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Warum aus dem Traum vom Bestseller oft nichts wird

Joanne K. Rowling spielt in einer eignen Liga: 400 Millionen Harry Potter Bücher hat die Britin verkauft, eine Milliarde Dollar haben ihr die Zauberlehrling-Romane aufs Konto gespült. So viel, hat vor ihr noch kein Buchautor verdient.

Für die meisten bleibt das Schreiben ein brotloser Job. "In Österreich können zwischen 200 und 500 Menschen vom Schreiben leben", schätzt Gerhard Ruiss von der IG Autoren. Allerdings nicht vom Bücherschreiben allein. Sie sind etwa Werbetexter, verfassen nebenbei Sachbücher, beliefern Magazine, verfassen unter einem Pseudonym Romane. Oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

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"Das beste Buch ist nichts wert, wenn es nicht entsprechend präsentiert wird", sagt Ruiss. Sprich: Der Verlag muss an das Buch glauben und es bestenfalls mit entsprechendem Werbedruck in die Regale drücken. Die Realität: Verleger konzentrieren sich werbemäßig auf nur wenige Bücher pro Saison.

Wer glaubt, dass ein Autor schon fürs Schreiben allein Geld kassiert, irrt. Kaum ein Verlag bezahlt seine Autoren im Voraus. Das typische Honorarmodell sieht eine Beteiligung am Verkaufserfolg vor. Das Erfolgshonorar liegt in der Regel bei zehn Prozent des Verkaufspreises, also 2 Euro bei einem Buchpreis von 20 Euro. Wer 5000 Bücher verkauft – und das schafft kaum jemand – bekommt also 10.000 Euro brutto Honorar. Nach Abzug von Steuern und Versicherungen bleibt – gemessen am zeitlichen Aufwand – nicht mehr viel am Konto.

Standard: 45 Absagen

Trotzdem stehen Möchtegern-Autoren bei Verlagen Schlange. Bei deutschen Verlagshäusern trudeln jede Woche Dutzende Manuskripte ein. Die wenigsten von ihnen werden irgendwann zwischen zwei Buchdeckel gepresst. Gleichzeitig schicken zahlreiche deutsche Verleger Trend-Scouts aus, die nach Erfolg versprechenden Themen und Autoren suchen. Bei österreichischen Verlagen sind solche Scouts noch unüblich. "Wir suchen selbst", sagt Carmen Sippl vom Amalthea-Verlag. Sie rät angehenden Autoren, sich genau zu überlegen, an welchen Verlag sie sich wenden. Sprich: Recherchieren, welcher Verleger sich mit welchen Themen beschäftigt, also in welches Programm das eigene Buch passt. Zumindest aus der Sicht des Autors. Dieser muss sich ohnehin auf eine Reihe von Absagen einstellen. "45 Absagen sind ganz normal", findet Branchenkenner Ruiss.

Im Eigenverlag

Viele versuchen ihr Glück im Eigenverlag. Bei Erika Leonard, die unter dem Pseudonym E. L. James "50 Shades of Grey" verfasst hat, ist die Rechnung offenbar aufgegangen. In der Branche werden solche Erfolgsstorys – vom No-Name zum Star-Autor – gerne in den Bereich der Legendenbildung verbannt. Die wenigsten Erfolge würden zufällig passieren, es stecke viel Aufbauarbeit, auch Legendenbildung dahinter. Aus wirtschaftlicher Sicht sind übrigens Bücher interessant, die Zweitverwertungen versprechen – etwa ein Kinofilm, wie auch bei 50 Shades of Grey.

Wer es ins Verlagsprogramm schafft, hat noch lange kein Ticket in den Bestsellerhimmel. Allein 2016 drängten 90.000 Neuerscheinungen in den deutschsprachigen Markt, davon 30.000 im Bereich Belletristik. Gerhard Ruiss: "Seit den 1980er-Jahren hat sich die Zahl der Neuerscheinungen fast verdoppelt."

Auch der Zeitdruck steigt. Gaben Buchhändler den Titeln früher bis zu vier Saisonen Zeit, Leser zu finden, so ist es heuer oft nicht einmal eine Saison. In der Pipeline sind schließlich Tausende andere Titel.

Bernhard Aichner ist einer der wenigen Österreicher, die vom Bücherschreiben leben können. Mit seinem Thriller Totenfrau, war der Innsbrucker monatelang in den Bestsellerlisten. Der Roman erschien in 16 Ländern, auch in den USA, und dient derzeit als Filmvorlage. Vor seinem Durchbruch als Buchautor war der heute 44-Jährige vor allem als Fotograf tätig, arbeitete aber immer nebenbei an seiner Karriere als Buchautor.

KURIER: Wie viele Verleger haben Ihre Manuskripte vor Ihrem Durchbruch abgelehnt?
Bernhard Aichner:
Ich hatte Glück. Ich habe mein Buch einem Lektor in einer Bar auf den Tresen gelegt und er hat es genommen. Der große Erfolg ist es nicht geworden. Die neun Erzählungen sind unter dem Titel Babalon erschienen. Das Buch hat sich rund 200-mal verkauft.

Ihre Krimis Totenfrau und Totenhaus haben sich allein im deutschsprachigen Raum 250.000-mal verkauft. Mittlerweile vertreibt der Verlagsriese Random House Ihre Bücher. Ist Österreich zu klein für Sie?
Meine ersten sieben Bücher sind im österreichischen Haymon Verlag erscheinen. Um aber von seinen Büchern leben zu können, braucht man leider die großen deutschen Publikumsverlage und ihre Vertriebswege. Das ist das Drama der österreichischen Verlage – sie bauen Autoren auf und dann gehen die Autoren zu den großen deutschen Verlagen. Zu Random House gehören 46 Verlage in Deutschland.

Ist ein starker Verlag die halbe Miete beim Bucherfolg?
Eine Garantie gibt es nie. Viele Spitzentitel funktionieren nicht – und auch der Verlag weiß oft nicht, was schiefgelaufen ist. War es das Cover, der Titel, die Geschichte ... Das Leserverhalten ist unergründlich.

Sie sind oft auf Lese-Reisen, im Jänner erscheint der Abschluss Ihrer Trilogie um die Bestatterin Blum unter dem Titel „Totenrausch“. Wann kommen Sie überhaupt zum Schreiben?
Immer. Ich setze mir im Zug oder im Hotel die Kopfhörer auf, höre Musik und beginne zu schreiben. Zum Glück kann ich das. Ich bin zwischen 80 und 100 Tage im Jahr auf Lesereise – und das ist sehr wichtig. Man muss die Leser und Buchhändler begeistern, wenn man von seinen Büchern leben will.

Wie viel Zeit geben Sie sich für ein Buch?
Derzeit erscheinen sie in einem Rhythmus von einem Jahr und zwei Monaten. Es ist eine Mischung aus Notwendigkeit und Leidenschaft. Ich würde ohne zu Schreiben verblühen.

Kritiker sagen, Sie haben Ihren Erfolg genau geplant. Vor Ihrem Bestseller Totenfrau haben Sie ein Praktikum bei einer Leichenbestatterin gemacht.
Gegen gute Planung ist doch nichts einzuwenden. Nur ein Autor, der sein Allerbestes gibt, kann auch erfolgreich sein. Dazu gehört neben einem genialen Plot, neben einer schönen Sprache und einer durchdachten Erzählstruktur, auch gründliche Recherche. Nur deshalb habe ich mich auch bei den Toten herumgetrieben … (lacht)

-Simone Hoepke

Vitus Boldt, der nicht Vitus Boldt heißt, aber der Mensch braucht ein Pseudonym, Vitus Boldt teilt mit: Er schreibt Motorrad-Krimis. Als kleines Trostpflaster, so teilt er weiters mit, weil das Fahren zurzeit wegen des Wetters nicht gut möglich ist.
Vitus Boldt fragt: Gibt es eine Möglichkeit, seine Romane im KURIER vorzustellen? Er fragt: Welche Informationen würden Sie gegebenenfalls dafür brauchen?
Das reizt. No, was wird man wohl brauchen? Ein Buch wäre zwecks Beurteilung nicht die schlechteste Idee.

Überhart

Nun teilt Vitus Boldt mit, man möge sich etwas aussuchen, das Neugier weckt: Entweder „Bike Hunting“ = „tötlich endende Verfolgungsjagden“; das überharte t vergessen wir rasch. Oder „Bikers High“ = „die Society in heißen Kurven“. Oder „Bike Shooting“ = „der mysteriöse Killer“.
Alles erschienen bei pink monday publishing in Wien-Brigittenau ...
Was macht man da? Vielleicht sind ja gerade diese Bücher für zumindest einen Leser theoretisch genau das, was er zurzeit im Leben braucht!
Aber heuer erscheinen wieder rund 30.000 neue Romane und Erzählungen auf Deutsch. Und heuer wurden (werden) wieder im KURIER rund 450 Bücher vorgestellt.
Das ist viel. Jeden Tag im Schnitt 1,25. Das ist wenig. Kaum mehr als ein Prozent.

Übersehen

Wie sollen Autoren zu ihren Lesern kommen? Auch die großen Verlagshäuser stecken nur bei ein, zwei Neuerscheinungen Geld in Werbung. Die anderen Schriftsteller können immerhin mit Recht behaupten, dass es ein Buch von ihnen gibt. Wär’ aber schon fein, wenn das in der Zeitung steht.
Der sogenannte „Bücherfrühling“ beginnt im Jänner, und wenn die Journalisten über das Programm informiert sind, wird in den Verlagen bereits der „Bücherherbst“ (ab Hochsommer) geplant. Schriftsteller fühlen sich fast immer schlecht betreut bzw. übersehen. Bei manchen ist das schade.
Für die Bücher, die sich derzeit auf dem Markt befinden, braucht man übrigens 250.000 Jahre, um sie zu lesen. Man könnte damit beginnen; und weniger schreiben.
-Peter Pisa