Bio versus industrielle Landwirtschaft
Von Simone Hoepke
Vom Lavendel-Samen in Bio-Qualität bis zur fertigen Pizza aus dem Tiefkühlfach: Der Bio-Markt wächst weiter, auch weil er sich längst auf Trend-Themen wie Do-it-yourself und Convenience ausgebreitet hat.
"Wir hatten im Vorjahr ein Umsatzplus von 4,4 Prozent auf 355 Millionen Euro", sagt Martina Hörmer, Geschäftsführerin der Rewe-Bio-Marke ‚Ja!Natürlich‘. Auch wenn das Geschäft im Vorjahr durch zahlreiche Minus-25-Prozent-Aktionen angekurbelt wurde, ist das Plus in dieser Nische beachtlich. Insgesamt legte der Konzernumsatz von Rewe-Österreich 2014 nur um 0,32 Prozent zu. "Besonders junge Leute nehmen ihre Verantwortung wahr und differenzieren sich stark übers Essen", verweist Hörmer auf vegetarische, vegane, glutenfreie oder biologische Ernährungstrends. Für die Buchautorin und stv. Chefredakteurin des KURIER, Martina Salomon, ein Reizthema, wie sie auch diese Woche wieder bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Gesundheits- und Ernährungswahn, was ist noch zumutbar?" des Bürgersalons in Wien-Wieden erklärte. "30 Prozent der Bevölkerung glauben, dass sie Unverträglichkeiten haben, davon lebt die Industrie gut. Es wäre an der Zeit, wieder den Hausverstand einzuschalten", so Salomon. Dass Bio-Essen für den Konsumenten automatisch gesünder sei, hält sie für einen "Mythos".
Sackgasse
Dem widersprach am Podium freilich Bio-Pionier Werner Lampert, der sowohl die Rewe-Marke ‚Ja!Natürlich‘ als auch die Hofer-Bio-Marke ‚Zurück zum Ursprung‘ auf den Markt gebracht hat. Aus Lamperts Sicht ist die industrialisierte Landwirtschaft "eine Sackgasse". Rechne man die Umweltzerstörung durch überdüngte Böden und verschmutztes Wasser mit, sei sie schlicht "ineffizient". Lampert verweist auf Studien, laut denen die Landwirtschaft der größte CO2-Emittent und der größte Vernichter von Biodiversität ist.
Salomon hielt dagegen, dass sich die Weltbevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten verdoppelt, der Hunger auf der Welt in derselben Zeit aber halbiert habe. Das sei "ein Siegeszug der industrialisierten Landwirtschaft". Ob Händler Bio-Milch von kleinen Höfen aus der Region oder von Turbokühen aus Industrieställen in die Regale schlichten, entscheidet letztendlich auch der Konsument mit seiner Kaufentscheidung. Das Problem: "Wir wünschen uns Goldstandard, sind aber nur maximal bereit, Blech zu zahlen", wie es AMA-Marketing-Chef Michael Blass formulierte. Seit den 1980er-Jahren sei etwa der Preis für Fleisch nicht mehr gestiegen, so Blass. Laut Eurostat geben Österreichs Haushalte heute durchschnittlich rund neun Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus, in den 1950er-Jahren waren es noch rund 50 Prozent.