell vergleichsweise viele Industriebetriebe haben. Sieben von zehn Unternehmen sind Familien-geführt. Auffällig oft steht die Firma „am flachen Land“ und ist der größte Arbeitgeber in der Gemeinde. „Die Mitarbeiterfluktuation ist auffällig niedrig“, weiß Jungwirth. Er schätzt, dass die sogenannten Hidden Champions rund 60.000 Mitarbeiter in Österreich beschäftigen. Allerdings haben viele Probleme Hochschulabsolventen anzuwerben, weil sie bei den Uni-Abgängern schlicht unbekannt sind.

„Hochprofitabel“

„Hidden Champions haben die Krise kaum gespürt und sind meist hochprofitabel“, sagt Jungwirth. Wer in einer Nische die Nummer eins ist, kann eben auch hohe Preise verlangen. Allerdings fließt auch viel Geld in die Forschung und Entwicklung. F&E-Quoten von rund 20 Prozent des Umsatzes sind bei Weltmarktführern keine Seltenheit.