Wirtschaft

Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer wackelt

Die Altersarbeitslosigkeit in Österreich erreicht Monat für Monat neue Höchststände. Im November wurde die 100.000er Marke überschritten, beim AMS waren 103.000 über 50-Jährige (+6 Prozent) vorgemerkt. Weil es zu wenige Jobs für Ältere gibt, steigt auch die Langzeitarbeitslosigkeit bedrohlich.

Einer zentralen Maßnahme im Kampf gegen die Altersarbeitslosigkeit droht aber das Aus, noch bevor sie überhaupt in Kraft ist. Das mit Hängen und Würgen im Vorjahr ausverhandelte Bonus-Malus-System für Unternehmen, als Anreiz mehr ältere Mitarbeiter zu beschäftigen, wackelt gewaltig. Der Grund: Die Erwerbstätigkeit bei den über 55-Jährigen steigt rascher an als erwartet. Die als Voraussetzung für den Start ab 1. Jänner 2018 vereinbarten Beschäftigungsziele mit Stichtag 30. Juni 2017 wurden schon jetzt überschritten. So liegt die Beschäftigungsquote bei den 55- bis 59-Jährigen Männer aktuell bei 75,6 Prozent, als Zielwert gelten 73,6 Prozent. Bei den über 60-Jährigen Männer sind 34,7 Prozent beschäftigt, der Zielwert sieht "nur" 33,1 Prozent vor (siehe Grafik unten).

Demografie sei dank

Der Beschäftigungsanstieg ist vor allem ein demografischer Effekt, es rücken mehr geburtenstarke Jahrgänge in diese Altersgruppen vor. Zum Teil stärker als die Beschäftigung steigt aber die Arbeitslosigkeit. Mit 15 Prozent haben die über 60-jährigen Männer die mit Abstand höchste Arbeitslosenquote aller Altersgruppen. Auch bei den über 55-Jährigen liegt sie mit über zehn Prozent höher als im Durchschnitt. Nur: Die Arbeitslosenquote spielt für das Inkrafttreten des Bonus-Malus-Systems überhaupt keine Rolle.

Ein Verhandlungserfolg der Wirtschaftskammer (WKO), die ihren Mitgliedern bereits erfreut mitteilt, dass der Malus ab 2018 "wahrscheinlich vermeidbar" sein wird. "Das sehr ehrgeizige Ziel ist eindeutig erreicht. Es zeigt, dass Ältere nicht rausgeschmissen werden", betont WKO-Sozialexperte Martin Gleitsmann.

Mini-Malus

Der Malus wäre ohnehin überschaubar. Betriebe, die weniger Mitarbeiter über 55 Jahren beschäftigen als der Durchschnitt ihrer Branche, müssten bei einer Kündigung die doppelte Auflösungsabgabe (242 Euro) zahlen. Der Bonus bei Übererfüllung der 55plus-Quote wäre um 0,1 Prozentpunkt niedrigere Lohnnebenkosten. Ein kleiner Anreiz nur, aber der Regierung ging es ja auch um Symbolik.

Die Arbeiterkammer (AK), Haupttreiber für das Bonus-Malus-System, will die Wirtschaft nicht so einfach davonkommen lassen. "Es kann nicht sein, dass nur die Beschäftigungsquote zählt, nicht aber die Arbeitslosenquote", stellt AK-Arbeitsmarktexperte Gernot Mitter klar. Tatsächlich wurde vereinbart, dass die Zielwerte nur bei gleichbleibender Arbeitslosigkeit zählen. Mitter sieht den Sozialminister gefordert, er dürfe das Bonus-Malus-System nicht unter den Tisch fallen lassen.

Sozialminister Alois Stöger sieht vorerst keinen Handlungsbedarf. "Die steigende Beschäftigungsquote ist ein Zeichen, dass das Bonus-Malus-System schon gewirkt hat", sagt er . Die Betriebe seien eben bereits sensibilisiert. Er verweist auf das neue Pensionspaket, das Firmen und Beschäftigten einen Anreiz bieten soll, länger zu arbeiten. Konkret entfällt die Hälfte des Pensionsbeitrags, wenn jemand bis zu drei Jahre über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeitet (bei Frauen bis 63, bei Männern bis 68). Voraussetzung dafür wäre allerdings ein Job.

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Hurra, die Beschäftigung bei den Älteren steigt. Die Wirtschaftskammer verkauft die banale Tatsache, dass wir alle älter werden, neuerdings gerne als Rekrutierungserfolg der Unternehmen. Schön wär’s. Nur – wo sind die Betriebe, die gerne Personal jenseits der 50 einstellen?

Dank der Alterspyramide haben wir mehr über 50-Jährige auf dem Arbeitsmarkt, bis 2020 wird sogar jeder Dritte im erwerbsfähigen Alter dieser Gruppe angehören. Und auch wenn es durchaus Neueinstellungen gibt: Stärker als die Beschäftigung steigt die Arbeitslosigkeit. Sie hat sich seit 2008 mehr als verdoppelt. Noch schlimmer: Die Langzeitarbeitslosigkeit festigt sich, die Re-Integration wird dadurch immer schwieriger – und wesentlich teurer.

Und die Regierung? Zerstritten wie sie ist, vergeigte sie ein wirksames, aber faires Bonus-Malus-System. Sie ließ die Sozialpartner gewähren, die ein Mäuslein geboren haben, das schon vor Inkrafttreten 2018 (warum so spät?) wieder wackelt. Das AMS versucht mit Eingliederungsbeihilfen gegenzusteuern, die Nachfrage der Betriebe ist jedoch gering. Wenn Lohnsubventionen allein nicht helfen, müssen eben neue Maßnahmen her: Eine Staffelung der Lohnnebenkosten je nach Alter etwa oder mehr Überbrückungsjobs bei sozialökonomischen Betrieben. Worauf noch warten?

- Anita Staudacher