Wirtschaft

Das große Bauen für Putin

Das Mutterschiff ist gelandet: Die futuristische Krestowskij-Fußballarena von Sankt Petersburg wirkt wie aus einer anderen Welt. Ein auf Säulen stehendes Monster aus Stahl, das alle Stückeln spielt. Die Dachkonstruktion so schwer wie 473 russische Kampfpanzer; darauf eine imposante, verschließbare Kuppel. Weil im geschlossenen Raum der Rasen schlecht wächst, befindet sich das gesamte Spielfeld nicht im, sondern vor dem Stadion und wird für jedes Fußballmatch über eine Stahlkonstruktion extra in die Arena hereingeschoben.

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"Ein Meisterwerk der Technik", schwärmt der russische Guide, der Mitglieder des österreichischen Stahlbauverbandes nach langen Verhandlungen doch noch durch die streng abgeriegelte Großbaustelle schleust. Der KURIER schloss sich dem Rundgang an. Der mobile Rasen ist bereits fertig, die 65.000 blitzblauen Sitzstühle sind ebenfalls schon angeschraubt, der zweite Teil der Dachkuppel wird gerade angebracht. "Bis Jahresende werden wir fertig sein", betont der Guide. "So lautet der Plan", fügt er hinzu.

Verzögerungen

Die Zeit drängt, denn bald ist Winter und 2017 sollen schon die ersten Spiele im Zuge des FIFA-Confederations-Cup im neuen Superstadion stattfinden, 2018 dann Spiele der Fußball-WM. Doch Zeit- und Finanzplan sind bei dem Projekt, das Russlands Präsident Wladimir Putin zur "nationalen Angelegenheit" erklärte, längst aus dem Ruder gelaufen. Seit beinahe zehn Jahren schon wird gebaut, die für 2009 geplante Eröffnung wurde zig-mal verschoben.

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Als Russland 2010 den Zuschlag zur WM 2018 erhielt, wurde die Arena kurzerhand umgeplant und die Kapazität erweitert. Ursprünglich um rund 190 Millionen Euro geplant, werden die Gesamtkosten inzwischen auf gut eine Milliarde Euro geschätzt. Das wäre der bisher teuerste Stadionbau in Europa. Der Guide spricht offiziell von rund einer halben Milliarde Euro Baukosten.

Stadt muss sparen

Nach Absturz des Ölpreises und Ausstieg des Hauptsponsors Gazprom drohte dem Prestigebau das Geld auszugehen. Um den Weiterbau zu finanzieren , musste die Stadt laut Spiegel-Informationen die Sozialausgaben kürzen und strich die Budgets für Schulen, Kindergärten und Spitäler zusammen.

Lakhta Center

Rechtzeitig zum Ankick der WM 2018, wenn die Welt auf Russland blickt, muss auch ein weiteres, umstrittenes Statussymbol fertig sein: Das Lakhta Mehrzweck-Zentrum mit seinem 462 Meter hohen "Gazprom-Turm", der neuen Firmenzentrale des staatlichen Ölkonzerns. Weil der Wolkenkratzer so gar nicht ins historische Zentrum der Zarenstadt passte, wurde er nach Bürgerprotesten weit an den Stadtrand auf eine Insel verbannt.

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Nur von der Ferne und vom Wasser aus dürfen die Besucher aus Österreich die derzeit größte Baustelle Russlands besichtigen. 50.000 Tonnen Stahl werden dort in insgesamt vier Gebäuden verbaut. Im Zentrum schraubt sich der höchste Turm Europas entlang von drei riesigen Turmdrehkränen in die Höhe. Bei den starken Windböen, die vom Meer aufs Festland wehen, eine heikle Sache.

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Generalunternehmer bei Lakhta ist die türkische Renaissance Construction, die auch während der Eiszeit zwischen Russland und der Türkei im Vorjahr unbehelligt weiterbauen durfte. Auch eine österreichische Firma ist beteiligt: Stahl-Glas-Technik-Spezialist Waagner-Biro errichtet im Mehrzweckbau ein Planetarium. Nicht der erste Auftrag des heimischen Stahlbauers, der auch bei der architektonisch imposanten Umgestaltung des Mariinski Theaters mitwirkte. Eine 35 Meter lange Glastreppe im Foyer lässt dort die Theaterbesucher geradezu zwischen den Stockwerken schweben.

Hinweis: Der KURIER war auf Einladung des Österr. Stahlbauverbandes in St. Petersburg.

Neue Stadien, neue Türme, neue Brücken: Sankt Petersburg bietet alles, was österreichische Stahlbaufirmen begehren. Diese genießen einen hervorragenden Ruf in Russland, allein die Aufträge fehlen. Selbst etablierte Unternehmen wie Waagner Biro (siehe Artikel oben) klagen über herbe Geschäftsrückgänge.

Zwar ist die Baubranche von den verhängten EU-Sanktionen nicht direkt betroffen, von der dadurch ausgelösten anti-westlichen Stimmung im Land aber sehr wohl. Es werde nur das im Ausland besorgt, was partout nicht im Inland zu bekommen ist, erzählen Vertreter heimischer Firmen. Anders als bei Olympia in Sotschi, wo viele ausländische Firmen die Infrastruktur mitbauten, bekommen für die Fußball-WM russische Firmen den Vorzug. „Vor den Sanktionen haben wir viel im Ausland gekauft, jetzt müssen wir uns eben wieder mehr selbst helfen“, bestätigt ein Vertreter des russischen Stahlbauverbandes. Die anhaltende Wirtschaftskrise und der schwache Rubel verschärfen die Situation noch.

Kein Wunder, dass bei einem Business Forum in St. Petersburg der Ruf nach Aufhebung der Sanktionen laut wurde – von beiden Seiten. „Die Sanktionen sind falsch, weil nur wir Exporteure darunter leiden“, klagt etwa Peter Zeman, Chef des Wiener Stahlbauunternehmens Zeman & Co. Österreich sei als Land für Stahlbauer zu klein, daher müsse man im Export reüssieren. „Die Politik hat den Markt beschädigt, jetzt muss sie ihn reparieren“, fordert er eine stärkere Präsenz österreichischer Regierungsmitglieder in Russland. Im Vorjahr sind Österreichs Exporte nach Russland um 38 Prozent eingebrochen, für heuer wird ein weiteres zweistelliges Minus erwartet.