Wirtschaft

Bank Austria: Von Mailand ausgetrickst

Egal, ob das defizitäre Privatkundengeschäft an die Konkurrenz abgegeben oder in Eigenregie saniert wird. Österreichs größte Bank, international breit aufgestellt, wird zur Provinzbank zurückgestutzt. Im nächsten Jahr, wenn der Eigentümer UniCredit das Osteuropa-Geschäft aus Österreich abzieht und der Konzernzentrale in Mailand einverleibt. 2016 nämlich läuft der berühmte "Bank der Regionen-Vertrag" aus. Der konzernintern der Bank Austria die Ost-Kompetenz garantiert.

Die von Konzernchef Federico Ghizzoni verordnete Redimensionierung ist ein Hammer. Das Bilanzvolumen der Bank Austria wird von derzeit 192 auf rund 120 Milliarden Euro schrumpfen. Der Großteil des Gewinns ist dann auch weg. 660 Millionen Euro hat die Bank Austria in den ersten drei Quartalen 2015 verdient. Ganze 450 Millionen davon flossen netto aus dem Osten nach Wien.

Für den Gesamtkonzern spielt es keine Rolle, wo das Ost-Business angedockt ist. Auch wenn man in der Bank Austria versucht, die Bedeutung herunterzuspielen – für die österreichische Tochter ist die Amputation äußerst schmerzhaft. Für den Standort Österreich macht’s auch kein gutes Bild. Wenngleich abgebrühte Banker solche Diskussionen gerne als nationale Sentimentalitäten abtun.

Und Finanzminister Hans-Jörg Schelling verliert mit dem Abzug der Ost-Division rund 40 Millionen Euro Bankensteuer im Jahr. Keine Kleinigkeit fürs ohnehin klamme Budget. Die umstrittene Abgabe ist eine Substanzsteuer und wird von der Bilanzsumme errechnet. Italien hebt keine Bankensteuer ein.

Dabei hätte es gar nicht so weit kommen müssen.

Wenn der Vorstand unter seinem damaligen Chef Erich Hampel, die AVZ-Stiftung und der Betriebsrat – ja, auch die Belegschaftsvertreter – hart geblieben wären und besser verhandelt hätten.

Denn der Vertrag war ursprünglich unbefristet und einseitig nicht kündbar.

Zum besseren Verständnis einige Schritte zurück in die Vergangenheit. Die Grundsatzvereinbarung wurde 2000 nach der Fusion der Bank Austria mit der bayerischen HypoVereinsbank (HVB) abgeschlossen. Beide Banken legten damals ihr Ost-Engagement zusammen – unter vertraglich garantierter Führung und Zuständigkeit der Bank Austria, die durch diese Aufwertung in Osteuropa in die Top-Liga aufrückte. Die Münchner bekamen dafür das Amerika- und das Asien-Geschäft der Österreicher.

Als der italienische Finanzkonzern UniCredit 2005 die HVB-Gruppe mit ihrem Teilkonzern Bank Austria übernahm, sollte der Vertrag bald ein Thema werden.

Der neue Eigentümer machte gewaltig Druck und wollte die Vereinbarung unbedingt aufkündigen. Mit dem Argument: "Unkündbare Verträge gibt’s nicht."

Also wurde verhandelt. "Rückblickend betrachtet, hätten wir es damals darauf ankommen lassen und uns auf einen Rechtsstreit einlassen sollen", meint ein Bank-Austria-Manager heute dazu.

Erich Hampel hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits zum Chief Executive Officer (CEO) der Bank Austria hinaufgedient und war in Mailand schon an der Spitze der Osteuropa-Division.

Am Verhandlungstisch saßen die AVZ-Stiftung, vertreten durch die beiden Ex-Bankvorstände Franz Zwickl und den inzwischen verstorbenen Friedrich Kadrnoska. Die der Stadt Wien nahestehende Stiftung war damals stärker an der UniCredit beteiligt. Sie ist wie berichtet ein Konstrukt, um die Gemeinde Wien von den Haftungen für die Bank Austria loszueisen. Mitverhandelt hat auch der Betriebsratsfonds, der über Bank-Austria-Namensaktien ebenso wie die Stiftung beträchtliche Mitspracherechte hat. Außerdem stellen die Belegschaftsvertreter drei der 12 Stiftungsvorstände.

Man schloss einen neuen Vertrag ab. Die Italiener hatten sich durchgesetzt. Das "Restated Bank of the Regions Agreement" wurde mit Ende 2016 befristet. Osteuropa war also nur noch auf zehn Jahre garantiert.

Polen, wo man Marktführer war, wanderte zur UniCredit. Dafür erhielt die Bank Austria die Zuständigkeit für die Türkei und bekam von Mailand zusätzlich ein beträchtliches Volumen an Ost-Assets. Die Verantwortlichkeit der Bank Austria umfasste schließlich 24 Länder mit einem riesigen Markt von 306 Millionen Menschen.

Fairerweise ist zu erwähnen, dass das ursprüngliche Ost-Geschäft der "alten" Bank Austria nur eine Größenordnung von 8,5 Milliarden Euro hatte. Rund die Hälfte davon stammte aus der ehemaligen CA. Bei der Fusion mit der HVB brachten die Bayern ein Ost-Volumen von rund 8,1 Milliarden Euro ein. Mit dem Anteil der UniCredit dürfte heute lediglich etwa ein Drittel des Ost-Business direkt auf die Bank Austria zurückgehen.

Während die Margen in Österreich immer magerer wurden, entwickelte sich der Osten, ebenso wie bei den anderen Banken, zur Cashcow. Dank der sprudelnden Ost-Gewinne blieben die Schwächen im Inland unter der Tuchent.

Ist ja nicht so, dass nicht alle heimischen Großbanken mittlerweile ihre Sorgenkinder in Osteuropa haben. Aber die Bank Austria griff zwei Mal wirklich gewaltig daneben. Treibende Kraft war der damalige UniCredit-Boss Alessandro Profumo, dessen ehrgeizigen Expansionspläne nach dem Motto "Klotzen, nicht kleckern" die Bank Austria einige Milliarden Euro kosten sollten.

2007 zogen in der Finanzwelt mit den Subprimes in den USA allmählich die ersten dunklen Wolken auf. Dass Lehman fallen würde und damit die weltweite Finanzkrise auslöste, konnte zu diesem Zeitpunkt freilich noch niemand wissen.

Die Bankmärkte in Osteuropa waren alle besetzt. Also legte die Bank Austria den Fokus noch weiter östlich. "Wir haben regelrecht Wild East gespielt. Und das zum ungünstigsten Zeitpunkt. Genau am Ende eines Zyklus, während dessen man Banken kaufen sollte", erinnert sich ein Insider.

Kasachstan gefiel den Bankern gut. Das Land des Diktators Nursultan Nasarbajew (das ist der mit dem in Wien in U-Haft verstorbenen Ex-Schwiegersohn Rakhat Aliyev) war nicht nur so richtig groß, sondern reich an Öl und Rohstoffen. Um rund 1,9 Milliarden Euro erstand man die kasachische ATF Bank. Die großen Hoffnungen zerschlugen sich bald, das Abenteuer brachte nur Verluste. 2013 zog die Bank Austria die Reißleine und verscherbelte die Bank um knapp 300 Millionen Euro an kasachische Investoren.

Der zweite große Flop passierte in der Ukraine, wo sich die Bank Austria ebenfalls erst 2007 einkaufte. Die um rund 1,5 Milliarden Euro erstandene Ukrsotsbank in Kiew wurde teuer. Das ukrainische Abenteuer ist immer noch nicht ganz ausgestanden. Seit Kurzem wird mit der russischen Alfa-Bank über einen Verkauf verhandelt. Zuvor mussten in der Bilanz noch einige Löcher gestopft werden.

In Summe, schätzen Experten, kostete der späte Hazard im Osten die Bank rund 4,4 Milliarden Euro. Manche Banker gehen von fünf Milliarden Euro aus.

Den Verlusten ist der Gewinn vor Steuern gegenüberzustellen. Im gesamten Osten fuhr die Bank Austria seit 2000 rund 14,6 Milliarden Euro ein.

Die personellen Verantwortlichkeiten für die beiden Fehlgriffe entbehren nicht einer gewissen Pikanterie. Unter Bank-Chef Hampel saß im Vorstand in Wien ein gewisser Federico Ghizzoni, zuständig für Osteuropa (CEE).

Ausgerechnet jener Italo-Banker, der heute an der Spitze des UniCredit-Konzerns steht und vergangene Woche den Kahlschlag der Bank Austria verordnete. Rund 800 Mitarbeiter werden ihren Arbeitsplatz verlieren.

Sowohl Ghizzoni als auch der als entscheidungsschwach und konfliktscheu, aber als höchst loyal bekannte Hampel konnten – oder wollten – sich Profumos "Wild-East"-Ritt nicht entgegenstellen.

Das Wohlverhalten wurde belohnt. Hampel ist heute Aufsichtsratsvorsitzender in Wien und Ghizzoni schafft ganz oben an.