Wirtschaft

"Die Tribute von Panama" gesucht

Ein Jugendlicher sucht in einer Wiener Bücherei ein Buch für ein Referat.Die Bibliothekarin: "Welche Bücher liest du denn sonst gerne?" Jugendlicher (nach längerer Pause): " Facebook."

Das ist einer jener Dialoge aus dem Büchereialltag, die Monika Reitprecht liebevoll zu lustigen Mikrodramen montiert. Die Wienerin ist seit 1999 Bibliothekarin, seit 2009 vertritt sie die Büchereien Wien in den sozialen Medien. Dort verfolgen fast 40.000 ihre humorvoll-frechen Facebook-Postings, auf Twitter sind es rund 4000.

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"Uns war recht bald klar, dass wir soziale Netzwerke nicht dazu verwenden sollten, um offizielle Statements zu verlautbaren", erklärt Reitprecht im Interview mit dem KURIER den großen Zulauf. "Wir wollen vermitteln, dass Büchereien nicht fad und verstaubt und BibliothekarInnen nicht weltfremd, steif und humorbefreit sind."

Dies ist, peppig aufbereitet, auch im neuen Buch "Wo stehen hier die E-Books?" nachzulesen. "Dass sich nun der Kreis schließt. und aus dem virtuellen Stream ein gedrucktes Werk geworden ist," freut die "bekennende Buchfetischistin".

Mann oder Frisch

"Am besten kommen Besucherfragen an, in denen Titel verballhornt werden", erzählt Reitprecht."Haben Sie ,Die Tribute von Panama‘?" lautet eine dieser Anfragen. Oder:"Ich suche ,Homo Faber‘ von Thomas Mann." "Das ist von Max Frisch." "Warum?" Der Unterricht ist heutzutage halt eher auf kritisches Hinterfragen als auf stures Faktenwissen ausgerichtet.

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Auch der Titel ihres Buchs stammt aus einem realen Dialog. Gesucht wurde da nach einem eigenen Regal für E-Books. Reitprecht: "Auf Facebook findet man eher die Fehlleistungsschau – "Alles super, funktioniert einwandfrei" hat schließlich einen enden wollenden Unterhaltungswert. Das verzerrt das Bild, unsere virtuelle Bücherei wird enorm genutzt." Die Bibliothek des 21. Jahrhunderts ist für Reitprecht daher "mehr als ein realer Ort".

Kürzlich sorgte die Bibliothekarin mit ihrem lockeren Zugang für besonders viele Kommentare. Als ein Buch von Paulo Coelho mit einem Speibsackerl zurückgegeben wurde, postete sie: "Ein durchaus adäquates Lesezeichen" (siehe unten). Neben Zuspruch ("Dieser Tweet hat mich gerade dazu gebracht, meine Büchereien-Jahreskarte erneuern zu wollen"), gab es auch erboste Reaktionen. Selbst der brasilianische Bestsellerautor äußerte sich auf Twitter verstimmt.

"Das war natürlich nicht ernst, sondern als Gag gemeint", nimmt es Reitprecht mit einem Augenzwinkern. Und: "Sollten wir wieder mal ein Sickbag in einem retournierten Buch finden, werde ich twittern, es wäre in meinem Buch gewesen. Vielleicht stimmt das ja auch."

KURIER-Wertung:

INFO: "Wo stehen hier die E-Books?" Von Monika Reitprecht. Milena Verlag. 133 Seiten. 17.90 Euro

Einige Postings der Büchereien Wien

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