Wirtschaft

Compliance: "Firmen bekommen kalte Füße"

Was ist Firmen noch erlaubt? Wo endet der rechtliche (und ethische) Spielraum? Die Reform des Korruptionsstrafrechts hat auch zahlreiche privatwirtschaftliche Betriebe dazu gebracht, ihre internen Verhaltensregeln (Compliance) freiwillig anzupassen. Besonders unangenehme Folgen hat das neue Gesetz aber für die Veranstalter von Sport- und Kulturevents. Denn viele Großkonzerne hüten sich neuerdings davor, Kartenkontingente in großem Umfang zu kaufen, um Geschäftskunden einzuladen.

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„Das wirkliche Problem ist nicht das Gesetz für Amtsträger, sondern dass Firmen immer strengere Regeln einführen“, sagt Event-Veranstalter Hannes Jagerhofer.

Beim Beachvolleyball in Klagenfurt hätten früher Konzerne Kontingente mit 80 bis 100 Karten gekauft. Mittlerweile liege der Durchschnitt bei acht bis zehn Karten. Wegen der Compliance-Vorschriften seien die Kartenverkäufe im Vorjahr um 18 Prozent eingebrochen. „Heuer konnten wir das Vorjahresniveau halten. Auch weil sich bei dem Wetter viele privat kurzfristig Karten gekauft haben“, sagt er. Die Zeiten der B2B-Termine bei Events seien aber definitiv vorbei.

Umdenken findet statt

Für den Hauptsponsor beim Turnier in Klagenfurt, die teilstaatliche Telekom Austria, hat sich die neue rechtliche Lage bei der Weitergabe von VIP-Packages an Kunden ebenfalls bemerkbar gemacht. „Wir haben alle Karten an den Mann gebracht. Aber es gibt hier schon ein Umdenken. Insbesondere Amtsträger sind vorsichtiger geworden“, sagt Telekom-Sprecher Peter Schiefer. Bei der Telekom wurde betriebsintern – dem Gesetz entsprechend – mit einer 100-Euro-Höchstgrenze für Mitarbeiter bei der Annahme von Einladungen reagiert. Ebenso verhält es sich bei der Österreichischen Volksbanken AG.

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Der Ausstieg der Volksbanken als Beachvolleyball-Sponsor stehe nicht in Verbindung mit der Gesetzesänderung: „Ausschlaggebend dafür, dass wir den Vertrag nicht verlängert haben, waren einerseits strategische Gründe und andererseits die Werbewerte“, erklärt Helmut Wurian, Leiter des Volksbank Verbundmarketings.

Auch Swatch hat seine Compliance-Vorschriften verschärft, Einladungen etwa zu den Salzburger Festspielen dürfen nicht mehr angenommen werden. „Wenn wir zu Veranstaltungen einladen, bekommen speziell Vertreter großer Firmen kalte Füße“, sagt Swatch-Österreich-Vorstand Rudi Semrad.

„Kein Anstand mehr“

Das hätte dazu geführt, dass manche Events bereits kleiner dimensioniert wurden und immer mehr firmeneigene Leute auf der Gästeliste stehen, sagt er.

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Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele, kritisiert die neue Richtlinie als überzogen: „Ich empfinde es als bedenklich, wenn jede Einladung unter den Generalverdacht der Anfütterung gestellt wird. Wir leben leider in einer Zeit, in der man die Compliance erfinden hat müssen, weil es den Anstand nicht mehr gibt.“

Probleme, höherpreisige Tickets zu verkaufen, gebe es dennoch nicht. Es würden aber zunehmend Einzelpersonen derartige Karten erwerben. Rabl-Stadler: „Die Festspiele werden damit gut umgehen können und unsere Sponsoren haben offensichtlich auch ihre Konsequenz daraus gezogen und sind halt noch penibler geworden.“ Schwierigkeiten mit der Rechtslage sehe sie eher für Sportvereine und regionale Kulturanbieter.

Freikarten für Sponsoren gebe es bei den Festspielen generell nicht, lediglich ein Vorkaufsrecht. Bei Hauptsponsor Siemens müssen die Kunden ihre Karten mittlerweile selbst zahlen. Vor der Gesetzesänderung wurde den Abnehmern freigestellt, ob sie sich einladen lassen oder die Kosten selbst tragen, sagt Siemens-Sprecher Gerald Kastner. Die Sinnhaftigkeit des Engagements bei den Festspielen werde aber nicht in Frage gestellt.

Redaktionelle Mitarbeit: Thomas Sendlhofer

Seit 1. Jänner ist das überarbeitete Korruptionsstrafrecht in Kraft. Unterschieden wird zwischen öffentlichen Amtsträgern und Privatbediensteten. Strafbar ist im Wesentlichen Angebot oder Annahme von „ungebührlichen Vorteilen“. Differenziert wird zwischen aktiver und passiver Korruption.

Erweitert wurde etwa der Begriff des Amtsträgers. Nicht nur mehr Abgeordnete politischer Institutionen, sondern auch Bedienstete staatlicher sowie staatsnaher Betriebe und Verbände (50 Prozent Teilhabe der öffentlichen Hand oder vom Rechnungshof überprüft) gelten nunmehr als Amtsträger.

Ebenso neu geregelt wurde die Beeinflussung von Amtsträgern, das sogenannte „Anfüttern“. Straffällig ist nicht mehr erst der Abschluss eines pflichtwidrigen Amtsgeschäfts, sondern bereits die wohlwollende Behandlung. Straffrei bleiben hingegen Vorteilsannahmen zu gemeinnützigen Zwecken und „geringfügige Vorteile“ bis zu einem Sachwert von 100 Euro – allerdings nur, wenn nicht gewerbsmäßig gehandelt wird.

Das Strafausmaß richtet sich nach der Höhe des gegebenen oder in Anspruch genommenen (ungebührlichen) Vorteils. Dabei werden Delikte bis 3000 Euro, zwischen 3000 und 50.000 Euro und über 50.000 Euro Vorteilshöhe unterschieden. Die Höchststrafe beträgt im privaten Sektor fünf, im öffentlichen Bereich zehn Jahre Freiheitsstrafe.