Den Jugendwahn abservieren
Von Anita Staudacher
Familienfeindliche Arbeitszeiten, niedriges Einkommen, hohe Fluktuation: Das Durchschnittsalter der Beschäftigten im Tourismus ist mit 34 Jahren das niedrigste aller Branchen. Nirgendwo sonst ist der Jugendwahn so ausgeprägt wie hier. Viele große Hotelketten stellen ihre Crew nur noch temporär an und setzen vor allem auf junges, billiges Personal.
Nicht so im Hotel Kaiserhof in Wien. Von den 40 Beschäftigten sind zehn über 45 und neun über 50 Jahre. Der 50-jährige Serviceleiter Jean-Luc Poussin wurde soeben neu eingestellt. "Ich habe viele Stammgäste und daher ist mir Stammpersonal sehr wichtig. Und ältere Mitarbeiter sind treue und loyale Mitarbeiter", begründet Hoteldirektor Anton Greiderer die Wahl. Dass sein Neuzugang bereits eine langjährige Hotelerfahrung hatte, erwies sich als Glücksfall: "Er brachte neue Ideen mit, ich habe ihm gleich eine Führungsposition angeboten." Ein gesunder Altersmix aus jüngeren und älteren Beschäftigten sei für einen Hotelbetrieb optimal.
Bis zur Rente
Poussin ist froh, einen Arbeitgeber gefunden zu haben, wo er "bis zur Rente bleiben kann". "Ich habe schon in vielen Häusern gearbeitet und suchte keine neuen Herausforderungen mehr, sondern etwas Geregeltes." Viele Hotels, denen er eine Bewerbung geschickt habe, hätten sich gar nicht erst gemeldet. "Wegen des Alters", vermutet Poussin, denn an den Gehaltsvorstellungen kann es nicht gelegen sein. "Geld ist mir nicht so wichtig, ich wollte geregelte Arbeitszeiten und einen festen Arbeitsplatz", sagt Poussin.
Das Vorurteil, Ältere seien häufiger im Krankenstand, weist Greiderer entschieden zurück: Das Gegenteil sei der Fall. "Außerdem möchte ich nicht ständig neue Leute suchen und sie einschulen müssen."
Das sieht auch Ingeborg Seitz vom Austria Classic Hotel Wien so. Die Hotelchefin entschied sich erst kürzlich unter vielen Bewerbern für einen 60-jährigen Nachtportier und schwärmt: "Er ist noch ein Portier vom alten Schlag, mehrsprachig und ein echter Profi." Unter jungen Bewerbern gute Leute zu finden, werde hingegen immer schwieriger. "Die einen wollen nachts gar nicht arbeiten, die anderen sehen die Stelle nur als vorübergehend an." Seitz, die viele Stammgäste hat, kann sich vorstellen, noch weitere "alte Hasen" einzustellen.
Reifere Gäste
Den arrivierten Vier- und Fünf-Sterne-Häusern kommt zugute, dass immer mehr Gäste im reiferen Alter sind und auf einen gewissen Komfort Wert legen. Und diese Altersgruppe hat auch die Kaufkraft, für Qualität zu zahlen, was wiederum bessere Gehälter leistbar macht. Die Hoteliersvereinigung (ÖHV) wirbt daher mit einer eigenen "Best-Ager"-Kampagne für die Einstellung von über 50-Jährigen. "Wir haben knapp 100 Hotels, die gezielt Mitarbeiter mit Erfahrung suchen und zu Konditionen einstellen, die auf ihre Anforderungen abgestimmt sind", berichtet ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer.
AMS-Förderungen
Wie wichtig solche Initiativen sind, zeigt die aktuelle AMS-Statistik. Im Februar stieg die Zahl der Arbeitslosen über 50 Jahre um 20 Prozent auf 91.000 Betroffene. Binnen fünf Jahren gab es sogar einen Anstieg um 50 (!) Prozent, während die Situation bei den Jugendlichen demografiebedingt eher stagniert. Durch die Reform bei der Invaliditätspension ist in den nächsten Monaten noch mit einer Verschärfung der Lage zu rechnen.
Das AMS versucht vor allem, mit Lohnsubvention (Eingliederungsbeihilfen) das Job-Comeback zu erleichtern. Für heuer und 2015 stehen dafür jeweils 100 Millionen Euro zur Verfügung. Damit können 20.000 Personen gefördert werden.
Nach zunehmender Kritik an zum Teil unnützen Kursen setzt das AMS verstärkt auf individuelle Betreuung. "Es geht uns um intensivere Einzelberatung, um für jeden Betroffenen das passende Angebot zu finden", sagt AMS-Wien-Chefin Petra Draxl zum KURIER. Damit Arbeitslose nicht von einer zur anderen Einrichtung hin- und hergeschickt werden, soll es ab Herbst ein eigenes Kompetenzzentrum für die Zielgruppe 50plus geben.
Der heimische Öl- und Gaskonzern OMV startet die zweite Runde der Aktion "Technikqueens" und hat dieses Mal auch den Siemens-Konzern zum Mitmachen gewonnen.
Gesucht werden junge Frauen, die sich für einen Technik-Beruf begeistern können. Die Interessentinnen müssen sich unter www.technikqueen.at online registrieren und Aufgaben im Bereich neue Technologien, Energie und Mobilität lösen. In mehreren Runden werden dann die Besten ausgewählt.
An der ersten Technikqueen-Aktion haben sich mehr als 1000 junge Frauen beteiligt. OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss will damit den Anteil der Frauen in technischen Berufen erhöhen. 90 Prozent der heimischen Industrieunternehmen hätten Schwierigkeiten, technische Fachkräfte zu finden, betont er. Nur 15 Prozent aller Techniker in Österreich seien Frauen. Damit liege Österreich deutlich hinter osteuropäischen Staaten. Die OMV sucht weltweit mehr als 1000 TechnikerInnen.