Bestbieterprinzip ist in Österreich noch ein Fremdwort
Von Anita Staudacher
Nicht der billigste, sondern der beste Anbieter soll den Zuschlag erhalten. Das Bestbieterprinzip in der öffentlichen Auftragsvergabe wurde im Vorjahr gesetzlich nachgeschärft, in der Realität ist es aber (noch) nicht wirklich angekommen.
Laut einer WIFO-Studie im Auftrag der heimischen Elektronik- und Metallindustrie zählt bei Ausschreibungen von Bund, Ländern und Gemeinden vor allem der Preis, während preisfremde Kriterien gerne unter den Tisch fallen. Das WIFO untersuchte rund 18.600 öffentliche Vergaben der vergangenen sechs Jahre. Auftragsvolumen: 35,2 Mrd. Euro. Von den Aufträgen wurden zwar die Hälfte mittels Bestbieterprinzip vergeben, jedoch nur scheinbar. Jede fünfte Bestbietervergabe gewichtete den Preis mit 95 Prozent, jede Dritte mit mindestens 90 Prozent. "Die Gewichtung des Preises ist in keinem anderen untersuchten Land so stark ausgeprägt wie in Österreich", fasst Brigitte Ederer, Präsidentin des Fachverbandes Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), zusammen.
Kriterien wie Qualität, Nachhaltigkeit oder Soziales (z.B. Lehrlingsbeschäftigung) kämen zwar zum Einsatz, seien aber nur "Feigenblattkriterien" zu verdeckten Billigstbietervergaben. "Der vorhandene Spielraum wird nicht genutzt, damit wird eine wertvolle Hebelkraft für heimische Unternehmen vertan", kritisiert Christian Knill, Obmann des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie (FMTI).
Vorzeigeländer
Im Vergleich mit neun EU-Ländern ist Österreich laut Studie gemeinsam mit Slowenien und Polen Schlusslicht beim Bestbieterverfahren, während die Niederlande oder Frankreich als Vorzeigeländer glänzen. Knill nennt auch ein Beispiel aus Norwegen, wo bei einer Energietechnik-Ausschreibung der Preis nur zu 35 Prozent gewichtet wurde, fachliche Kompetenz und Technologie jedoch zu 65 Prozent.
Ederer und Knill fordern eine gesetzliche Maximalgewichtung des Preises bei 60 bis 80 Prozent und eine Mindestgewichtung von preisfremden Kriterien. Unterstützt werden sie dabei von der Gewerkschaft vida, die eine Umsetzung des Bestbieterprinzips auch im Verkehrs- und Dienstleistungsbereich (z.B. Reinigung) verlangt.