Wirtschaft

David Woods: "Komme von dunkler Seite der Finanz"

KURIER: Herr Woods. Sie haben viele Jahre als Investmentbanker gearbeitet. Seit Jänner sind Sie Chef der Oikocredit, die mit Mini-Krediten die Ärmsten der Welt unterstützt. Was empfinden Sie als den größten Unterschied zwischen diesen beiden Finanz-Welten?

David Woods: Der größte Unterschied ist, dass für die Menschen, die bei Oikocredit arbeiten, Geld nicht der wichtigste Antrieb ist. Und den zweiten großen Unterschied sehe ich bei meinen Geschäftsreisen. Früher war das: Flughafen, Hotel, Büro und jetzt ist es: Flughafen, Hotel, Fischereiprojekt oder der Besuch von Bäuerinnen.

Würden Sie sagen, dass die Art der Finanz, wie sie Oikocredit betreibt, weniger krisenanfällig ist?

Definitiv. Wenn Sie 15 Jahren zurückblicken, können Sie erkennen, wie rasch der internationale Finanzsektor gewachsen ist, wie viel größer er im Vergleich zur Realwirtschaft wurde. Dass früher oder später etwas passieren würde, war klar. Ich sage immer: Ich komme von der dunklen Seite der Finanz. Oikocredit arbeitet direkt mit der Realwirtschaft.

Warum dunkel?

Eigentlich sage ich das meist per Spaß, vor allem, wenn ich unsere deutschen Kunden besuche. Sie mögen Banken nicht. Und mit dieser Aussage, kann ich den Unterschied zwischen Oikocredit und den üblichen Banken besser erklären.

Nach der Finanzkrise 2008 haben aber auch die Mikrokreditbanken Probleme bekommen. Es gab Berichte über Überschuldung vieler Kunden und auch über Selbstmorde ...

Nach 2008 kam es plötzlich in Mode, dass Anleger Gelder in Mikrokredit-Fonds, die das Geld für Kredite an Arme weiterleiteten, investierten. Es kam zu viel Geld in die armen Regionen. Viele der Berichte in den Medien aber waren sehr übertrieben. Der Anteil der Problem-Kredite an den gesamten Mikrokrediten war und ist sehr klein. Oikocredit schaut sehr genau, wer die Kleinstkredite bekommt, und wir analysieren den Markt regelmäßig.

Hat Oikocredit die Strategie geändert?

Wenn wir sehen, dass in einzelnen Ländern genug Geld aus dem Norden angekommen ist, versuchen wir, das Geschäft an lokale Institute zu übertragen und uns zurückzuziehen. Der Bedarf an Unterstützung ist dann eben geringer. Und wir verändern unseren Schwerpunkt: Anstatt nur Kredite zu vergeben, übernehmen wir Minderheitsbeteiligungen an Projekten, wie z. B. an einer Kokosnussplantage in Ghana oder eine Beleuchtungs-Produktion in Ostafrika.

Versuchen Sie auch, Kleinst-Sparvereine aufzubauen?

Oikocredit hat eine eingeschränkte Banklizenz und darf keine Spargelder hereinnehmen. Wir arbeiten aber z. B. auf den Philippinen mit einem lokalen Finanzinstitut zusammen, das inzwischen sehr erfolgreich Kleinst-Versicherungen verkauft.

Wo sehen Sie Oikocredit in zehn Jahren?

Heute sind 90 Prozent der Gelder, die wir vergeben, Mikroredite und zehn Prozent Kleinst-Beteiligungen an Projekten. Der Beteiligungs-Teil wird viel stärker wachsen und in zehn Jahren daher deutlich mehr als die heutigen zehn Prozent ausmachen. Auch regional wird sich der Schwerpunkt verschieben: Heute haben wir 40 Prozent der Kredite in Lateinamerika. Dieser Anteil wird sinken. Wir werden uns künftig mehr auf Afrika konzentrieren.

Die niederländische Genossenschaftsbank Oikocredit, die international Mikrokredite an Arme vergibt, ist auch bei den Österreichern zunehmend beliebt. 42 Millionen Euro an Kundeneinlagen konnte das Österreich-Büro von Oikocredit im Vorjahr an die Niederländer weiterleiten. Das waren um 34 Prozent mehr als 2011.

Peter Püspök, Chef von Oikocredit Austria, will die Zahl der Kunden von derzeit 3500 in den nächsten Jahren auf 8000 mehr als verdoppeln. Die Anleger erhalten einen Genossenschaftsanteil der mit zwei Prozent stabil verzinst wird. Oikocredit International hat im Vorjahr Projekte mit 530 Millionen Euro finanziert. Seit der Gründung von Oikocredit Anfang der 1970er-Jahre wurden Mikrokredite an 26 Millionen Menschen in armen Ländern vergeben.

Frauenpower

Bei weiten den Großteil der Mikrokredite weltweit bekommen Frauen. 85 Prozent aller Darlehen, die Oikocredit vergibt, erhalten Frauen. „Frauen sind verantwortungsbewusster und hoch motiviert, etwas für ihre Kinder zu erreichen“, sagt Püspök, der früher Chef der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien war, und fügt hinzu: „Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, gründe ich eine Bank nur für Frauen“. Regional gehen 46 Prozent der Kredite nach Lateinamerika.

Die niederländische Genossenschaftsbank vergibt weltweit Darlehen an Mikrokreditprogramme und Genossenschaften. Oft ist es ein 100 Dollar-Kredit, der Armen zur Gründung eines Mini-Imbisses etc. verhilft. Das Geld erhält die Bank von Kunden, die einen Genossenschaftsanteil zeichnen und dafür zwei Prozent Verzinsung erhalten. Die Mindesteinlage beträgt 200 Euro. Interessierte Anleger können auf www.oikocredit.at das Formular herunterladen, ausfüllen, an Oikocredit Österreich senden und das Geld überweisen