Wirtschaft

Der harte Job der Jobvermittler

Eine Szene vom Mittwoch: Ein 52-jähriger Arbeitsloser sticht mehrmals mit einem Messer auf seine Jobvermittlerin, 32, ein. Die Frau stirbt wenig später im Spital. Die Bluttat spielte sich in Nordrhein-Westfalen ab. Deutsche Verhältnisse lassen sich nicht auf Österreich übertragen, möchte man meinen. Doch auch in den heimischen AMS-Stellen herrscht ein zunehmend bedrohlicher Ton.

Das geht aus der Beantwortung einer parlamenta­rischen Anfrage durch das Sozialministerium hervor. Im Jahr 2011 alarmierten in 104 Fällen AMS-Mitarbeiter die Polizei. Intern registrierte das AMS auch Verbalinjurien. Beschimpfungen oder Bedrohungen kommen in Wien "praktisch täglich vor", in der Steiermark waren es 200, in Niederösterreich 160. In den Landesgeschäftsstellen klagt man über "gesteigerte Kundenaggressivität", heißt es.

Alles Zufälle oder nur Ausreißer? Gerald Mosser sitzt im sechsten Stock der Wiener AMS-Geschäftsstelle Laxenburger Straße. Von hier aus verwaltet er 12.000 Kunden, wie Arbeitslose im AMS-Jargon heißen. "Ich will das Problem nicht größer machen, als es ist", sagt der AMS-Leiter. Die Aggressionen, bestätigt er, steigen aber. Mosser weiß, wovon er spricht. Er kommt selbst von der Basis, betreute jahrelang Arbeitslose bei der Jobsuche. "Wir versuchen, nicht allzu empfindlich zu sein." Geschichten über Drohungen wie "Warte nur, was dir beim nächsten Mal passieren wird" oder über durchs Büro fliegende Sessel schüttelt er aber locker aus dem Ärmel. In seiner Geschäftsstelle lässt sich das Problem grob quantifizieren: Rund ein Prozent (120 Kunden) gilt als problematisch. Geht es bei ihnen ums Eingemachte, also um die Streichung der Unterstützung, kann es ungemütlich werden.

"Existenzgrundlage"

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Mosser sorgt sich um seine 120 Mitarbeiter. "Wenn wir vorweg wissen, dass es Probleme geben könnte, dann sorgen wir vor." Etwa ist dann ein Vorgesetzter beim Gespräch anwesend. "Dabei geht es oft um die Existenzgrundlage", sagt Sebastian Paulick, Pressesprecher des AMS Wien. "Wir haben das Gesetz aber nicht erfunden, wir müssen es exekutieren", ergänzt er.

Trotzdem trifft der Unmut oft Jobvermittler wie Chris­tian Gerhardt, 35. Ihm hielt bereits ein Kunde eine geballte Faust vors Gesicht. "Ruhig bleiben" sei dann das oberste Gebot, erzählt er. Schuld daran, sagt Mosser, sei auch die Mär, wonach ein Betreuer einem Kunden das Arbeitslosengeld streichen könne. Dabei beschließe dies ein Ausschuss fernab des Mitarbeiters.

Das AMS hat auf den Trend reagiert. Seit Jahren schult es das Personal in Konfliktmanagement oder Selbstverteidigung. Einige AMS-Filialen, wie jene in Wien, engagieren private Sicherheitsdienste. Und es gibt Supervision, die gut angenommen wird.

Für Mosser ist "Kundenzufriedenheit" ein Schlüssel für ein friedliches Aus­kommen. So gehört das Bild vom vollen AMS-Wartezimmer der Vergangenheit an. Es gibt fixe Termine und kaum Wartezeiten.

Der SPÖ-Abgeordnete Johann Maier, der die Anfrage gestellt hat, wünscht sich weitere "zielgerichtete Maßnahmen. Ein Fall wie jener in Nordrhein-Westfalen darf in Österreich nie passieren."