Coronavirus: Tourismus steht vor Trümmern der Sommersaison
Die Coronakrise stellt auch den gesamten heimischen Tourismus unter Quarantäne. Angesichts der internationalen Reisewarnungen ist das Land auf sich selbst zurückgeworfen. Das Geschäft für die heurige Sommersaison bricht größtenteils weg. "Das hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben", sagte der Sprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Martin Stanits, am Mittwoch zur APA.
In den Sommermonaten 2019 wurden 70 Prozent der insgesamt 79 Millionen Nächtigungen in den heimischen Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen von Touristen aus dem Ausland gebucht, nur 30 Prozent stammten von Urlaubern aus Österreich. Dass heuer Ferien in der Heimat vieles retten können, gilt als unwahrscheinlich. "Man sieht schon, das geht sich nicht aus", räumte auch die Chefin der nationalen Tourismusmarketing-Agentur Österreich Werbung (ÖW), Petra Stolba, im Gespräch mit der APA ein.
Hinzu komme, dass auch etwa die Hälfte der Fachkräfte in der Branche aus dem Ausland stammten. "Derzeit kann man ja nur mit dem Inlandspersonal arbeiten", sagt Stolba. Die Rahmenbedingungen für die Tourismusbetriebe seien "sicher eine Herausforderung". "Ob hier alle offen haben können, wird sich herausstellen", fügte die ÖW-Chefin hinzu. Von der Coronavirus-Krise sei die Branche "als erste flächendeckend betroffen" gewesen. "Das Hochfahren wird entsprechend schwierig."
Ausschlaggebend sei, wann und unter welchen Voraussetzungen der Tourismus nach der Krise wieder hochgefahren werden könne, betonte auch die Obfrau der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich, Petra Nocker-Schwarzenbacher, gegenüber der APA. "Trotz erster positiver Trends und Prognosen kann das heute niemand sagen."
Die Tourismusbetriebe hätten sofort reagiert und etwa Stornofristen verkürzt oder zur Gänze auf Null gesetzt. "Daher gehen wir davon aus, dass längerfristige Buchungen vorerst beibehalten werden und natürlich hoffen wir, dass die Nachfrage der heimischen Gäste anziehen wird", so die Branchensprecherin. Diese würden aber "niemals die ausländischen Herkunftsmärkte kompensieren können". Denn diese machten über das gesamte Tourismusjahr gerechnet drei Viertel aller Nächtigungen aus. Unterm Strich erwartet sie für den Sommer für ganz Österreich "einen markanten Rückgang und spürbare Einschnitte" für die gesamte Tourismus- und Freizeitwirtschaft.
Zum Stufenplan der Regierung, den Tourismusministerin Elisabeth Köstinger Mittwochvormittag in einer Pressekonferenz mit Außenminister Alexander Schallenberg für das Hochfahren der Branche avisierte, gibt es laut ÖW-Chefin Stolba "keine Alternative". "Die Alternative wäre ja zu warten, bis es eine Corona-Impfung gibt." Damit sei aber Experten zufolge frühestens im ersten Quartal 2021 zu rechnen. Das ist zu lang für die Branche.
Denn es sind schon allein die wirtschaftlichen Überlebenschancen über diesen Sommer spürbar geschwächt. "Das kann man überhaupt noch nicht sagen, wie sich das entwickeln wird", meinte auch die ÖW-Chefin. "Der Tourismus ist ganz sicher eine der am heftigsten gebeutelten Branchen."
Die ersten Prognosen des Tourismusexperten Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), die einen Nächtigungsrückgang von 24 bis 31 Prozent in Aussicht stellen, halten Branchenkenner jedenfalls für recht "optimistisch".
Bei der ÖHV, welche die Vier- und Fünf-Sterne-Hotellerie vertritt, geht man von einem Umsatzrückgang von "im besten Fall 40 bis 60 Prozent" aus. Selbst wenn die Bundesregierung den Tourismusbetrieben ein Viertel der Fixkosten abnimmt, wird das nicht reichen: "Das wird sich in keinem Hotel ausgehen", befürchtet ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer. Kein Hotel könne überleben, wenn es bei 50 Prozent Umsatzrückgang 25 Prozent der Fixkosten erstattet bekomme.
"Wenn jetzt die Umsätze in großem Stil für den Rest des Jahres ausfallen, kannst du im Winter auch keine gestundeten Kosten zurückzahlen", gab die ÖHV-Chefin, die selbst ein Hotel in Wien führt, zu bedenken.
In vier von zehn Hotels der gehobenen Kategorie gebe es Einbußen von über 50 Prozent, einen Umsatzverlust von im Durchschnitt 700.000 Euro seit dem Ausbruch von Covid-19 in Österreich, umriss Reitterer die aktuelle Situation. 36 Prozent der Buchungen für den Sommer seien storniert worden und es sei kein Ende in Sicht. "Da gehen selbst finanziell fitte Betriebe über kurz oder lang in die Knie."
Es wären rasch effektive Maßnahmen nötig, um die Branche über den Sommer zu retten: "Da braucht es deutlich mehr als alles, was wir bisher gesehen haben", wünscht sich Reitterer neben "der besten und größten Kampagne für Urlaub in Österreich, die wir jemals gesehen haben", auch zusätzliche Kaufanreize wie etwa einen einmaligen Urlaubszuschuss für Kurzarbeiter. Denn viele Menschen werden sich nach den Einkommensverlusten durch die Krise ihrer Meinung nach keinen Urlaub leisten können. Außergewöhnliche Zeiten erforderten außergewöhnliche Maßnahmen.
Derzeit gilt aufgrund der Coronakrise für weltweit 24 Staaten eine Reisewarnung. Und: "Wir müssen davon ausgehen, dass noch weitere Staaten dazukommen", sagte Schallenberg Mittwochvormittag. "Wir befinden uns noch voll und mitten in der Coronakrise." Eine Lockerung der derzeitigen Reisebeschränkungen sei "verfrüht" und berge die Gefahr einer zweiten Welle an Infektionen.
"Es wird ein Leben nach Corona geben und es wird einen Tourismus nach Corona geben", richtete ÖW-Geschäftsführerin Stolba den Blick in die weitere Zukunft. Wie viele Betriebe das in der bisher gewohnten Form mittragen können, ist derzeit aber noch vollkommen offen.