Semmeln sind "ein hartes Brot"
Von Simone Hoepke
Die Weltausstellung 2015 in Mailand widmet sich der Frage, wie die Welt künftig ernährt werden soll und ruft die Nationen auf, ein typisches Lebensmittel ihres Landes vorzustellen. Österreich hat sich nicht für Schnitzel oder Kaiserschmarrn entschieden, sondern für die Semmel.
Zur Freude der Bäckerzunft, in der es ohnehin dauernd Brösel gibt. Laut einer Gfk-Studie haben die Bäckerläden binnen vier Jahren ein Drittel ihrer Kunden verloren. Demnach werden schon mehr Semmeln beim Diskonter gekauft als beim Bäcker ums Eck. Angeheizt hat die Entwicklung zuletzt Hofer, der einen dreistelligen Millionenbetrag in seine Backshops gesteckt hat und Semmeln zum Kampfpreis von 15 Cent verkauft.
Josef Schrott kann 26 Handsemmeln in zwei Minuten "wirken", also formen. Das hat ihm 2014 den 3. Platz bei der Österreichischen Handsemmelmeisterschaft eingebracht. Handsemmeln bäckt der Innungsmeister und Wiener Unternehmer in einem Etagenofen auf Steinplatten, deswegen ist ihr Boden ausgeprägter und sie werden auch weniger ausgetrocknet als im Heißluftofen. Das Stück kostet 83 Cent, "und das ist es auch wert", sagt er.
Ratternde Maschinen
Natürlich produziert Schrott auch Maschinensemmeln. 3000 Stück am Tag. "In den besten Zeiten hat mein Vater bis zu 20.000 Stück gebacken." Seither hat sich viel geändert. Einerseits hat die Semmel mehr Konkurrenz von Salzstangerln, Kornspitz & Co bekommen. Zudem haben sich einige Bäcker auf die Kostenführerschaft konzentriert. Wie der niederösterreichische Familienbetrieb Kuchen-Peter. In seiner Hagenbrunner Fabrik läuft fast alles vollautomatisch. Die Rohstoffe werden über Rohre quer durch die Produktionshallen zu den Maschinen befördert, automatisch gemischt, von Maschinen geformt, per Fließband in die Öfen und weiter zur Verpackungsstation befördert. 60.000 Semmeln laufen hier über Fertigungsstraßen – pro Stunde. Die Mitarbeiter haben vor allem die Aufgabe, die Qualität der Ware, die von Band läuft, zu überprüfen.
Der Materialeinsatz einer Semmel liegt laut Schrott bei vier Cent. Der große Kostenblock sei die Anlage und das Personal, vor allem in der Nacht. Je größer die Maschine, desto größer die Stückzahl, desto kleiner die Kosten, seufzt er. Er könne da mit seiner Anlage nicht mitspielen. Dazu kommen die hohen Personalkosten im Verkauf über eigene Filialen. In den Backstuben arbeiten übrigens nach wie vor kaum Frauen. Schrott: "Bis 1997 galt in der Branche überhaupt ein Nachtarbeitsverbot für Frauen."
Die Preiskämpfe sind übrigens relativ neu. Bis Mitte der 1980er-Jahre gab es fixe Höchstpreise für Brot und Semmeln – ein Relikt aus der Mangelversorgung nach dem Krieg. "Damals hat der Bezirksinnungsmeister angerufen und gesagt ‚wir erhöhen die Preise‘", erzählt Schrott. Heute dürfe er gar nicht mehr mit Kollegen über den Preis reden. Wegen dem Kartellrecht und der Wettbewerbsbehörde.
Von einem Bäckersterben kann aber noch keine Rede sein. Laut KMU Forschung ist die Zahl der Betriebe mit 1600 relativ konstant. "Aber die Bilanzen schauen immer schlimmer aus", seufzt ein Branchenkenner. Die oberösterreichische Firma Backaldrin streitet übrigens seit Jahren vor Gericht um ihren Kornspitz. Dieser ist eine geschützte Marke, meint Backaldrin. Das OLG Wien versteht darunter aber nur eine bestimmte Art von Gebäck.