China: "Frühlingsrolle" am Skihang
Von Simone Hoepke
Wörtlich übersetzt wird in China nicht "Ski gefahren" sondern "Schnee gerutscht". Für viele chinesische Neo-Wintersportler ist dieser Ausdruck – noch – treffend.
"Sie fahren auf die Bergstation, ohne jemals auf den Brettern gestanden zu sein", schüttelt Raymond R. Tait, Verkaufsmanager von Secret Garden, den Kopf. "Dann fallen sie zwanzig Mal hin und kommen nie wieder", sagt der gebürtige Australier, der vor einem halben Jahr geholt wurde, um mehr Leute auf die Piste zu bringen. Tait hat diese Saison die Liftpreise halbiert. Er geht "auf Masse". Damit bringt er Konkurrenten unter Druck, deren Lifte nicht so modern sind wie seine, die erst seit 2012 in Betrieb sind. 1996 gab es neun Skigebiete in China, heute sind es rund 400.
Bilder: Eindrücke aus "Secret Garden"
Moden und Fakes
Skifahren kommt bei der aufstrebenden chinesischen Mittelschicht in Mode. Die neuen Wintersportler werden verwöhnter. Sie wollen schnelle Anlagen, Sitzheizung inklusive. So kann auch Doppelmayr verstärkt Fuß fassen. Der Markt war in China bisher von chinesischen Billigproduzenten dominiert. Rund 70 Doppelmayr-Anlagen gibt es derzeit in China. Dass der Vorarlberger Seilbahnbauer sich im Land der Mitte einen Namen gemacht hat, zeigt auch die Zahl gefälschter Doppelmayr-Anlagen: Rund 140, schätzen Branchenkenner. Oft allerdings so schlecht kopiert, das selbst der Name falsch geschrieben sei.
Bei der Planung von Pistenkilometern und Skiressorts bringt sich die österreichische Firma Masterconcept in Stellung. Mitunter würden Investoren Beträge jenseits der Milliarden-Grenze in die Hand nehmen, um Berge zu bespielen, die bei uns nur als Hügel belächelt werden würden, heißt es. Der Schnee auf den Pisten kommt oft noch aus alten Schneekanonen. Nicht nur aus Spargründen. Auch weil es zu wenig gute Techniker gibt, die mit den vollautomatischen Maschinen umgehen können, sagen Manager des Südtiroler Beschneiungsspezialisten Techno-Alpin.
Jedenfalls müssten sich Hoteliers auf chinesische Sitten einstellen. "Da geht es um Kleinigkeiten wie einen Wasserkocher am Zimmer zum Teekochen oder Reis zum Frühstück", weiß Oskar Andesner, Wirtschaftsdelegierter in Peking.
Der Steirer Steve Zdarsky ist vor 13 Jahren als Student nach Peking gekommen und bezeichnet sich als "halben Chinesen". Er zeigt auf seine rote Kappe. "Die trage ich heuer, weil wir in China das Jahr des Pferdes haben und ich im Jahr des Pferdes geboren bin. Da sollte man immer etwas Rotes bei sich haben, um böse Geister abzuhalten."
Sich an die chinesische Kultur anzupassen, ist geschäftlich eine gute Strategie. Zdarsky organisiert das größte Snowboard-Event Chinas und hat Red Bull als Sponsor gewonnen. "Red Bull China, nicht Mateschitz", betont er und streicht heraus, dass das Event im chinesischen Fernsehen übertragen wird. "Zur teuersten Sendezeit, während des Chinesischen Neujahrs."
Um finanziell über die Runden zu kommen, hat der Steirer einst reichen Chinesen im Nanshan-Skigebiet, rund eine Autostunde von Peking entfernt, das Skifahren und Snowboarden beigebracht. Mit Österreichs Skigebieten sei Nanshan nicht vergleichbar. Nicht nur weil der Smog, der derzeit über Peking hängt, die Sicht empfindlich einschränkt. Es wird auch Eintritt zum Skigebiet kassiert. Zdarsky: "Manche kommen ja nur, um eine Schneeballschlacht zu machen." Der Schnee kommt praktisch ausschließlich aus Schneekanonen. "Wir haben hier ein kalt-trockenes Klima. Das ist super, weil die Pisten nicht eisig werden", findet Zdarsky.