Wirtschaft

Wird Arbeitslosigkeit importiert?

Ist die Arbeitslosigkeit in Österreich importiert? Nach der FPÖ, die seit jeher vor einer Überfremdung des heimischen Arbeitsmarktes warnt, will jetzt auch die Arbeiterkammer den ungehinderten Zuzug von Arbeitskräften aus den neuen EU-Ländern bremsen. Der scheidende AK-Direktor Werner Muhm fordert in der Kronen Zeitung erstmals unverhohlen, die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU zu befristen oder einzuschränken. Die offenen Grenzen hätten am Arbeitsmarkt zu einem Verdrängungseffekt und damit zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Die aktuell hohe Arbeitslosigkeit sei daher „in hohem Maße importiert“, meint Muhm.

Applaus von rechts war dem Gewerkschafter mit dieser Aussage ebenso sicher wie die scharfe Kritik vom Wirtschaftsflügel. Die FPÖ will schon übernächste Woche im Parlament einen Antrag für eine sektorale Schließung des Arbeitsmarktes stellen und hofft auf Unterstützung der SPÖ.

Die Industriellenvereinigung (IV) weist die Forderung scharf zurück. Die hohe Arbeitslosenzahl in Österreich sei „nahezu vollständig hausgemacht“, sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Er verweist darauf, dass die Beschäftigung bei Nicht-Österreichern weit stärker steigt als bei Österreichern und führt dies schlicht auf fehlende Qualifikationen zurück.

Die Fakten

Und die Fakten? Tatsächlich stieg die Zahl der beschäftigten Ausländer in Österreich seit der Ost-Öffnung weit stärker als in den übrigen EU-Ländern, insbesondere in Wien. Aktuell haben in Wien rund 28 Prozent aller unselbstständig Beschäfigten eine ausländischen Pass, vor fünf Jahren waren es 21 Prozent. Steigt die Beschäftigung, steigt auch die Arbeitslosigkeit. Bei den Wiener Arbeitslosen beträgt der Ausländeranteil rund 40 Prozent, 2010 waren es 30 Prozent.

Aussagekräftiger für den Arbeitsmarkt sind wegen der saisonalen Schwankungen die Jahreswerte. Nach aktuellen Daten des Hauptverbandes stieg im Jahresschnitt 2015 die Ausländerbeschäftigung um 4,5 Prozent auf 615.000, jene der Inländer nur um 0,2 Prozent auf 2,919 Millionen. Die Arbeitslosigkeit stieg bei Ausländern um 19 Prozent auf 96.000, bei Inländern um 8 Prozent auf 257.000.

Rumänen und Bulgaren Anfang 2014 öffnete Österreich nach Ablauf der EU-Übergangsfristen den Arbeitsmarkt für Rumänen und Bulgaren. Die Regierung rechneten damals mit jährlich 5500 zusätzlichen Arbeitskräften - gekommen sind aber mehr. Im Jahresschnitt 2015 waren knapp 47.000 Bulgaren und Rumänen am Arbeitsmarkt tätig, 7500 waren arbeitslos. Nicht mitgerechnet sind in dieser Statistik geschätzte 25.000 selbstständige Personenbetreuerinnen, die in der 24-Stunden-Pflege tätig sind.

Unvermindert groß ist die Arbeits-Zuwanderung aus Ungarn, deren Beschäftigten-Zahl im Vorjahr um 9 Prozent auf 71.000 geklettert ist. Stärkste Ausländer-Gruppe bleiben jedoch die Deutschen mit 90.000 Beschäftigten.

Arbeitslose Ausländer Die Arbeitslosenquote bei Ausländern war im Vorjahr mit 13,5 Prozent deutlich höher als die allgemeine mit 9,1 Prozent. Am höchsten war sie laut Hauptverbands-Daten bei Serben (35 Prozent), Türken (19,8 Prozent), Kroaten (18,1 Prozent), Bosniern (15,7 Prozent), Rumänen (13,6 Prozent) und Polen (13,5 Prozent). Deutsche und Ungarn weisen hingegen eine unterdurchschnittliche Quote auf.

Lohndumping

Am Bau sorgt Lohn- und Sozialdumping durch ausländische Firmen, die Billig-Personal nach Österreich entsenden, auch Jahre nach der Ost-Öffnung immer wieder für Probleme. In Ungarn etwa liege der Stundenlohn im Handwerksgewerbe bei nicht einmal 4 Euro, in Österreich bei mehr als 13 Euro, schildert der steirische Bauinnungsmeister Alexander Pongratz am Freitag der APA.

Er kennt die Tricks ausländischer Unternehmen: „Gearbeitet wird bei uns, aber verrechnet wird in Slowenien.“ Oftmals seien die Mitarbeiter der Firmen gar keine Slowenen, sondern EU-Ausländer, die in Slowenien leichter eine Arbeitsbewilligung bekommen als in Österreich. Auch bei den Stunden werde gerne getrickst: „Der Arbeiter ist für neun Stunden pro Tag gemeldet, ist aber 15 Stunden auf der Baustelle“, so Pongratz. Die Finanzpolizei und die Wirtschaftskammer führen derzeit eine "Aktion scharf" gegen Lohndumping auf steirischen Baustellen durch.